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Ein BGH-Urteil zu Zwangsvollstreckung sorgt für neue Arbeit
Standpunkte /von Carsten LangeI. Sachverhalt
Der Sachverhalt, den der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 21.09.2017 (IX ZR 40/17) zu entscheiden hatte, war denkbar einfach und tritt in dieser Konstellation sicherlich häufig im Zuge von Insolvenzverfahren auf. Ein (späterer) Insolvenzschuldner eröffnete ein Pfändungsschutzkonto. Verschiedene Gläubiger ließen dem Kreditinstitut insgesamt 7 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zustellen. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens überstiegen die Zahlungseingänge auf dem Pfändungsschutzkonto die Pfändungsfreigrenze. Infolgedessen übertrug das Kreditinstitut diese Beträge auf ein von ihr geführtes so genanntes Separierungsskonto. Dieses Konto wies sodann im Zuge des Insolvenzverfahrens ein Guthaben auf. Der Insolvenzschuldner forderte das Kreditinstitut auf, die auf diesem Konto angesammelten Beträge an ihn zu überweisen. Die Bank teilte ihm mit, dass er aufgrund der vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse über dieses Kontoguthaben nicht verfügen könne und sie deshalb an ihn nicht auszahlen könne.
Diese rechtliche Bewertung bestätigte der Bundesgerichtshof in seinem vorerwähnten Urteil.
II. Rechtliche Begründung
Begründet wird diese Rechtsansicht mit der so genannten Verstrickung. Die Pfändung im Rahmen eines staatlichen Vollstreckungsverfahrens führt zur Verstrickung des gepfändeten Gegenstandes. Die Verstrickung bedeutet, dass über die gepfändete Sache ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis zum Zwecke der Zwangsvollstreckung besteht (Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 361). Diese Verstrickung hat unter anderem ein Pfändungspfandrecht und ein Verfügungsverbot zur Folge. Sie endet erst mit der abgeschlossenen Verwertung oder mit der Aufhebung der Pfändung.
Und diese Aufhebung wiederum setzt voraus, dass derjenige, der verfügen möchte, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend machen muss. Diese Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung kann beispielsweise mit den Rechtsnormen nach §§ 88, 89 InsO begründet werden. Danach wird eine Sicherung im Zuge der Zwangsvollstreckung, die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, unwirksam (§ 88 InsO). Im Weiteren regelt § 89 InsO, dass die Zwangsvollstreckung während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig ist.
Oder anders formuliert: Diese vorerwähnten Regelungen in §§ 88, 89 InsO zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Zuge eines Insolvenzverfahrens haben keinen Einfluss auf die Entstehung und Beendigung der Verstrickung.
III. Praktische Bedeutung
Die häufigste Form der Zwangsvollstreckung im Zuge von Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, die keine selbstständige Tätigkeit ausüben, wird die Kontenpfändung sein. So ist es auch in dem vorerwähnten vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt gewesen. Für die im Zuge eines Insolvenzverfahrens beteiligten Personen – und damit primär die Insolvenzverwalter und die Insolvenzschuldner – bedeutet die vorerwähnte Rechtsprechung, dass letztendlich bei jeder Kontenpfändung im Hinterkopf zu behalten ist: Wenn hier pfändungsfreie Guthaben (und damit Forderungen) entstehen, muss zunächst ein Rechtsbehelf eingelegt werden, um die Verstrickung zu beenden und damit über das Konto bzw. die Forderung zu verfügen.
Die einfachere Alternative wird es sein, sich mit dem betreffenden Gläubiger über eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme zu einigen. Nicht alle Gläubiger werden dazu aber bereit sein und möglicherweise drängt die Zeit, um wieder verfügen zu können.
Insbesondere in Erinnerung behalten wird man diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf eine anstehende Beendigung des Insolvenzverfahrens. Denn wenn es kein Insolvenzverfahren mehr gibt, finden auch die Regelungen nach §§ 88, 89 InsO keine Anwendung mehr. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass ein (vormaliger) Insolvenzschuldner an einer Verfügung bezüglich seines seit Jahren bestehenden und vor Jahren gepfändeten Bankkontos gehindert ist. Denn diese möglicherweise längere Zeit zurückliegende Pfändung führt zu der vorerwähnten Verstrickung und damit zu einem Verfügungsverbot. Und die Erteilung der Restschuldbefreiung führt nicht zu einem Erlöschen der Forderung gegen den Schuldner. Die Forderungen werden vielmehr nur zu so genannten unvollkommenen Verbindlichkeiten, hinsichtlich derer ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners besteht. Da die Forderung nicht erloschen ist, bleibt auch das Pfändungspfandrecht existent – und damit die Verstrickung.
Letztendlich entsteht durch dieses BGH-Urteil – unabhängig von seiner rechtlich zutreffenden Bewertung – ein erweiterter Arbeitsaufwand für die Beteiligten und für die rechtlichen Berater die eine Herausforderung darstellende Aufgabe, ihren Mandanten den rechtlichen Begriff der Verstrickung und seine Rechtsfolgen zu erläutern.
Für weitere Fragen im Bereich des Insolvenzrechts wenden Sie sich gerne an mich über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem unter Telefon: 0241 94621 138 oder an mich über meine E-Mail-Adresse lange@daniel-hagelskamp.de
Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Mediator/Wirtschaftsmediator (DAA)
Coach
Auffahrunfall nach Wechsel der Fahrspur: Wer ist schuld?
Standpunkte /von Eva SeuffertEine häufige Situation im Straßenverkehr und insbesondere auf der Autobahn: Ein Fahrzeug wechselt die Fahrspur auf der Autobahn. Unmittelbar danach kommt es zur Kollision mit dem Hintermann, weil z. B. die vorausfahrenden Fahrzeuge abbremsen oder der Hintermann wesentlich schneller unterwegs war als das die Fahrspur wechselnde Fahrzeug.
Grundregel
Bei den meisten Auffahrunfällen wird vermutet (sog. Anscheinsbeweis), dass der Auffahrende entweder einen zu geringen Sicherheitsabstand hatte und/oder unaufmerksam war. Kommen keine weiteren Umstände hinzu, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden des Auffahrenden.
Diese Grundregel trifft häufig zu, jedoch nicht ausnahmslos.
Die Annahme des oben genannten Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden setzt voraus, dass es sich um einen typischen Auffahrunfall gehandelt hat. Ein typischer Auffahrunfall liegt jedoch dann nicht vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug unmittelbar vor dem Auffahren die Fahrspur gewechselt hat (BGH Urt. v. 13.12.2011 – VI ZR 177/10).
Damit der Auffahrende jedoch von dieser Ausnahme profitieren kann, muss er soweit es geht detaillierte und sachverhaltsbezogene Einzelumstände vortragen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass kein typischer Auffahrunfall vorliegt. Alleine die Behauptung der Vordermann habe die Fahrspur gewechselt, reicht nicht aus. Denn oft ist es zwischen den Beteiligten streitig, ob ein Fahrspurwechsel stattfand und dass der Verkehrsunfall in einem engen räumlichen und zeitlichen mit dem Fahrspurwechsel geschah. Diesbezüglich sind u.a. folgende Fragestellungen relevant: gibt es Zeugen, die den Fahrspurwechsel beobachtet haben? Wie viel Zeit ist zwischen dem Spurwechsel und der Kollision verstrichen? Sind die Unfallfahrzeuge im Front/Heckbereich beschädigt? Oder hat die Kollision erst ereignet als sich die Fahrzeuge auf gleicher Höhe befunden haben?
Lässt sich hingegen im Ergebnis nicht mehr ermitteln, wie sich der Unfall genau abgespielt hat, insbesondere nicht, in welchen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Spurwechsel das Auffahren erfolgte, erfolgt in der Regel eine hälftige Schadensteilung.
Mithaftung
Gelingt dem Auffahrenden der Beweis, dass sich der Unfall im Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel ereignete, kann ggf. seine Mithaftung in Betracht kommen. Der klassische Fall auf der Autobahn ist die Mithaftung wegen überhöhter Geschwindigkeit insbesondere bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.
Das OLG Frankfurt am Main befand in seinem Urteil vom 09.04.2015 – 22 U 238/13, dass der Auffahrende einen Mithaftungsanteil von 25% zu tragen habe, weil er nicht die erforderliche, dem Abblendlicht angepasste Geschwindigkeit eingehalten habe. Zwar begründe die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit keinen Sorgfaltsverstoß, dennoch sei davon auszugehen, dass dem “idealen Fahrer” bekannt sei, dass Geschwindigkeiten über 130 km/h das Unfallrisiko erheblich erhöhen.
Eva Seuffert,
Rechtsanwältin
Absolventin des Fachanwaltslehrgangs für Verkehrsrecht
Die Unterschrift auf dem Mietvertrag – was es zu beachten gilt
Standpunkte /von Karsten BeckerGrundsätzlich gilt, dass Vermieter und Mieter auf derselben Urkunde unterzeichnen müssen, also ein Mietvertrag von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen ist.
Unterzeichnung nur eines Mietvertragsexemplars
Häufig ist festzustellen, dass lediglich das für den Vertragspartner bestimmte Exemplar des Mietvertrags unterzeichnet wird, anstatt beide Verträge zu unterzeichnen. Dies ist prinzipiell auch ausreichend. Allerdings hat der BGH (Urt. v. 18.10.2000, Az. XII ZR 179/98) in einem Fall aus dem Bereich des Gewerberaummietrechts entschieden, dass es nicht genügt, wenn auf einem separaten Anschreiben durch Unterschrift die Annahme erklärt. Hierzu führt der BGH aus:
„Es genügt nicht, wenn eine der unterschriebenen Urkunden nur die Willenserklärung einer Partei enthält und sich die Willensübereinstimmung erst aus der Zusammenfassung beider Urkunden ergibt. (…) Es handelt sich somit um einen sogenannten Vertragsschluss durch Briefwechsel. Dieser würde einer gewillkürten Schriftform genügen, nicht aber der gesetzlichen Schriftform.“
Daraus folgt, dass nur Unterschriften auf dem Mietvertrag selbst die gesetzliche Schriftform einhalten.
Wo muss sich die Unterschrift auf der Urkunde befinden?
In § 440 Abs. 2 ZPO heißt es:
„Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.“
Daraus folgt, dass eine Unterschrift nur dann als Unterschrift anzusehen ist, wenn sich diese unterhalb der Schrift befindet. Dies sieht auch der BGH so, der in einem Fall, in dem oberhalb einer Schrift unterschrieben, wurde so entschieden hat (Urt. v. 20.11.1990, Az. XI ZR 107/89):
„Der Namenszug (…) am oberen Rand der (…) Formulare ist keine Unterschrift im Sinne dieser Vorschriften. Die Schrift, deren Echtheit vermutet wird, steht nicht, wie in § 440 Abs. 2 ZPO ausdrücklich gefordert, ‘über der Unterschrift’. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig. Eine Auslegung dahin, die Echtheitsvermutung gelte auch für einen unter der Unterschrift stehenden Text, ist nicht möglich.“
Es ist daher zwingend darauf zu achten, dass immer unterhalb der Schrift unterzeichnet wird, damit die Schriftform gewahrt wird.
Wie muss die Unterschrift selbst aussehen?
Es ist allgemein bekannt, dass Unterschriften zum Teil den Namen des Unterzeichnenden nicht erkennen lassen, sondern diese Unterschriften eher Handzeichen oder Paraphen gleichkommen, insbesondere im geschäftlichen Verkehr. Ist dies bei der Unterzeichnung eines Mietvertrages ausreichend und wird dadurch die Schriftform gewahrt?
Grundsätzlich ist es so, dass der vollständige Name erkennbar ist. Zwar wird keine Lesbarkeit der einzelnen Buchstaben gefordert, man muss aber einzelne Buchstaben erkennen können. Eine Paraphe genügt daher nicht, es sein denn, diese ist notariell beglaubigt. So hat das OLG Köln (Urt. v. 28.06.2005, Az. 22 U 34/05) geurteilt:
„Die Unterschrift unter einen Mietvertrag nach Art einer ‘Wellenlinie’ ist wirksam, wenn die ersten beiden “Wellen” den Buchstaben “W” und damit den Anfangsbuchstaben des Namens W ergeben und wenn die weiteren “Wellen” ersichtlich für den Rest dieses Namens stehen.“
Weiterhin ist es nicht ausreichend, dass Anfangsbuchstaben oder Initialen verwendet werden (OLG Köln, a.a.O.; BGH; Urt. v. 22.10.1993, Az. V ZR 112/92):
„Ob ein Schriftzeichen eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen. Der Wille des Unterzeichnenden ist nur insoweit von Bedeutung, als er in dem Schriftzug seinen Ausdruck gefunden hat.“
Auch genügt eine Übermittlung per Telefax den Anforderungen nicht. Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 22.01.2004, Az. 10 U 102/03) hat im Zusammenhang mit einem Gewerberaummietverhältnis entschieden, dass
„eine Telefaxübermittlung der jeweils durch den Vertragspartner unterzeichneten Vertragsurkunden nicht die gesetzliche Schriftform erfüllt“.
Karsten Becker,
Rechtsanwalt
BGH-Urteil: Keine vorzeitige Kündigung eines Fitnessstudiovertrags beim Umzug
Standpunkte /von Karsten BeckerNach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 04.05.2016, Az. XII ZR 62/15 – noch nicht im Volltext veröffentlicht) reicht der Umzug in eine andere Stadt nicht aus, um einen Fitnessstudiovertrag und damit ein Dauerschuldverhältnis zu kündigen.
Die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses richtet sich nach § 314 BGB. Diese Norm räumt beiden Vertragspartnern die Möglichkeit ein, das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.
Dabei ist nach der Rechtsprechung insbesondere entscheidend, welchem Risikobereich die Störung zuzuordnen ist; also welcher der beiden Vertragspartner den vermeintlichen Kündigungsgrund durch sein Handeln „verursacht“ hat.
Der Wechsel des Wohnsitzes ist dabei der Risikosphäre des Kunden eines Fitnessstudios zuzuordnen. Der Nutzer eines Fitnessstudios, der die Leistung infolge eines Umzugs nicht mehr in Anspruch nehmen kann, hat zwar ein nachvollziehbares Interesse daran, dem Leistungsanbieter kein Entgelt mehr zu entrichten, nach der Ansicht des BGH ist es allerdings so, dass der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Leistung abschließt, das Risiko zu tragen hat, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können.
Ein Umzug, etwa aus familiären oder beruflichen Gründen, stellt prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Die Gründe für einen solchen Wohnsitzwechsel liegen alleine in dem Verantwortungsbereich des Kunden. Konkret ging es um den Fall, dass ein Zeitsoldat berufsbedingt mehrmals den Wohnort während des Vertragsverhältnisses gewechselt hat und dieser den Vertrag 10 Monate vor Ende kündigte.
Der BGH stellte fest, dass der Vertrag nicht vorzeitig beendet wurde und verurteilte ihn zur Zahlung der restlichen Mitgliedsbeiträge.
Vor diesem Urteil ging die Rechtsprechung teilweise davon aus, dass die Kündigung eines Fitnessstudiovertrages wegen eines Umzuges möglich sein kann. Wie sich die Rechtsprechung nunmehr entwickeln wird, bleibt abzuwarten.
Karsten Becker,
Rechtsanwalt
Freigabe des Geschäftsbetriebes und pfändbares hypothetisches Einkommen
Standpunkte /von Carsten LangeGibt der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren frei, so hat dies drei Konsequenzen:
- Der Insolvenzschuldener übt seine selbständige Tätigkeit ohne jede Mitwirkung und Absprache mit dem Insolvenzverwalter außerhalb der Insolvenzmasse aus.
- Wenn hieraus Verbindlichkeiten entstehen, sind diese von der Restschuldbefreiung des Insolvenzverfahrens nicht umfasst.
- Und es besteht nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 Abs. 2 InsO die Obliegenheit, den pfändbaren Anteil des hypothetischen Einkommens, das der Insolvenzschuldener als Angestellter beziehen würde, an die Insolvenzmasse abzuführen.
Alles, was hypothetisch ist, ist schwer greifbar. Um diese Verpflichtung des Insolvenzschuldners besser zu verstehen, wird sie nachfolgend in einigen Eckpunkten dargestellt:
I. Grundsatz der Zahlungspflicht (sogenannte Obliegenheit):
Es ist allein Aufgabe des Insolvenzschuldners, dem Insolvenzverwalter mitzuteilen, welches Einkommen er (hypothetisch) beziehen würde, wenn er nicht seine selbständige Tätigkeit ausüben würde, sondern sich im Angestelltenverhältnis befinden würde. Abhängig ist diese hypothetische Einkommensgröße von der Berufsausbildung, der in der Vergangenheit ausgeübten beruflichen Tätigkeit und letztendlich auch vom Alter und Gesundheitszustand des Insolvenzschuldenders.
Das Risiko, bei dieser Angabe eines hypothetischen Einkommens und damit letztendlich eine Schätzung einigermaßen richtig zu liegen, liegt beim Insolvenzschuldner. Es wird daher empfohlen, diesbezüglich auf Einkommensangaben der Branche aus Tarifverträgen oder Angaben von Branchenverbänden zurückzugreifen und die hieraus resultierende individuelle Angabe gegenüber dem Insolvenzverwalter schriftlich zu begründen.
Aus diesem Grundsatz, dass das hypothetische Einkommen eines Angestellten die Grundlage für die Zahlungspflicht ist, folgt auch: Die Höhe dessen, was der Insolvenzschuldner aus seiner Selbständigkeit erzielt, spielt dabei keine Rolle. Damit hat der Insolvenzverwalter auch keinen Anspruch darauf, nach erfolgter Freigabe Informationen über die Höhe des Gewinnes aus der freigegebenen unternehmerischen Tätigkeit zu erhalten.
Die Frage, ob die unternehmerische Tätigkeit etwas für die Insolvenzmasse abwirft, muss der Insolvenzverwalter bei der Frage, ob die Freigabe erfolgen soll, beantworten. Die hierfür notwendigen Informationen muss der Insolvenzschuldner dem Insolvenzverwalter erteilen. Wenn die Freigabe erfolgt ist, gibt es hierzu aber keine Informationsverpflichtung mehr zur Gewinnhöhe auf Insolvenzschuldnerseite.
II. Geringer Gewinn:
Diese Zahlungsverpflichtung in Höhe des pfändbaren Anteils des hypothetischen Einkommens eines Selbstständigen kann für einen Insolvenzschuldner schwierig bis unerfüllbar werden, wenn sein Gewinn aus seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit gering ist.
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 13.03.2014 (ZInsO 2014, 824, 825) entschieden, dass der Insolvenzschuldner nur dann verpflichtet ist, etwas nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 Abs. 2 InsO an die Insolvenzmasse abzuführen, wenn er tatsächlich einen Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit erzielt, der den unpfändbaren Betrag bei unselbstständiger Tätigkeit übersteigt. Mit anderen Worten: Liegt der Gewinn aus der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit unterhalb der Pfändungsfreigrenze, besteht keine Zahlungsverpflichtung des Insolvenzschuldners an den Insolvenzverwalter und damit die Insolvenzmasse.
Daraus folgt aber auch: Wenn diese Situation eintritt und der Insolvenzschuldner nicht zahlen kann, muss er seine wirtschaftliche Lage dem Insolvenzverwalter gegenüber begründen. Wenn er sich also auf die Ausnahme von der Zahlungspflicht nach § 295 Abs. 2 InsO beruft, muss er diese Ausnahme durch Vorlage seiner wirtschaftlichen Zahlen (aus der selbstständigen Tätigkeit) begründen und darlegen.
Sodann ist der Insolvenzschuldner im nächsten Schritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes zur Erlangung der Restschuldbefreiung verspflichtet, sich um eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis zu bemühen, um dieses erhöhte Einkommen mit pfändbarem Anteil auch zu beziehen. Er muss sich also zu Gunsten seiner Gläubiger darum bemühen, dass aus dem hypothetischen Einkommen mit pfändbaren Anteilen ein real existierendes, von ihm ausgeübtes Einkommen im Angestelltenverhältnis mit pfändbaren Anteilen wird.
Dahinter steht der Grundsatz, dass ein Insolvenzschuldner seine berufliche Qualifikation und seine beruflichen Fähigkeiten zur bestmöglichen Befriedigung seiner Insolvenzgläubiger einsetzen soll. Wenn der Einsatz seiner Arbeitskraft im Angestelltenverhältnis zu besseren wirtschaftlichen Ergebnissen als „gar nichts“ in der Selbständigkeit führt, so ist zu Gunsten der Gläubiger die Anstellung im Arbeitsverhältnis zu suchen und zu realisieren.
III. Kein reales Einkommen:
Diejenigen Insolvenzschuldner, die aus irgendeinem Grunde (z.B. aufgrund ihres Lebensalters oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen) keine Anstellung finden können und damit aus ihrem hypothetischen Einkommen kein reales Einkommen machen können, können letztendlich auf der Basis dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ihre selbstständige Tätigkeit weiter ausüben und müssen an die Insolvenzmasse keinen pfändbaren Anteil des hypothetischen Einkommens abführen. Diesen Umstand, dass ihr Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit nach Steuern und Sozialversicherungen unterhalb der Pfändungsfreigrenze im Falle ihres – hypothetisch angenommenen – Angestelltendaseins liegt, müssen sie dem Insolvenzverwalter aber nachweisen und belegen (z.B. durch betriebswirtschaftliche Auswertungen).
Die oft in Insolvenzverfahren gestellte Frage »Kann ich trotz Insolvenz weiter selbstständig tätig bleiben?« ist mit dem Instrument der Freigabe des Geschäftsbetriebes positiv zu beantworten. Diese Freigabe bringt jedoch Vor- und Nachteile mit sich und wie immer muss man die Grundsätze und Ausnahmen kennen, um die finanziellen Folgen, die sich für einen persönlich stellen, beziffern zu können. Wenn Sie diesbezüglich weitere Fragen haben, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Vermeidung der Sperrfrist für Restschuldbefreiung
Standpunkte /von Carsten LangeWie kan ich die Sperrfrist des § 287a Abs. 2 InsO für die Restschuldbefreiung vermeiden (oder umgehen)?
Diese Frage stellte sich ein Insolvenzschuldner in einem Sachverhalt, der Gegenstand eines Beschlusses des Amtsgerichts Fürth vom 13.01.2016 (ZInsO 2016, 290) ist. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung in § 287 a Abs. 2 InsO eine Sperre schaffen, damit Insolvenzschuldner nicht missbräuchlich wiederholt in die Restschuldbefreiung gelangen.
Daher ist ein Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig,
- wenn dem Schuldner in den letzten 10 Jahren die Restschuldbefreiung erteilt worden ist
- oder wenn ihm diese Befreiung in den letzten 5 Jahren wegen Insolvenzstraftaten versagt worden ist
- oder wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten 3 Jahren wegen nicht erfolgter Mitwirkung oder Verletzung seiner Auskunftspflichten versagt worden ist.
Diese Sperrfristen knüpfen demzufolge an die Versagung der Restschuldbefreiung an. In dem vom Amtsgericht Fürth beurteilten Sachverhalt hatte der dortige Treuhänder in seinem Jahresbericht mitgeteilt, dass der Schuldner seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nur teilweise nachkam. Zeitlich nach diesem Jahresbericht nahm der Insolvenzschuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurück. Das Amtsgericht Fürth bewertet diese Situation wie folgt:
„Hatte der Schuldner im Rahmen eines ersten Insolvenzverfahrens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neubeginns und beendet er dieses Verfahren vorzeitig durch Rücknahme des Antrages, um sodann ein neues Verfahren einzuleiten, so ist ein solches Verfahren unredlich und ist rechtsmissbräuchlich.“
In der Begründung wird ausgeführt, dass ein Insolvenzschuldner in seiner Rechtsgestaltung frei sei. Diese dürfe jedoch nicht missbräuchlich ausgeübt werden, um gesetzliche Fristen zu umgehen. Es wird also zwischen noch zulässiger Rechtsgestaltung und unzulässigem Rechtsmissbrauch differenziert. Der Grad dazwischen ist schmal und damit besteht die Gefahr von Einzelfallentscheidungen, in denen es an einer eindeutigen Richtungsweisung fehlt.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass
- eine Rücknahme eines Antrages auf Restschuldbefreiung, die erkennbar mit dem Ziel verbunden ist, einer Versagung der Restschuldbefreiung zeitlich zuvorzukommen, rechtsmissbräuchlich ist,
- davon aber die Situation zu unterscheiden ist, in der ein Schuldner wegen neu entstandener Schulden das Erstverfahren abbricht. Diese Situation ist als zulässige Rechtsgestaltung anzusehen, da sie dem Zweck eines geordneten wirtschaftlichen Neuanfangs dienen soll.
Wenn Sie weitere Fragen zum Thema der Restschuldbefreiung haben, melden Sie sich gerne.
Sie erreichen mich unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Steuerhinterziehung in großem Ausmaß: BGH verschärft Rahmenbedingungen
Standpunkte /von Christoph Schmitz-SchunkenDer Bundesgerichtshof bleibt seiner Linie treu und verschärft die steuerstrafrechtlichen Rahmenbedingungen ein weiteres Mal.
Ein großes Ausmaß einheitlich ab einem Betrag von 50.000 EUR
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 27. Oktober 2015 (Az. 1 StR 373/15) seine bisherige Rechtsprechung in dieser Thematik korrigiert und geurteilt, dass ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 EUR eine Hinterziehung in großem Ausmaße vorliegt, die eine Verurteilung wegen begangener Steuerhinterziehung in besonders schwerem Falle zulässt, die im Höchstmaße nicht mehr mit 5 Jahren Freiheitsstrafe, sondern mit 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist.
Nach bisheriger Rechtsprechung hat das Gericht danach unterschieden, ob ein Fall der fälschlichen oder unterlassenen Angabe gegenüber dem Finanzamt vorliegt, die zu einer Steuergefährdung führt, oder ob eine Handlung gegeben ist, die eine Steuererstattung (beispielsweise Umsatzsteuererstattung) bewirkte („der Griff in die Kasse“). Bei einer Steuererstattung erkannte das Gericht bei einem Erstattungsbetrag von 50.000 EUR auf das große Ausmaß, bei einer falschen oder unterlassenen Angabe erst ab einem Betrag von 100.000 EUR.
Die Richter leiten ihr neues Ergebnis in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Betrugstatbestand, § 263 StGB, ab. Dort hat die Rechtsprechung schon lange das große Ausmaß ab einem Vermögensschaden von 50.000 EUR bejaht. Die strukturellen Unterschiede der Straftatbestände des Betruges und der Steuerhinterziehung hat das Gericht dabei nicht abgehalten, bereits eine Gefährdung des Steueraufkommens, die noch nicht einem Steuerschaden gleichzusetzen ist, sondern lediglich möglicherweise in einen Steuerschaden mündet, in der strafrechtlichen Bewertung dem eingetretenen Steuerschaden gleichzustellen. Die Begründung findet das Gericht in der Auffassung, dass die falsche Steuerfestsetzung nahezu immer zu einem Schaden führe. Gefährdung und Schaden werden hiermit auf dieselbe Ebene des Unrechtsgehaltes gehoben, so dass damit auch eine einheitliche Betragsgröße gerechtfertigt sei.
Die Tatgerichte und Staatsanwaltschaften werden sich ob dieser Entscheidung freuen. Die Verteidigung dagegen muss sich zukünftig darauf einstellen müssen, noch intensiver und deutlicher als jetzt erforderlich, die sonstigen Umstände der Tat und des Täters herausarbeiten und in die Beweisführung aufnehmen zu müssen, um die sogenannte Indizwirkung des für die Wahl des Strafrahmens bedeutenden Regelbeispiels (das großen Ausmaß) zu entkräften.
Rechtlich überzeugt die Entscheidung jedenfalls nicht, da nunmehr für die strafrechtliche Bewertung die Gefährdungssituation der Erfolgssituation gleichgestellt und dann auch noch in der Bewertung des Ausmaßes auf einen Vergleichstatbestand abgestellt wird, der lediglich im Erfolgsfalle beim Ausmaß von 50.000 EUR auf das große Ausmaß erkennt. Wenn die Gefährdung dem Erfolg gleichgestellt wird, hätte es systematisch näher gelegen, in der Ausarbeitung der Unterschiede zum reinen Erfolgsdelikt (des Betruges), auf eine einheitlich höhere Wertgrenze von 100.000 EUR abzustellen.
Keine gleichzeitige Abgabe von Steuererklärungen mehr
Als weitere Erkenntnis und Anknüpfungspunkt für Handlungsempfehlungen an die Steuerpflichtigen und die steuerberatenden Berufe muss dem Urteil entnommen werden, dass die Abgabe verschiedener Steuererklärungen für einen Veranlagungszeitraum in einem einheitlichen Akt als tateinheitlich begangene Steuerhinterziehung gewertet wird, deren jeweilige Hinterziehungsvolumina zum Zwecke der Bemessung des großen Ausmaße zusammengerechnet werden.
Ein Steuerpflichtiger, der Einkommensteuer-, Gewerbesteuer und Umsatzsteuererklärung für ein Kalenderjahr „durch eine körperliche Handlung gleichzeitig“ abgibt, die falsche Angaben enthält oder pflichtwidrig nicht enthält, kann sich nicht mehr darauf berufen, dass jede Steuererklärung jeder Steuerart eine selbstständige Steuerhinterziehungstat darstellt, die individuell gewürdigt wird (Fall der Tatmehrheit). Das Gericht urteilt, dass stets dann, wenn die Abgabe der Steuererklärungen in einem äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind, von einer einheitlichen, im Sinne einer tateinheitlichen Begehung auszugehen ist, die dazu führt, dass die individuellen Hinterziehungserfolge zusammengerechnet werden. Die Summe dieser Addition kann dann das Regelbeispiel des „großen Ausmaßes“ erfüllen und die Strafrahmenverschiebung auslösen.
Steuerpflichtigen kann daher nur geraten werden, die Abgabe in einem äußeren Vorgang zu unterlassen und jede Erklärung individuell mit deutlicher zeitlicher Verzögerung bei dem Finanzamt einzureichen.
Christoph Schmitz-Schunken
Rechtsanwalt
Steuerberater
Fachanwalt für Steuerrecht
Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln
Gespeicherte Daten bei SCHUFA und anderen Auskunfteien – Ihre Rechte und Ansprüche
Standpunkte /von Carsten LangeDas Geschäft der Auskunfteien und die Methode des Scoring/Ratings gibt es schon sehr lange. Die ersten Ratingversuche wurden bereits 1868 von Henry Varnum Poor publiziert. Darin wurden potenzielle Anleger über die Bonität von Eisenbahngesellschaften informiert. Diese Geschäftsidee wurde weiter systematisiert und führte zur Gründung von Auskunfteien. In Deutschland gibt es die Creditreform seit 1879 und die SCHUFA Holding AG seit 1927.
Das Geschäftsmodell ist also alt. Seine Aktualität und Bedeutung nimmt jedoch immer weiter zu. Für uns resultieren daraus Fragen wie: Was ist über mich gespeichert? Wann habe ich einen Anspruch auf Löschung von gespeicherten Daten?
Hierzu möchte ich Ihnen nachfolgend einige Antworten geben.
1. Anspruch auf Auskunft gespeicherter Daten
Zu dieser Thematik hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.01.2014 (VI ZR 156/13) wie folgt entschieden:
„Ein durch eine Bonitätsauskunft der SCHUFA Holding AG Betroffener hat gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 BDSG einen Anspruch auf Auskunft darüber, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten dort gespeichert sind und in die den Kunden der SCHUFA mitgeteilten Wahrscheinlichkeitswerte (scorewerte) einfließen. Die sogenannte scoreformel, also die abstrakte Methode der Scorewertberechnung, ist hingegen nicht mitzuteilen.“
Damit haben Sie einen Anspruch auf Auskunft der über Sie gespeicherten Daten – erfahren aber nicht, nach welcher Methode diese verwertet werden. Welche Bedeutung der Postleitzahlenbezirk, in dem Sie wohnen, für Ihre Kreditwürdigkeit hat, bleibt somit – derzeit – ein Geheimnis der SCHUFA. Gegen diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28.01.2014 gibt es eine Verfassungsbeschwerde (1 BvR 756/14).
2. Anspruch auf Löschung von Daten
Der Anspruch auf Löschung von Daten ist in § 35 BDSG geregelt. Gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG sind zwei Löschungszeiträume zu unterscheiden:
- Löschung nach 4 Jahren, beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt;
- und wenn es sich um Daten über erledigte Sachverhalte handelt, nach 3 Jahren und damit am Ende des dritten Kalenderjahres, beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt.
Diese verkürzte 3-Jahresfrist wird von vielen Auskunfteien nicht angewandt. Hierzu existiert eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe mit Urteil vom 13.08.2013 (6 K 956/13) mit folgendem Inhalt:
„Die 3-jährige Prüfungsfrist zwecks Löschung von Forderungssachverhalten beginnt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung der Daten folgt. Dies ist das Datum einer erstmals eingetragenen offenen Forderung.
Der Umstand der Erledigung selbst setzt keine neue 3-jährige Prüfungsfrist in Gang. § 35 Abs. 4 S. 2 Nr. 4 BDSG knüpft sowohl bei den unerledigten wie auch bei erledigten Ergebnissen an die erstmalige Speicherung des Grundereignisses an.“
Wenn ein Vollstreckungsbescheid im Jahre 2013 tituliert wird und der Schuldner diese Verbindlichkeit im Dezember 2015 begleicht, ist die Erledigung 2015 eingetreten. Die erstmalige Speicherung in Form der Titulierung des Vollstreckungsbescheides erfolgte 2013. Damit müssen diese Daten im Datenbestand der Auskunftei drei Jahre nach Ablauf des Jahres 2013 und damit zum Jahresende 2016 gelöscht werden. Auf die Einhaltung dieser 3-Jahresfrist ist zu achten.
Auch die Restschuldbefreiung am Ende eines Insolvenzverfahrens stellt ein erledigendes Ereignis dar und führt damit innerhalb der vorerwähnten 3-Jahresfrist zum Anspruch auf Löschung der Negativmerkmale. Es verbleibt jedoch – derzeit – eine für vormalige Insolvenzschuldner unbefriedigende Rechtslage. Denn gemäß Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 01.09.2009 – 21 U 45/09)
„ist die Eintragung der Restschuldbefreiung zulässig. Die Restschuldbefreiung ist gemäß § 300 Abs. 3 InsO öffentlich bekanntzumachen, so dass eine Datenspeicherung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig ist, wenn nicht das schutzwürdige Interesse des Schuldners an dem Ausschluss der Datenspeicherung offensichtlich überwiegt.“
Allein das Interesse an der Erlangung eines Kredites führt nicht zu einer Interessenabwägung zu Gunsten des Schuldners.
Damit verbleibt trotz erteilter Restschuldbefreiung das Merkmal der Restschuldbefreiung bei den Auskunfteien für drei bis vier Jahre (je nachdem, wann im laufenden Jahr die Eintragung erfolgte) gespeichert und für die kreditgewährenden Unternehmen abrufbar.
3. Anspruch auf Aktualisierung
Diejenigen Unternehmen, die Auskunfteien Daten übermitteln (z. B. Banken gegenüber der SCHUFA) sind nach § 28 a Abs. 3 BDSG verpflichtet, nachträgliche Änderungen an die Auskunftei innerhalb einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung mitzuteilen, solange diese ursprünglich übermittelten Daten bei der Auskunftei gespeichert sind. Auch auf diesen Umstand, dass diese Ein-Monatsfrist von der Kreditwirtschaft erfüllt wird, ist zu achten.
Je größer der Datenbestand ist, der über uns gespeichert wird, desto mehr müssen wir ein Augenmerk darauf achten, dass Aktualisierungen und Löschungen auch vorgenommen werden.
Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass Ihnen diese Ausführungen hierzu weiterhelfen. Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, melden Sie sich gerne bei mir unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter Telefon-Nr. 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Insolvenz des Bauträgers: Was passiert mit den Forderungen des Subunternehmers?
Standpunkte /von Carsten LangeFällt ein Bauträger in die Insolvenz, stellt die offene Forderung seines Subunternehmers eine Insolvenzforderung dar, die im Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Das alleine wird bereits zu einem wirtschaftlichen Schaden in Form des Forderungsausfalls beim Subunternehmer führen. Dieser Schaden kann sich dann noch weiter vergrößern, wenn der Insolvenzverwalter des Bauträgers Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche gegenüber dem Subunternehmer – trotz nicht bezahlter Rechnungen – geltend macht.
Urteil des BGH vom 19.11.2015
Zu dieser Konstellation hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 19.11.2015 (Az. IX ZR 198/14) für Subunternehmer einen Ausweg im Hinblick auf ihnen gegenüber geltend gemachte Schadensersatzansprüche dargelegt.
Der Sachverhalt, der dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, war sehr praxisnah und wird kurz wie folgt beschrieben:
Ein Bauträger fiel in die Insolvenz. Die Subunternehmerin hatte aus der Schlussrechnung noch offene Werklohnansprüche. Diese meldete sie zur Insolvenztabelle an und nach erstem Bestreiten stellte der Insolvenzverwalter diese Forderungen zur Tabelle fest.
Der Insolvenzverwalter verklagte erfolglos die Auftraggeberin der insolventen Bauträgergesellschaft auf einen noch offenen restlichen Werklohn. Gegen diese klageweise Inanspruchnahme wehrte sich die Bauherrin (Vertragspartner des insolventen Bauträgers) mit dem Argument, die Arbeiten der Subunternehmerin – hier Erstellung eines Industriefußbodens – seien mangelhaft gewesen. Dieses Klageverfahren zwischen Insolvenzverwalter (für den insolventen Bauträger) und der Bauherrin endete mit einem Vergleich, wonach die Bauherrin keine Zahlungen mehr zu erbringen hatte, aber auch keine Ansprüche wegen der Mängel am Fußboden zur Tabelle anmelden durfte.
Zeitlich nach diesem Vergleichsabschluss machte der Insolvenzverwalter (für die insolvente Bauträgerin) nunmehr gegen die Subunternehmerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe des ihm entgangenen Werklohnes geltend.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Schadensersatzanspruch unter Anwendung der Regelung des § 103 InsO verneint.
Was ist in § 103 InsO geregelt? Dem Insolvenzverwalter wird in dieser Rechtsnorm ein sog. Wahlrecht zur Vertragserfüllung zugestanden. Die gesetzliche Regelung in § 103 Abs. 1 InsO lautet wie folgt:
„Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.”
Bei vertraglichen Beziehungen, die auf beiden Seiten nicht erfüllt sind, wird dem Insolvenzverwalter also die wirtschaftliche Wahl gelassen, die Erfüllung dieses Vertrages nur in den Fällen wählen zu müssen, in denen diese Wahl der Erfüllung für die Insolvenzmasse wirtschaftlich vorteilhaft ist. Ein praktisches Beispiel hierfür sind Kaufverträge unter Eigentumsvorbehalt. Wenn die insolvente Firma einen Gegenstand gekauft hat, den sie aber bisher nicht vollständig bezahlt hat, hat keine der beiden Seiten den Kaufvertrag erfüllt. Der Verkäufer hat das Eigentum nicht übertragen und der insolvente Käufer hat nicht vollständig bezahlt.
Ein Insolvenzverwalter wird nunmehr abwägen, ob er den restlichen Kaufpreis zahlt (also die Erfüllung wählt), um das Eigentum an dem Kaufgegenstand zu erhalten. Diese Erfüllungswahl ist immer dann für die Insolvenzmasse wirtschaftlich günstig, wenn der finanzielle Einsatz in Form der zu leistenden Restzahlung kleiner ist, als der Wert des wirtschaftlichen Gutes, den die Insolvenzmasse hiermit erhält.
Die wirtschaftliche Folge einer Wahl der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter ist also, dass er die restliche Forderung des Vertragspartners als sogenannte Masseverbindlichkeit auch vollständig bezahlen muss – um die Gegenleistung vollständig zu erhalten.
Diese rechtliche Bewertung wendet der Bundesgerichtshof auf den vorliegenden Sachverhalt und damit die Vertragsbeziehung zwischen Bauträger und Subunternehmer an. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Vertrag zwischen Subunternehmer und insolventem Bauträger auf Erstellung eines Industriefußbodens von keiner der beiden Vertragsparteien bisher vollständig erfüllt sei. Die Subunternehmerin habe ihre Leistungen nicht vollständig erbracht, weil noch Mängel vorhanden seien. Der Bauträger habe bisher nicht vollständig gezahlt. Die Feststellung zur Tabelle sei keine Erfüllung.
Lehnt ein Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, bleibt der Vertrag in der Lage bestehen, in welcher er sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand. Der klagende Insolvenzverwalter hätte, um den Anspruch auf Schadensersatz aus dem Bauvertrag gegen die Subunternehmerin geltend zu machen, Erfüllung des Vertrages wählen müssen. Dann hätte er anstelle der Erfüllung in Form der Nachbesserung den an diese Stelle tretenden Anspruch auf Schadensersatz geltend machen können.
Die Folge des Erfüllungsverlangens wäre dann gewesen, dass der Insolvenzverwalter den Zahlungsanspruch der Subunternehmerin als sogenannte Masseverbindlichkeit hätte begleichen müssen. Indem der Insolvenzverwalter die Werklohnforderung der Subunternehmerin als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt hat, hat er die Zahlungspflicht verneint und damit zum Ausdruck gebracht, dass er keine Erfüllung dieses beidseitig nichterfüllten Vertrages wählt. Damit ist der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall mit der Geltendmachung eines Nachbesserung-oder Schadensersatzanspruches für die insolvente Bauträgerin ausgeschlossen.
Fazit
Diese Rechtsprechung zeigt für Subunternehmer, die auf Nachbesserung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, einen Ausweg: Sie können den Insolvenzverwalter des Bauträgers darauf verweisen, dass Sie nur dann zu einer Nachbesserung oder einem Schadensersatz (anstelle der Erfüllung) verpflichtet sind, wenn der Insolvenzverwalter seinerseits die Erfüllung des Vertrages wählt und damit im ersten Schritt die Zahlungsforderung des Subunternehmers zu einer Masseforderung wird. Dann ist der Subunternehmer nicht mehr auf die Forderungsanmeldung zur Tabelle und die zu erwartende (zumeist geringe) Quote am Ende des Verfahrens verwiesen sondern hat einen Zahlungsanspruch hinsichtlich des restlichen Werklohnes als Masseanspruch gegenüber der Insolvenzmasse.
Voraussetzung für diesen Ausweg aus der Situation, nachbessern zu müssen, ohne den Werklohn ausgezahlt zu erhalten, ist aber dass beide Seiten – Bauträger und Subunternehmer – ihre vertraglichen Pflichten nicht vollständig erfüllt haben d.h. ein beidseitig nicht erfüllter Werkvertrag im Sinne von § 103 InsO vorliegt
Sollten Sie weitere Fragen zu Themenbereichen haben, die mit insolvenzrechtlichen Fragestellungen verbunden sind, wenden Sie sich gerne an mich unter der E-Mail-Adresse lange@daniel-hagelskamp.de oder über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138.
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