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Schadensersatz eines GmbH-Geschäftsführers wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages: Ein Lichtblick für Gläubiger
Standpunkte /von Carsten LangeEinen Lichtblick für Gläubiger bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber GmbH-Geschäftsführern, die den Insolvenzantrag verspätet gestellt haben, zeigt ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.09.2020 (Az. 6 U 109/19 -ZInsO 2020, 2212 ff.)
Corona-Virus: Aufatmen für Geschäftsführer und Vorstände – Die Insolvenzantragspflicht wird ausgesetzt!
COVID-19, Standpunkte /von Christoph Schmitz-SchunkenBundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht:
„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 für die betroffenen Unternehmen. Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.“
Damit kündigt das Bundesministerium für Justiz hat an, dass die Insolvenzantragspflicht aufgrund des Coronavirus vorübergehend ausgesetzt werden soll.
Die aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bei vielen Unternehmen drohenden Liquiditätsengpässe würden unter normalen Umständen zu einer Flut von Unternehmensinsolvenzen führen, denn Vorstände und Geschäftsführer sind nach derzeitiger Rechtslage verpflichtet, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung binnen drei Wochen einen Insolvenzantrag für das von ihnen geleitete Unternehmen zu stellen (§ 15a Abs.1 S.1 InsO). Das Unterlassen dieser Maßnahme ist nach aktueller Rechtslage strafbar und führt zu einer persönlichen Haftung der Vorstände bzw. Geschäftsführer für Zahlungen durch die Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife.
Da die Unternehmen aktuell zu Überwindung dieser Krise nicht auf Erfahrungswissen zurückgreifen können und täglich die Lage neu bewertet werden muss, möchte die Bundesregierung den betroffenen Personen die Luft verschaffen, mit einem vernünftigen zeitlichen Horizont die Lage bewerten und Handlungsalternativen entwickeln zu können. Die Regierung möchte mit allen Mitteln verhindern, dass bisher gesunde Unternehmen und mit diesen verbundenen Arbeitsverhältnissen in Gefahr geraten. Zwar hat die Regierung zahlreiche Hilfen für Unternehmen angekündigt. Fraglich ist aber, ob die Hilfen rechtzeitig – vor Ablauf der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht – bei den Unternehmen ankommen. Als Vorbild für die Aussetzung dienen die Regelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, wie sie bereits anlässlich der Hochwasserkatastrophen in den Jahren 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden.
Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Nach der Ankündigung des Bundesjustizministeriums soll die Aussetzung der Antragspflicht vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können.
Für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollen daher zwei Voraussetzungen gelten:
- Der Insolvenzgrund beruht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie.
- Es bestehen aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung.
Die Regelung soll zunächst bis zum 30. September 2020 gelten. Eine Verlängerung der Regelung bis zum 31.03.2021 ist möglich.
Jede Medaille hat aber zwei Seiten. Die grundsätzlich zu begrüßende Initiative des BMJV bleibt in der Anwendung mit Risiken behaftet. Zum einen steht das Maßnahmenpaket öffentlicher Hilfen noch nicht fest, anhand derer die Erfolgsaussichten einer Sanierung beurteilt werden können, zum anderen ist fraglich, ob hiervon auch Unternehmen betroffen sind, die vor der Pandemie eine Sanierungsmaßnahme durchlaufen haben, eine positive Fortführungsprognose entwickelt haben, diese aber nunmehr durch die Folgen der Pandemie unterlaufen wurden. Besser wäre es noch gewesen, gleich auch den Insolvenzgrund der Überschuldung zu suspendieren, um einfache und deutliche Rechtsklarheit zu erlangen.
Allen Geschäftsleitern ist in dieser Situation zu empfehlen, klar und eindeutig Liquidität und Schuldenstatus (im Insolvenz-rechtlichen Sinne) zu dokumentieren und deren Beeinflussung durch die Folgen der Pandemie in Tagesprotokollen festzuhalten. Im Zweifel sollten sie Rechtsrat einholen, um verbleibende Risiken zu minimieren. Bleiben Sie gesund!
Steuerliche Rückwirkung der Restschuldbefreiung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe
Standpunkte /von Carsten LangeDer Titel dieser Ausführung klingt unspektakulär; die wirtschaftlichen Auswirkungen der nachfolgend geschilderten Rechtsprechung können erheblich sein. Der betreffende Leitsatz einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes mit Urteil vom 13.12.2016 (Az. X R 4/15) lautet wie folgt:
„Ein Buchgewinn, der aufgrund der Erteilung einer Restschuldbefreiung entsteht, ist grundsätzlich im Jahre der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses zu erfassen.
Wurde der Betrieb vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, liegt allerdings ein in das Jahr der Aufstellung der Aufgabebilanz zurückwirkendes Ergebnis vor.“
Durch dieses Urteil hat sich die Bewertung der steuerlichen Wirkungen der Restschuldbefreiung geändert. Zuvor galt eine Rechtslage, die von der OFD NRW am 21.11.2014 wie folgt beschrieben wird:
„Ein bei der Betriebsaufgabe entstandener Gewinn bzw. Verlust ist in der Folge der eingetretenen Befreiung von betrieblichen Verbindlichkeiten nicht zu korrigieren. Die Restschuldbefreiung stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 174 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar. Der Gewinn wird erst in dem Zeitpunkt realisiert, in dem die Restschuldbefreiung erteilt wird.“
Was bedeutet diese Änderung der rechtlichen Bewertung und wie stellt sich die Situation vor der Änderung und wie nach dieser Änderung dar:
1. Vor diesem Urteil: Keine Rückwirkung der Restschuldbefreiung
Die Restschuldbefreiung wird wirksam mit dem rechtskräftigen Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung und damit zum Ende des Insolvenzverfahrens. Es entsteht infolge dieser Restschuldbefreiung gegebenenfalls ein Gewinn. Dieser wurde in der Vergangenheit auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Steuerbescheide und damit gegebenenfalls am Ende des Insolvenzverfahrens noch vorhandenen Verlustvorträge ertragsteuerlich als Sanierungsgewinn behandelt.
Im Ergebnis änderte sich infolge der Erteilung der Restschuldbefreiung für die Vergangenheit steuerlich nichts.
2. Nach diesem Urteil: Rückwirkung der Restschuldbefreiung
Dieser Umstand hat sich nunmehr geändert. Wurde ein Geschäftsbetrieb bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, wirkt die Restschuldbefreiung zurück.
In der Folge bedeutet dies, dass sämtliche seit der Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheide aufzuheben und unter Berücksichtigung des Sanierungsgewinnes neu zu erlassen sind. Faktisch hat dies Bedeutung für in der Vergangenheit und damit im Insolvenzverfahren bis zu 6 Jahre zurückliegende Verlustvorträge, die in der Folgezeit während des Insolvenzverfahrens „aufgebraucht” worden sind.
Beispielhafte Szenarien hierfür sind:
- Der Steuerschuldner erhält das pfändungsfreie Einkommen und der pfändbare Betrag wird während des Insolvenzverfahrens und der sich daran anschließenden Wohlverhaltensphase an den Insolvenzverwalter ausbezahlt. Die steuerliche Verpflichtung zur Zahlung von Einkommensteuer liegt alleine beim Insolvenzschuldner. Soweit es in den 6 Jahren, die zwischen Insolvenzeröffnung und Erteilung der Restschuldbefreiung lagen, Zahlungspflichten auf die Einkommensteuer gab und zugleich Verlustvorträge erfolgte die Verrechnung. Letztendlich zahlt der Insolvenzschuldner in diesen 6 Jahren bei ausreichendem Verrechnungspotenzial durch Verlustvorträge keine Einkommensteuer.
- Der Insolvenzverwalter veräußert Betriebsvermögen nach der Insolvenzeröffnung und löst einen Sanierungsgewinn dadurch aus, dass der Veräußerungserlös oberhalb des Buchwertes liegt. Hierdurch entsteht ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn. Soweit es Verlustvorträge in ausreichendem Umfange gab, wird hierdurch eine Pflicht zur Steuerzahlung zulasten der Masse nicht ausgelöst. Das Insolvenzverfahren wird aufgehoben. Einen Insolvenzverwalter gibt es nicht mehr. Am Ende der verbleibenden 6 Jahre tritt die Restschuldbefreiung ein und wirkt diese steuerlich zurück. Infolgedessen erhält der Insolvenzschuldner Steuerbescheide zur Zahlungspflicht. Denn diese durch die Rückwirkung der Restschuldbefreiung nunmehr eintretenden Steuerpflichten sind letztendlich Masseverbindlichkeiten und für diese gibt es keine Restschuldbefreiung (BFH mit Urteil vom 28. November 2017-Az. VII R 1/16).
Was bedeutet dies für die praktische Handhabung?
Letztendlich kann die steuerliche Rückwirkung der Restschuldbefreiung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe infolge der damit verbundenen Änderung der Steuerbescheide zu einer finanziellen Belastung führen, die der Insolvenzschuldner nicht tragen kann – mit der Folge einer erneuten Zahlungsunfähigkeit.
Für die Vergangenheit und damit bis zum Zeitpunkt dieses Urteiles konnte man sich auf diese Situation nicht einrichten. Nunmehr kann den Insolvenzschuldnern, die von dieser steuerlichen Rückwirkung der Restschuldbefreiung erfasst sind, nur geraten werden, sich wirtschaftlich auf diese mit Erteilung der Restschuldbefreiung eintretenden steuerlichen Zahlungsverpflichtungen einzustellen. Dies wird man nicht anders machen können, als dass in Höhe der zu erwartenden steuerlichen Zahlungspflichten tatsächlich vorhandene Rückstellungen gebildet werden.
Soweit diesbezüglich Rückfragen bestehen, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241 94621 138.
Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Mediator/Wirtschaftsmediator (DAA)
Coach
Ausnahmen von der Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 S. 2 GmbHG
Standpunkte /von Carsten LangeDie Ersatzpflicht der Geschäftsführer einer GmbH im Falle einer verspäteten Stellung eines Insolvenzantrages ist zwischenzeitlich ein scharfes Schwert der Insolvenzverwalter geworden.
Dabei ist der Umfang dieser Ersatzpflicht aufgrund einer BGH-Rechtsprechung mit Ausnahmen und Rückausnahmen alles andere als übersichtlich und nachvollziehbar.
Infolgedessen könnte man auf die Idee kommen, dass diese Ersatzpflicht aufgrund der Ausnahmeregelung in § 64 S. 2 GmbHG eine Neutralisierung oder zumindest Milderung erfahre. Die dortige Regelung lautet:
„Dies (Anm. die Ersatzpflicht des Geschäftsführers) gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt (Anm.: Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder die Feststellung der Überschuldung) mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.“
Für diese Ausnahmeregelung gibt es drei Anwendungsgruppen:
1. Austauschgeschäfte
In der Vergangenheit wurden Austauschgeschäfte, bei denen dem Zahlungsabfluss der Gesellschaft eine von ihr im Gegenzug erhaltende Leistung des Zahlungsempfängers gegenübersteht, als ein Ausnahmefall für die Geschäftsführerhaftung angesehen. Der Bundesgerichtshof geht diesbezüglich zwischenzeitlich einen anderen Weg und schränkt statt der Anwendung dieser Ausnahmeregelung die Ersatzpflicht nach § 64 S. 1 GmbHG ein.
Im Zuge dieser Einschränkung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass insbesondere Dienst- und Arbeitsverhältnisse nicht als eine Gegenleistung anzusehen sind, die zur Kompensation des Zahlungsabflusses führt und demzufolge zur Verneinung der Ersatzpflicht (BGH ZIP 2017, 1619, 1620 (Rz. 18)). Warum bei einem Bauunternehmen, das ein Haus errichtet, geliefertes Baumaterial eine Werterhöhung und damit eine zu berücksichtigende Gegenleistung verkörpern soll, Pläne des Architekten und Statikers dagegen nicht, ist wirtschaftlich nicht nachzuvollziehen. Berücksichtigen wird man diese derartige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sehr wohl müssen.
2. Nachteilsabwehr
Zahlungen einer GmbH sind dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar, wenn sie zur Abwendung von Nachteilen für die Insolvenzmasse, insbesondere zur Erhaltung von Sanierungschancen erforderlich sind. Sie müssen also grundsätzlich zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sein.
Damit findet diese Ausnahme keine Anwendung, wenn die Schließung des Geschäftsbetriebes feststeht und keine konkrete Chance auf eine Sanierung besteht. Dann kann sich ein Geschäftsführer auf diese Ausnahmeregelung nach § 64 S. 2 GmbHG nicht berufen.
Grundsätzlich lautet die Voraussetzung, dass die bezahlte Rechnung auch bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrages hätte gezahlt werden müssen. Als Beispiel hierfür zu benennen ist die Begleichung einer Speditionsrechnung, um Ware ausliefern zu können und damit den Kaufpreis zu erhalten.
3. Zahlungen, zu denen ein Geschäftsführer öffentlich-rechtlich oder strafbewehrt verpflichtet ist
Das Verhältnis des Zahlungsverbotes nach § 64 S. 1 GmbHG und der Strafbarkeit eines Geschäftsführers bei Nichtzahlung für die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nach § 266 a StGB war umstritten. Letztendlich gelöst worden ist dieser Normenkonflikt dadurch, dass die Abführung des Arbeitnehmerbeitrages zur Sozialversicherung aufgrund der ansonsten eintretenden Strafbarkeit nach § 266 a StGB nicht zur Ersatzpflicht nach § 64 GmbHG führt. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht unter diesen Ausnahmetatbestand fallen.
Ein Geschäftsführer haftet auch dann nicht nach § 64 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt zahlt (BGH ZInsO 2011, 440). Auch die zivilrechtliche Haftung und die Ordnungswidrigkeit begründen demzufolge eine Pflichtenkollision, die durch eine Ausnahmeregelung nach § 64 S. 2 GmbHG gelöst wird.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Auffangnetz des § 64 S. 2 GmbHG für eine Ersatzpflicht löchrig und dünn ist und man sich als Geschäftsführer hierauf nach Möglichkeit nicht verlassen sollte. Soweit diesbezüglich Rückfragen und Erörterungsbedarf bestehen, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Kalem, unter der Telefonnummer 0241 94621 138.
Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Mediator/Wirtschaftsmediator (DAA)
Coach
Zur Vermeidung der Geschäftsführerhaftung wegen Steuerverbindlichkeiten ist Aktivität gefordert
Standpunkte /von Carsten LangeDie beiden folgenden Urteile zeigen, dass GmbH-Geschäftsführer auch nach der Stellung eines Insolvenzantrages in dem sich daran anschließenden Insolvenzeröffnungsverfahren und sodann Insolvenzverfahren aktiv und wachsam bleiben müssen, um eine eigene Haftung zu vermeiden.
1. Aktivität im Hinblick auf die Tabellenanmeldungen der Finanzbehörde
Nach der Insolvenzeröffnung melden die Gläubiger – und damit auch die Finanzbehörde – ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an. Diese Anmeldung erfolgt gegenüber dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter übersendet diese Anmeldungen mit seinem vorzuschlagen Prüfungsergebnis an den Geschäftsführer der schuldnerischen GmbH.
An dieser Stelle muss der Geschäftsführer wachsam bleiben. Denn der BFH hat in einem Urteil vom 27.09.2017 (Az. XI R 9/16) folgendes entschieden:
Wird eine Steuerforderung gegenüber einer GmbH widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt, ist der Geschäftsführer der GmbH im Verfahren wegen Haftung gemäß § 166 AO mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen, wenn er der Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat.
Auch dem Geschäftsführer als Vertreter der Schuldnerin (GmbH) ist neben dem Insolvenzverwalter nach § 178 Abs. 1 S. 2 InsO ein Widerspruch gegen die Feststellung der Forderung zur Tabelle möglich.
Wenn die Finanzbehörde beispielsweise auf der Basis von Schätzungsbescheiden Forderungen anmeldet und diese Forderungen vom Insolvenzverwalter ohne Widerspruch der Schuldnerseite (und damit des Geschäftsführers als Schuldnervertreters) festgestellt werden, kann sich der Geschäftsführer der GmbH in einem Verfahren über seine Haftung für die Steuerverbindlichkeiten der GmbH nicht mehr mit dem Argument wehren, die Steuerforderungen der Finanzbehörde seien in der Tabelle zu hoch festgestellt. Vielmehr gilt diese Tabellenfeststellung als unabänderlich gesetzt – nicht nur im Hinblick auf das Insolvenzverfahren, sondern auch im Hinblick auf die Geschäftsführerhaftung. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Geschäftsführer auch darauf zu achten hat, Schätzungsbescheide nicht rechtskräftig werden zu lassen.
An dieser Stelle heißt es also als Geschäftsführer ein Augenmerk auf die Forderungsanmeldungen der Finanzbehörde zur Tabelle zu haben.
2. Aktivität im Hinblick auf die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters
Diese Notwendigkeit des Geschäftsführers zum Handeln ist bereits Thema des Standpunktes vom 12.02.2018 mit der Überschrift „Steuerrechtliche Haftung eines Geschäftsführers auch bei Insolvenzantrag“. Auf diese notwendige Aktivität des Geschäftsführers infolge eines Urteils des Bundesfinanzhofes vom 26.09.2017 (Az. VII R 40/16) ist in diesem Zusammenhang erneut hinzuweisen.
Wird ein Insolvenzantrag gestellt und wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt, bedeutet dies, dass nur noch mit diesem vorläufigen Insolvenzverwalter gemeinsam Verfügungen vorgenommen werden können. Das führt bei Geschäftsführern zumeist zu der Annahme, nun könne man aus eigener Initiative sowieso nichts mehr bezahlen, so dass die Zahlungsvorgänge und diesbezüglichen Aktivitäten dem vorläufigen Insolvenzverwalter überlassen werden.
An dieser Stelle ist der Bundesfinanzhof anderer Ansicht. Ein fehlendes Verschulden im Hinblick auf die steuerliche Haftung des Geschäftsführers für nicht beglichene Steuerschulden der insolventen GmbH nimmt er nur dann an, wenn der Geschäftsführer dem Finanzgericht konkret darlegt und nachweist, welche Schritte er zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte, deren Weiterverfolgung sich jedoch wegen der Haltung des vorläufigen Insolvenzverwalters als sinnlos darstellt.
Auch an dieser Stelle kann daher nur der Rat gegeben werden: Es muss im Hinblick auf Steuerverbindlichkeiten gehandelt werden.
Soweit diesbezüglich Nachfragen auf Ihrer Seite bestehen, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder telefonisch über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem, unter der Telefonnummer 0241 94621 138.
Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Mediator/Wirtschaftsmediator (DAA)
Coach
Steuerrechtliche Haftung eines Geschäftsführers auch bei Insolvenzantrag
Standpunkte /von Carsten LangeDie Folge eines Insolvenzantrages ist bei fortbestehendem Geschäftsbetrieb in der Regel die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht. In der Vielzahl der Fälle wird angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin (der GmbH) über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO).
Rechtlich und faktisch bedeutet dies: Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter nicht seine nach dieser Vorschrift erforderliche Zustimmung (im Voraus oder nachträglich) gibt, kann es auch keine Zahlung an einen Gläubiger der Insolvenzschuldnerin (GmbH) geben. Welche Folgen hat diese Situation für die Haftung des Geschäftsführers für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten?
BGH: Die Anforderungen an einen Sanierungsplan
Standpunkte /von Carsten LangeI. Frage
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein schlüssiger Sanierungsplan vorliegt,
- ist sowohl für sanierungsbedürftige Firmen und ihre Berater von Bedeutung, also für diejenigen, die einen Sanierungsplan erstellen möchten
- und ebenso für deren Gläubiger, denen ein derartiger Plan präsentiert wird und die für den Fall der fehlenden Schlüssigkeit bei späterer Insolvenz die erhaltenen Zahlungen aufgrund einer Anfechtung zurückgewähren müssen.
Dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.05.2016 (IX ZR 65/14) lag ein sehr lebensnaher Sachverhalt zu Grunde: Die spätere Insolvenzschuldnerin machte ihren Gläubigern und damit u.a. auch ihrem Spediteur (dem Beklagten) ein Angebot, wie sie saniert werden könne. Über die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft teilte die Schuldnerin mit, ihre Kreditlinien seien eingefroren und zur Vermeidung der Insolvenz sei ein Vergleichsvorschlag erarbeitet worden, wonach die Gläubiger auf 65 % der Forderungen verzichten sollten, davon auf 15 % gegen Besserungsschein. Der Vergleichsvorschlag könne umgesetzt werden, weil von dritter Seite Liquidität zur Verfügung gestellt werde. Voraussetzung sei aber, dass alle Gläubiger dem Vorschlag bedingungslos zustimmen. Anderenfalls sei ein Insolvenzverfahren unabdingbar, das keine Befriedigungsquote erwarten lasse.
Der Inhalt derartiger Angebote an Gläubiger kommt im der Praxis regelmäßig vor: „Wenn alle Gläubiger zustimmen, können wir ihnen eine quotale Zahlung anbieten. Wenn sie sich nicht mit dieser Quote einverstanden erklären, ist ein Insolvenzantrag erforderlich und werden sie gar nichts bekommen.“
Stellt ein derartiger Inhalt ein schlüssiges Sanierungskonzept dar?
Diese Frage hatte der BGH zu beantworten, da der Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der Vergleichszahlung im Zuge einer Anfechtung nach § 133 InsO geklagt hatte. Die Zahlung war im März 2007 erfolgt und der Insolvenzantrag datierte aus dem Jahr 2011. Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung nach § 133 InsO ist in einem 10-Jahreszeitraum möglich und damit auch bei einem 4-jährigen Zeitablauf, wie in dem vorgenannten Fall.
Voraussetzung für eine Anfechtung nach § 133 InsO ist, dass der Gläubiger (hier die Spedition) von der Zahlungsunfähigkeit ihrer Schuldnerin wusste. Diese Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ist zu verneinen, wenn die angefochtene Zahlung Bestandteil eines ernsthaften, letztendlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuches ist.
Wann ist ein Sanierungsversuch ernsthaft? Hierzu hat der BGH in der Vergangenheit ausgeführt, dass zu der Zeit der Zahlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorgelegen haben muss, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und eine ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertige (BGH, Urteil vom 16.10.2008, IX ZR 183/06). Sehr viel konkreter war damit die Antwort in dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofes nicht.
Der Mehrwert des hier in Rede stehenden Urteiles vom 12.05.2016 besteht darin, dass es bei der Antwort, wann ein schlüssiges Sanierungskonzept und damit ein ernsthafter Sanierungsversuch vorliegt, wie folgt konkreter wird:
1. Darlegungs- und Beweislast
Ausgangspunkt der Überlegungen des Bundesgerichtshofes ist der Umstand, dass die Beklagte (Spedition) die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt hat. Diese Erkenntnis ergab sich aus dem Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in dem auf die Sperrung der Kreditlinien und die in Kürze zu erwartende Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde. Dies bewirkt eine Umkehr der Beweislast (infolge der Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO). Es obliegt damit dem Anfechtungsgegner (Beklagten/Spedition) darzulegen und zu beweisen, dass sie nichts von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste.
2. Keine Überprüfung des Sanierungskonzeptes
Der Gläubiger ist hinsichtlich eines ernsthaften Sanierungsversuches auf die Informationen angewiesen, die ihm der Schuldner zur Verfügung stellt. Dieses Sanierungskonzept des Schuldners muss der Gläubiger gemäß BGH nicht selbst fachmännisch überprüfen oder durch Sachverständige überprüfen lassen. Er darf sich grundsätzlich auf schlüssige Angaben des Schuldners verlassen. Er darf damit den Angaben des Schuldners oder seines Sanierungsberaters vertrauen, solange er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass er getäuscht werden soll.
Im vorliegenden Fall waren die Angaben, dass alle Gläubiger an dem Sanierungsplan beteiligt sind, falsch. Dies konnte die beklagte Spedition aber nicht wissen und diesen Umstand hält der BGH infolgedessen für unerheblich.
3. Ursachen der Insolvenz und positive Fortführungsprognose
Der Gläubiger kann aber nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzeptes informiert ist. Dazu gehören die Ursachen der Insolvenz, die Maßnahmen zu deren Beseitigung und eine positive Fortführungsprognose.
Wenn ein Unternehmen ständig mit Verlust arbeitet, ist eine Sanierungsvereinbarung, mit der lediglich der gegenwärtige Schuldenstand reduziert wird, nicht tragfähig. Durch einen erneuten Anstieg der Verbindlichkeiten ist eine erneute Insolvenzreife absehbar. Infolgedessen verlangt der Bundesgerichtshof für ein schlüssiges Sanierungskonzept, dass u.a. die Ursache der Insolvenz dargelegt wird. Es muss dargestellt werden, mit welchen Maßnahmen diesen Ursachen begegnet wird. Diese Maßnahmen müssen eine positive Fortführungsprognose begründen.
Es ist zumindest Art und Höhe der bei Sanierungsgewinn bestehenden ungedeckten Verbindlichkeiten des Schuldners offenzulegen. Auch muss dem Gläubiger bekannt gemacht werden, in welcher Weise mit dem Sanierungsplan der Insolvenzgrund beseitigt werden soll. Dies muss nicht durch einzelne Details dargestellt werden, aber zumindest durch Schilderung der Grundzüge.
Diese vorgenannten Voraussetzungen erfüllte der Sanierungsplan, der der Spedition unterbreitet wurde, nicht. Infolgedessen konnte sich die Spedition nicht auf ein ernsthaftes Sanierungsbemühungen berufen. Da sie die Beweislast dafür trägt, dass ihre Zahlung auf der Basis eines schlüssigen Sanierungsplanes erfolgt ist, war die Anfechtungsklage begründet und musste die beklagte Spedition die erhaltene Zahlung an die Insolvenzmasse zurückgewähren.
4. IDW Standard
Der Bundesgerichtshof führte in dem vorgenannten Urteil im Weiteren aus, dass der Sanierungsplan eines Schuldners nicht den formalen Erfordernissen entsprechen muss, wie sie das Institut der Wirtschaftsprüfer in dem IDW Standard S6 als Mindestvoraussetzungen an Sanierungskonzepte aufgestellt hat.
II. Kernaussage
Kernaussage des Bundesgerichtshofes ist also, dass die Benennung der Ursachen der drohenden Insolvenz, der Maßnahmen, mit denen diesen Ursachen begegnet wird und eine daraus resultierende positive Fortführungsprognose unabdingbare Voraussetzung für einen schlüssigen Sanierungsplan sind.
Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann jeder Gläubiger, der ein derartiges Angebot unterhält, den Sanierungsplan mit knapper Antwort zurückweisen.
Wenn Sie zu dieser Thematik oder weiteren Aspekten des Insolvenzrechtes Fragen haben, melden Sie sich gerne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem unter der Telefon-Nr.: 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Wie begrenze ich als Gläubiger das Anfechtungsrisiko im Eröffnungsverfahren?
Standpunkte /von Carsten LangeI. Ausgangssituation
Der dieser Frage zugrunde liegende Sachverhalt ist die übliche Situation im Eröffnungsverfahren und damit in dem Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung: Ein Unternehmen stellt einen Insolvenzantrag und informiert hierüber seine Gläubiger, also u.a. seine Lieferanten. Die insolvente Firma ist auf Weiterbelieferung angewiesen und bittet daher die Lieferanten, auch zukünftig das Unternehmen mit Ware, Material oder Dienstleistungen zu versorgen. Die Lieferanten werden hierzu nur bereit sein, wenn sie nicht befürchten müssen, dass die Zahlung, die sie für ihre Leistung vor einer Insolvenzeröffnung erhalten, nach einer Insolvenzeröffnung angefochten und damit vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird.
Es gilt in dieser Situation zunächst einmal der für die Gläubigerinteressen erschreckende Grundsatz, dass die Zahlung, die sie für ihre Leistung vor Insolvenzeröffnung erhalten, grundsätzlich nach § 130 InsO anfechtbar ist. Denn sie sind Insolvenzgläubiger und erhalten in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eine Zahlung und kennen den Insolvenzantrag. Weitere Voraussetzungen hat diese Anfechtung nicht.
Vor diesem Grundsatz gibt es aber erhebliche Ausnahmen zugunsten der Gläubiger. Denn ansonsten könnte ein insolventes Unternehmen in dem Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehmen. Diese Situationen, in denen eine Anfechtung nicht möglich ist, werden nachfolgend beschrieben. Dabei wird die Situation differenziert dargestellt.
- für ein Insolvenzeröffnungsverfahren mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 InsO)
- und für ein Insolvenzeröffnungsverfahren mit einem vorläufigen Sachwalter (§ 270a InsO) und damit für den Fall des Insolvenzantrages mit Eigenverwaltung.
Um das Ergebnis und damit den Vergleich dieser beiden Situationen bereits vorweg zu nehmen: Im Falle des Antrages auf Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) ist die rechtliche Situation für Gläubiger zur Vermeidung des Anfechtungsrisikos schwieriger. Welche Handlungsalternativen sich ihnen bieten, wird nachfolgend beschrieben.
II. Zwei Varianten im Insolvenzeröffnungsverfahren
Wenden wir uns nunmehr den beiden vorerwähnten Varianten in einem Insolvenzeröffnungsverfahren zu:
1. Eröffnungsverfahren mit vorläufigen Insolvenzverwalter
Wird ein Insolvenzantrag gestellt, spricht das Insolvenzgericht im Zuge der Fortführung des Geschäftsbetriebes Sicherungsmaßnahmen aus. Diese bestehen üblicherweise darin, dass ein so genannter vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Wie ist das Anfechtungsrisiko für die Gläubiger, u.a. Lieferanten, in dieser Sachlage zu bewerten?
Nach einer Insolvenzeröffnung können die Zahlungen, die ein Gläubiger vor der Insolvenzeröffnung erhalten hat, vom späteren Insolvenzverwalter unter folgenden Voraussetzungen nicht mehr angefochten werden:
a. Bargeschäft
Liefert ein Gläubiger seine Leistung an das insolvente Unternehmen und erhält er seine Vergütung in einem maximalen Zeitraum von 30 Tagen, so ist die erhaltene Zahlung nach § 142 InsO als sog. Bargeschäft nicht anfechtbar. Dabei bedeutet der Begriff Bargeschäft nicht, dass es sich um eine Barzahlung handeln muss. Auch unbarer Zahlungsverkehr fällt unter der vorbenannten Voraussetzung hierunter.
Das für den Gläubiger nicht vollständig kalkulierbare Risiko liegt darin, dass er letztendlich nicht vorhersehen kann, ob er nach seiner Leistung auch in dieser maximalen Frist von 30 Tagen sein Geld erhält. Daher wird diese Konstellation des Bargeschäftes als Ausnahme von der Anfechtung letztendlich immer dadurch umgesetzt werden, dass gegen Vorkasse geliefert wird.
b. Masseverbindlichkeiten
Die Möglichkeit der Anfechtung besteht nur gegenüber Insolvenzgläubigern – und damit nicht gegenüber Massegläubigern mit so genannten Masseverbindlichkeiten. Ein Gläubiger hat Masseverbindlichkeiten gegenüber dem insolventen Unternehmen, wenn
b1. das Insolvenzgericht nicht „nur“ einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt sondern einen so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalter
b2. oder sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (so genannter schwacher Insolvenzverwalter) zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten durch das Insolvenzgericht hat ermächtigen lassen. Hierüber erfolgt ein entsprechender Beschluss des Insolvenzgerichtes.
Diese Situation der Masseverbindlichkeiten ist an dieser Stelle der Vollständigkeit halber aufgeführt. Sie spielt in der rechtlichen Situation zwischen Gläubiger und vorläufigen Insolvenzverwalter aber nicht die primäre Anwendungsrolle.
c. Vorhandener Vertrauenstatbestand
Kommen wir zu dem wesentlichen Argument, dass dem Insolvenzverwalter eine Anfechtungsmöglichkeit verwehrt: Ein von ihm in seiner Eigenschaft als vorheriger vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter geschaffener Vertrauenstatbestand.
Hierzu ist aus dem Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2004 (NZI 2005, 218) wie folgt zu zitieren:
„Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners, begründet dies für diesen grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann.“
Dies bedeutet, bezogen auf eine Situation aus der Praxis: Wenn das insolvente Unternehmen im Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung eine Lieferung/Leistung fordert, wird der Lieferant/Dienstleister den vorläufigen Insolvenzverwalter auffordern, seine Zustimmung zu diesem Auftrag zu geben. Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter dieser Rechtshandlung des Schuldners zu, kann er später die erfolgte Zahlung nicht anfechten – da er zeitlich zuvor in seiner Position als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat.
Der Bundesgerichtshof begründet diese rechtliche Bewertung damit, dass ansonsten für den Zahlungsempfänger die Zustimmung des vorläufigen Verwalters wertlos wäre. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes soll dem Schuldner eine weitere Teilnahme am Rechts- und Geschäftsverkehr ermöglichen und dies wäre im Falle einer späteren Anfechtung letztendlich nicht möglich – und weiter wörtlich zitiert aus diesem BGH Urteil:
„Denn der vorläufige Insolvenzverwalter wird die für die Unternehmensfortführung notwendigen Vertragspartner nur finden, wenn diese grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die mit dem vorläufigen Verwalter getroffenen Vereinbarungen auch in der Insolvenz Bestand haben.“
d. Zwischenergebnis
Mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bewegt sich ein Gläubiger/Vertragspartner eines insolventen Unternehmens im Hinblick auf das Anfechtungsrisiko auf sicherem Boden.
2. Eröffnungsverfahren mit vorläufigen Sachwalter (bei Eigenverwaltung)
Wie sieht diese vorgenannte beschriebene Konstellation nunmehr in den Fällen aus, in denen ein insolventes Unternehmen einen Antrag auf Insolvenzeröffnung nebst Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) stellt?
In diesem Fall haben wir andere Mitwirkende mit anderen Funktionen als in einem Eröffnungsverfahren ohne Eigenverwaltung. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das so genannte Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) eine Variante/Unterfall der Eigenverwaltung darstellt und damit auf dieses Schutzschirmverfahren die nachfolgenden Ausführungen ebenfalls zutreffen.
Diese geänderte Konstellation in der Eigenverwaltung ist wie folgt kurz zu beschreiben:
- Der Insolvenzschuldner bleibt auch im Eröffnungsverfahren und damit nach dem Insolvenzantrag verfügungsbefugt. Dies ist letztendlich das Hauptziel der Eigenverwaltung.
- Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters (ohne Eigenverwaltung) gibt es in dieser Situation den so genannten vorläufigen Sachwalter (§ 270a InsO) und dieser vorläufige Sachwalter hat „nur“ eine Kontrollfunktion. Letztere wird in § 274 Abs. 2 InsO wie folgt definiert: „Es ist die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen“. Der vorläufige Sachwalter kann dem Eingehen von Verbindlichkeiten nach § 275 InsO widersprechen. Die Zustimmung oder der Widerspruch des vorläufigen Sachwalters haben jedoch nur eine interne Wirkung im Verhältnis zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter und sind keine Wirksamkeitsvoraussetzungen für vom Schuldner eingegangene Verpflichtungen.
Für die hier in Rede stehende Frage des Anfechtungsrisikos und damit das Verhältnis zwischen Gläubiger und Insolvenzschuldner ist also festzuhalten:
- der Schuldner ist weiter verfügungsbefugt und kann wirksam gegenüber seinen Lieferanten Bestellungen abgeben und diese auch bezahlen.
- Dafür bedarf es im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit keiner Zustimmung des vorläufigen Sachwalters. Dies bedeutet im Weiteren: Einen unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Kontakt zwischen Gläubiger und vorläufigem Sachwalter sieht das Gesetz nicht vor. Damit kann ein Gläubiger von einem vorläufigen Sachwalter auch nicht dessen Zustimmung für vom Gläubiger erteilte Aufträge verlangen.
Soweit die Gläubiger diese Zustimmung vom vorläufigen Sachwalter verlangen (weil sie sie aus dem Eröffnungsverfahren ohne Eigenverwaltung und damit der Vergangenheit kennen) ist darauf zu achten, welchen Wortlaut das Antwortschreiben des vorläufigen Sachwalters hat. Tendenziell wird zu erwarten sein, dass die vom vorläufigen Sachwalter gewählte Formulierung keinen rechtsverbindlichen Inhalt haben wird.
Wie kann ein Lieferant/Dienstleister und damit Gläubiger nunmehr im Eröffnungsverfahren mit beantragter Eigenverwaltung sein Anfechtungsrisiko ausschließen?
a. Bargeschäft
Es verbleibt die grundsätzlich bestehende Ausnahme von der Anfechtungsmöglichkeit in Form des Bargeschäftes (§ 142 InsO).
Auf die vorgenannten Ausführungen hierzu und damit den Umstand, wann ein Bargeschäft vorliegt, ist zu verweisen.
b. Masseverbindlichkeiten
Der vorläufige Sachwalter kann sich vom Insolvenzgericht ermächtigen lassen, Masseverbindlichkeiten einzugehen (§ 270b Abs. 3 InsO für das Schutzschirmverfahren). In der Rechtsprechung steht hierzu vieles im Streit: Gegenüber wem ist die Ermächtigung zu erklären: ggü. dem Schuldner oder dem vorl Sachwalter? Ist dies nur im Schutzschirmverfahren als Unterfall der Eigenverwaltung möglich oder grundsätzlich in der Eigenverwaltung? Gibt es die Möglichkeit von Einzelermächtigungen für bestimmte Rechtsgeschäfte? Dem Insolvenzgläubiger können diese strittigen Rechtsansichten letztendlich egal sein. Für ihn ist nur wichtig: Es gibt die Möglichkeit der gerichtlichen Ermächtigung, dass Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren eingegangen waren.
Wenn diese Ermächtigung erteilt wird und die Verbindlichkeiten gegenüber dem betreffenden Gläubiger fallen darunter, so stellen seine Ansprüche Masseverbindlichkeiten auf Seiten des Insolvenzschuldners dar. In diesem Fall ist er nicht Insolvenzgläubiger und ist daher eine spätere Anfechtung ausgeschlossen.
Was bedeutet dies für Gläubiger im Eröffnungsverfahren mit Eigenverwaltung? Sie sollten beim Schuldner und/oder dem vorläufigen Sachwalter nachfragen, ob von der Möglichkeit der Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten einzugehen, Gebrauch gemacht wurde und ob ihre Leistung hiervon mit umfasst ist. Ist dies der Fall, ist eine Anfechtung ausgeschlossen und damit ihr diesbezügliches Risiko.
c. Vorhandener Vertrauenstatbestand
Der Vertrauenstatbestand ist in dem Eröffnungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) ein wesentlicher Ausnahmefall, in dem eine Anfechtung nicht möglich ist.
Die Konstellation kurz in Erinnerung gerufen: Ein Gläubiger bittet den vorläufigen Verwalter um seine Zustimmung zu einer Rechtshandlung des Schuldners. Der vorläufige Verwalter erteilt diese Zustimmung und der BGH führt aus, dass es treuwidrig wäre, wenn der spätere Insolvenzverwalter aufgrund dieser zuvor erteilten Zustimmung später die Anfechtung erklären würde. Dies wäre zum einen ein Wertungswiderspruch und würde zum anderen einem insolventen Unternehmen keine Möglichkeit mehr geben, am Geschäftsverkehr teilzunehmen – denn jedwede Vertrauensgrundlage, das erhaltene Geld auch zukünftig behalten zu dürfen, wäre nicht vorhanden.
In der Situation der Eigenverwaltung
- ist wie vorstehend ausgeführt der Schuldner verfügungsbefugt
- und gibt es damit denjenigen, den man als Gläubiger zur Zustimmung der Rechtshandlung des Schuldners auffordern kann nicht
- und trotzdem brauche ich als Gläubiger eine Grundlage für einen Vertrauenstatbestand, auf den ich mich nach einer späteren Insolvenzeröffnung gegenüber dem Sachwalter berufen kann – damit eine Anfechtung nicht möglich ist.
Was kann Grundlage für diesen Vertrauenstatbestand sein? Rechtsprechung gibt es zur Beantwortung dieser Frage, bezogen auf die Situation der Eigenverwaltung nicht. Nach meiner rechtlichen Bewertung gibt es zwei denkbare Grundlagen für einen derartigen Vertrauenstatbestand:
c1. Die fehlende „Monierung“ des vorläufigen Sachwalters
Die Mitwirkung des Sachwalters (§ 275 Abs. 1 InsO) besteht darin, dass er bezüglich der gewöhnlichen Verbindlichkeiten im Geschäftsbetrieb ein Widerspruchsrecht hat und bezüglich der nicht gewöhnlichen Verbindlichkeiten seine Zustimmung erforderlich ist. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Erklärungen im Innenverhältnis zwischen vorläufigem Sachwalter und Schuldner.
Wenn ich mich als Gläubiger auf einen vom vorläufigen Sachwalter geschaffenen Vertrauenstatbestand berufen will, muss dazu irgendein „Verhalten“ des vorläufigen Sachverwalters mir gegenüber nach außen getreten sein.
Die Mitwirkung des Sachwalters besteht unter anderem darin, dass er Liquiditätspläne mit aufstellt, überprüft und damit letztendlich diesen zustimmt. Im Weiteren wird er die Konten- und Kassenbewegungen dahingehend überprüfen, ob sie im Einklang mit den Liquiditätsplänen stehen und ob für die nicht gewöhnlichen Verfügungen seine Zustimmung eingeholt worden ist. Wenn der vorläufige Sachwalter im Zuge dieser Mitwirkung/Kontrolle zu dem Ergebnis kommt, dass trotz Widerspruches oder fehlender Zustimmung vom Schuldner Verbindlichkeiten eingegangen sind, hat er die Pflicht, die Gläubiger hierüber zu informieren. Dies wird durch Information gegenüber dem Gläubigerausschuss und/oder Aufnahme entsprechender Schilderungen in seine Berichte gegenüber dem Insolvenzgericht erfolgen – und damit letztendlich gegenüber den Gläubigern.
Wenn es nunmehr bis zu einer Insolvenzeröffnung diese Informationen nicht gegeben hat, kann sich ein Gläubiger im Umkehrschluss darauf berufen, dass der Sachwalter keinen Widerspruch gegen die gewöhnlichen Verbindlichkeiten erhoben hat und hinsichtlich der nicht gewöhnlichen Verbindlichkeiten des Schuldners seine Zustimmung jeweils vorlag – den Verfügungen des Schuldners im Zuge seiner Überwachungspflicht im Ergebnis „zugestimmt“ hat.. Damit kann er sich im Weiteren darauf berufen, dass ihm gegenüber durch diese fehlenden „Monierungen“ gegenüber Insolvenzgericht und/oder Gläubigerausschuss ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der eine spätere Anfechtung ausschließt.
Diese Argumentation wird davon getragen, dass es letztendlich keine vorläufige Eigenverwaltung ohne ein Vertrauen darauf geben kann, dass die vom Schuldner in Mitwirkung mit dem vorläufigen Sachwalter getroffenen Vereinbarungen auch nach einer Insolvenzeröffnung Bestand haben (Argument des BGH aus Urteil vom 09.12.2004, NZI 218, 220). Ob die Rechtsprechung diesem vom Sinn und Zweck ausgehenden Argument letztendlich folgen wird, bleibt abzuwarten.
c2. Einholung einer Erklärung des vorläufigen Sachwalters
Auf sichererem Boden im Hinblick auf das Anfechtungsrisiko befindet man sich als Gläubiger, wenn man sich hinsichtlich des Vertrauenstatbestandes auf ein Verhalten des vorläufigen Sachwalters berufen kann, das gegenüber dem Gläubiger unmittelbar erfolgt ist.
Einen Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung zur Rechtshandlung des Insolvenzschuldners hat der Gläubiger – wie vorstehend ausgeführt – ggü. dem vorläufigen Sachwalter nicht. Wenn er diese Zustimmung trotzdem vom vorläufigen Sachwalter einfordert, wird er in den meisten Fällen unverbindliche Erklärungen erhalten. Er wird dann jeweils auf der Grundlage dieser einzelnen Erklärungen beurteilen müssen, ob mit dem Inhalt der erhaltenen Antworten ihm gegenüber vom vorläufigen Sachwalter ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Auch das wird grundsätzlich eine brüchige Grundlage sein.
Daher verbleibt letztendlich mein Rat an die Insolvenzgläubiger in der Situation des Insolvenzantrages mit Eigenverwaltung:
Fordern Sie vom vorläufigen Sachwalter nicht seine Zustimmung. Denn diese sieht das gesetzliche Konstrukt der Eigenverwaltung mit einem vorläufigen Sachwalter gar nicht vor. Und etwas zu fordern, auf das man keinen Anspruch hat, sollte man daher tendenziell lassen.
Schildern Sie vielmehr ihre Interessenlage, wie sie tatsächlich ist: Ich als Gläubiger werde sie nur beliefern, wenn ich auf den Bestand der Rechtshandlung des Schuldners vertrauen kann und dies setzt letztendlich voraus, dass es zukünftig keine Anfechtung geben kann. Sie als Sachwalter haben eine interne Kontrollpflicht. Diese üben Sie im Interesse und zum Schutze der Gläubiger aus. Ich bitte Sie daher um ihre Bestätigung, dass die Aufträge, die der Insolvenzschuldner mir gegenüber erteilt in der Liquiditätsplanung des Schuldners, die ihre Zustimmung gefunden hat, enthalten sind. Ihre positive Rückantwort werte ich als einen von Ihnen gesetzten Vertrauenstatbestand, dass die diesbezüglichen Rechtshandlungen und damit auch die damit verbundenen Zahlungen des Schuldners nach einer Insolvenzeröffnung Bestand haben.
Für vorläufige Sachwalter ist diese Prozedere in größeren Verfahren mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Aus Gläubigersicht ist es eine Möglichkeit, einen notwendigen Vertrauenstatbestand im Verhältnis zum vorläufigen Sachwalter zu erreichen, dass es nach einer Insolvenzeröffnung keine Anfechtung geben wird.
Wenn Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben, melden Sie sich gerne bei mir über meine Mitarbeiterin, Frau Kalem (0241 94621-138) oder per Email (lange@daniel-hagelskamp.de)
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Freie Berufe und Insolvenzen: Eine unglückliche Kombination
Standpunkte /von Carsten LangeFür selbständig tätige Insolvenzschuldner ist es von erheblicher Bedeutung, dass sie nach einem Insolvenzantrag und einer Insolvenzeröffnung weiterhin ihrer selbständigen Tätigkeit nachgehen können. Denn die hieraus erzielten Erlöse sind die wirtschaftliche Lebensgrundlage, die sie und ihre Familie benötigen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist die in die Insolvenzgesetzgebung aufgenommene Freigabe des Geschäftsbetriebes ein positiver Schritt gewesen. Durch diese Freigabe der selbständigen Tätigkeit eines Insolvenzschuldners kann dieser unabhängig vom Insolvenzverwalter seinen Beruf ausüben und für den Lebensunterhalt sorgen.
Für freie Berufe, wie z.B. Ärzte und Anwälte, ist jedoch Voraussetzung für die Ausübung ihres Berufes der Verbleib in der Liste (für Architekten) bzw. der Erhalt der Zulassung (für Rechtsanwälte).
Mit der Löschung eines Architekten aus der Architektenliste hat sich das Oberverwaltungsgericht NRW mit Beschluss vom 16.09.2015 befasst (ZInsO 2016, 703). Nach § 5 des betreffenden Baukammerngesetzes ist die Eintragung einer Person in die Architektenliste zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass sie nicht die für die Wahrnehmung der Berufsausgaben erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
In seiner vorgenannten Entscheidung geht das Oberverwaltungsgericht NRW von der Annahme aus, dass die Unzuverlässigkeit des Architekten begründende Überschuldung durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens und die vom Insolvenzverwalter abgegebene Freigabeerklärung nicht beseitigt wird. Erst wenn die Restschuldbefreiung – am Ende der Wohlverhaltensphase – erteilt werde, trete die wirtschaftliche Zuverlässigkeit wieder ein.
Möglich sind viele Argumente und viele Zeitpunkte, zu denen eine wirtschaftliche Zuverlässigkeit des Architekten angenommen werden kann:
- die Insolvenzeröffnung, weil aufgrund der Altverbindlichkeiten nicht mehr vollstreckt werden kann oder
- die Freigabe der Architektentätigkeit, weil der Insolvenzschuldner ohne die Altverbindlichkeiten außerhalb des Insolvenzverfahrens seinen Beruf ausübt.
Diesen Argumentationen ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Es hat sich zulasten der Architekten für den spätesten Zeitpunkt entschieden: Erteilung der Restschuldbefreiung am Ende der Wohlverhaltensphase, wenn feststeht, dass der Schuldner seine Obliegenheiten erfüllt hat. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes ist in einem sog. Eilverfahren ergangen. Möglich ist also eine veränderte rechtliche Bewertung im Hauptsacheverfahren durch das Gericht. Die grundsätzlichen Ausführungen zur notwendigen Zuverlässigkeit als Grundlage, in der Architektenliste zu bleiben, hat das Oberverwaltungsgericht aber deutlich gewählt.
Damit muss sich jeder Insolvenzschuldner, der den Architektenberuf ausübt und einen Insolvenzantrag stellen möchte, mit den Folgen des Insolvenzantrages für seine berufliche Ausübung auseinandersetzen. Eine mögliche Alternative, um sowohl einen Insolvenzantrag zu stellen und zugleich in der Liste zu bleiben, ist die zeitgleiche Einreichung eines Insolvenzantrages nebst eines Insolvenzplanes. Über den Insolvenzplan kann die Gläubigerversammlung zeitlich zügig abstimmen. Mit der Rechtskraft des Insolvenzplanes ist dann die Zuverlässigkeit im wirtschaftlichen Sinne und damit die Voraussetzung für den Verbleib in der Architektenliste erfüllt.
Der gleiche Rat gilt für Rechtsanwälte, deren Zulassung zu widerrufen ist, wenn sie in Vermögensverfall geraten sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).
Wenn Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben, melden Sie sich gerne über meine Mitarbeiterin Frau Kalem telefonisch (0241 9 46 21 138) oder per E-Mail unter lange@daniel-hagelskamp.de.
Carsten Lange
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