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Schadensersatz eines GmbH-Geschäftsführers wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages: Ein Lichtblick für Gläubiger
Standpunkte /von Carsten LangeEinen Lichtblick für Gläubiger bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber GmbH-Geschäftsführern, die den Insolvenzantrag verspätet gestellt haben, zeigt ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.09.2020 (Az. 6 U 109/19 -ZInsO 2020, 2212 ff.)
Eigenverwaltung und Anfechtung: Wie verhindere ich als Gläubiger das Anfechtungsrisiko?
Standpunkte /von Carsten LangeAnfechtungsrisiko vermeiden dank schneller Zwangsvollstreckung
Standpunkte /von Carsten LangeDie schnell durchgeführte Zwangsvollstreckung bleibt ein guter Rat für Gläubiger zur Vermeidung des Anfechtungsrisikos.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vorsatzanfechtung ist weiterhin schwer zu durchschauen. So bleibt es tendenziell eine Art von Rosinenpickerei, wonach sich jeder der Beteiligten – Insolvenzverwalter als Anfechtungskläger und der die Zahlung erhaltender Gläubiger als Beklagter – aus der Vielzahl der BGH-Urteile die Argumentationen heraussuchen, die zu Gunsten des eigenen Standpunktes sprechen.
Insolvenz des Bauträgers: Was passiert mit den Forderungen des Subunternehmers?
Standpunkte /von Carsten LangeFällt ein Bauträger in die Insolvenz, stellt die offene Forderung seines Subunternehmers eine Insolvenzforderung dar, die im Insolvenzverfahren zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann. Das alleine wird bereits zu einem wirtschaftlichen Schaden in Form des Forderungsausfalls beim Subunternehmer führen. Dieser Schaden kann sich dann noch weiter vergrößern, wenn der Insolvenzverwalter des Bauträgers Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche gegenüber dem Subunternehmer – trotz nicht bezahlter Rechnungen – geltend macht.
Urteil des BGH vom 19.11.2015
Zu dieser Konstellation hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 19.11.2015 (Az. IX ZR 198/14) für Subunternehmer einen Ausweg im Hinblick auf ihnen gegenüber geltend gemachte Schadensersatzansprüche dargelegt.
Der Sachverhalt, der dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, war sehr praxisnah und wird kurz wie folgt beschrieben:
Ein Bauträger fiel in die Insolvenz. Die Subunternehmerin hatte aus der Schlussrechnung noch offene Werklohnansprüche. Diese meldete sie zur Insolvenztabelle an und nach erstem Bestreiten stellte der Insolvenzverwalter diese Forderungen zur Tabelle fest.
Der Insolvenzverwalter verklagte erfolglos die Auftraggeberin der insolventen Bauträgergesellschaft auf einen noch offenen restlichen Werklohn. Gegen diese klageweise Inanspruchnahme wehrte sich die Bauherrin (Vertragspartner des insolventen Bauträgers) mit dem Argument, die Arbeiten der Subunternehmerin – hier Erstellung eines Industriefußbodens – seien mangelhaft gewesen. Dieses Klageverfahren zwischen Insolvenzverwalter (für den insolventen Bauträger) und der Bauherrin endete mit einem Vergleich, wonach die Bauherrin keine Zahlungen mehr zu erbringen hatte, aber auch keine Ansprüche wegen der Mängel am Fußboden zur Tabelle anmelden durfte.
Zeitlich nach diesem Vergleichsabschluss machte der Insolvenzverwalter (für die insolvente Bauträgerin) nunmehr gegen die Subunternehmerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe des ihm entgangenen Werklohnes geltend.
Der Bundesgerichtshof hat diesen Schadensersatzanspruch unter Anwendung der Regelung des § 103 InsO verneint.
Was ist in § 103 InsO geregelt? Dem Insolvenzverwalter wird in dieser Rechtsnorm ein sog. Wahlrecht zur Vertragserfüllung zugestanden. Die gesetzliche Regelung in § 103 Abs. 1 InsO lautet wie folgt:
„Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.”
Bei vertraglichen Beziehungen, die auf beiden Seiten nicht erfüllt sind, wird dem Insolvenzverwalter also die wirtschaftliche Wahl gelassen, die Erfüllung dieses Vertrages nur in den Fällen wählen zu müssen, in denen diese Wahl der Erfüllung für die Insolvenzmasse wirtschaftlich vorteilhaft ist. Ein praktisches Beispiel hierfür sind Kaufverträge unter Eigentumsvorbehalt. Wenn die insolvente Firma einen Gegenstand gekauft hat, den sie aber bisher nicht vollständig bezahlt hat, hat keine der beiden Seiten den Kaufvertrag erfüllt. Der Verkäufer hat das Eigentum nicht übertragen und der insolvente Käufer hat nicht vollständig bezahlt.
Ein Insolvenzverwalter wird nunmehr abwägen, ob er den restlichen Kaufpreis zahlt (also die Erfüllung wählt), um das Eigentum an dem Kaufgegenstand zu erhalten. Diese Erfüllungswahl ist immer dann für die Insolvenzmasse wirtschaftlich günstig, wenn der finanzielle Einsatz in Form der zu leistenden Restzahlung kleiner ist, als der Wert des wirtschaftlichen Gutes, den die Insolvenzmasse hiermit erhält.
Die wirtschaftliche Folge einer Wahl der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter ist also, dass er die restliche Forderung des Vertragspartners als sogenannte Masseverbindlichkeit auch vollständig bezahlen muss – um die Gegenleistung vollständig zu erhalten.
Diese rechtliche Bewertung wendet der Bundesgerichtshof auf den vorliegenden Sachverhalt und damit die Vertragsbeziehung zwischen Bauträger und Subunternehmer an. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Vertrag zwischen Subunternehmer und insolventem Bauträger auf Erstellung eines Industriefußbodens von keiner der beiden Vertragsparteien bisher vollständig erfüllt sei. Die Subunternehmerin habe ihre Leistungen nicht vollständig erbracht, weil noch Mängel vorhanden seien. Der Bauträger habe bisher nicht vollständig gezahlt. Die Feststellung zur Tabelle sei keine Erfüllung.
Lehnt ein Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, bleibt der Vertrag in der Lage bestehen, in welcher er sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand. Der klagende Insolvenzverwalter hätte, um den Anspruch auf Schadensersatz aus dem Bauvertrag gegen die Subunternehmerin geltend zu machen, Erfüllung des Vertrages wählen müssen. Dann hätte er anstelle der Erfüllung in Form der Nachbesserung den an diese Stelle tretenden Anspruch auf Schadensersatz geltend machen können.
Die Folge des Erfüllungsverlangens wäre dann gewesen, dass der Insolvenzverwalter den Zahlungsanspruch der Subunternehmerin als sogenannte Masseverbindlichkeit hätte begleichen müssen. Indem der Insolvenzverwalter die Werklohnforderung der Subunternehmerin als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt hat, hat er die Zahlungspflicht verneint und damit zum Ausdruck gebracht, dass er keine Erfüllung dieses beidseitig nichterfüllten Vertrages wählt. Damit ist der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall mit der Geltendmachung eines Nachbesserung-oder Schadensersatzanspruches für die insolvente Bauträgerin ausgeschlossen.
Fazit
Diese Rechtsprechung zeigt für Subunternehmer, die auf Nachbesserung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, einen Ausweg: Sie können den Insolvenzverwalter des Bauträgers darauf verweisen, dass Sie nur dann zu einer Nachbesserung oder einem Schadensersatz (anstelle der Erfüllung) verpflichtet sind, wenn der Insolvenzverwalter seinerseits die Erfüllung des Vertrages wählt und damit im ersten Schritt die Zahlungsforderung des Subunternehmers zu einer Masseforderung wird. Dann ist der Subunternehmer nicht mehr auf die Forderungsanmeldung zur Tabelle und die zu erwartende (zumeist geringe) Quote am Ende des Verfahrens verwiesen sondern hat einen Zahlungsanspruch hinsichtlich des restlichen Werklohnes als Masseanspruch gegenüber der Insolvenzmasse.
Voraussetzung für diesen Ausweg aus der Situation, nachbessern zu müssen, ohne den Werklohn ausgezahlt zu erhalten, ist aber dass beide Seiten – Bauträger und Subunternehmer – ihre vertraglichen Pflichten nicht vollständig erfüllt haben d.h. ein beidseitig nicht erfüllter Werkvertrag im Sinne von § 103 InsO vorliegt
Sollten Sie weitere Fragen zu Themenbereichen haben, die mit insolvenzrechtlichen Fragestellungen verbunden sind, wenden Sie sich gerne an mich unter der E-Mail-Adresse lange@daniel-hagelskamp.de oder über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Pfändung von Smartphones, Laptops und Tablets – unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich?
Standpunkte /von Carsten LangeDie Statussymbole ändern sich. Die Bedeutung, die früher ein Auto hatte, hat bei vielen Menschen heute eher das Smartphone oder der Laptop. In diese Statussymbole wird investiert.
Damit stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen sind diese Gegenstände, die in vielen Fällen einen höheren Wert haben, pfändbar. Die Pfändbarkeit ist gleichzusetzen mit der Frage der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse.
Ein Gläubiger möchte wissen, welche Gegenstände er pfänden kann, und ein Schuldner sollte wissen, welche Gegenstände er im Zuge des Vermögensverzeichnisses anzugeben hat.
Es gilt der Grundsatz, dass die Sachen unpfändbar sind, die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt eines Schuldners dienen, soweit ein Schuldner sie zu seiner Berufstätigkeit oder im Rahmen einer bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf.
Unpfändbar sind damit Gegenstände des gewöhnlichen Hausrates, also des täglichen Bedarfs im Haushalt, wie z.B. ein Fernsehgerät.
1. Computer, Laptop und Tablet
Sind Computer, Laptop und Tablet für eine bescheidene Lebensführung erforderlich? Das Verwaltungsgericht Münster hat diese Frage in einem Urteil vom 26.06.2013 (AZ: 3 K 1752/15) verneint. Dagegen geht das Verwaltungsgericht Gießen in einem Beschluss vom 08.07.2011 (AZ: 8 L 2046/11) von der grundsätzlichen Unpfändbarkeit von Computern und Laptops aus. Es gibt also viel unterschiedliche Rechtsprechung zu dieser Thematik.
Wegweisend ist meines Erachtens ein Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 23.03.2010 (AZ: 1 W 2689/09), wonach die ständige Verfügbarkeit derartiger Geräte mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehören dürfte. Ein Schuldner muss glaubhaft machen, dass er das Gerät zur Informationsbeschaffung und Kommunikation notwendigerweise benötigt. Das wird heutzutage nahezu jedem Schuldner möglich sein.
Damit sind diese Geräte grundsätzlich unpfändbar. Es gibt dazu aber zwei Einschränkungen:
- Benötigt wird zur Teilnahme an der Kommunikation und Informationsbeschaffung nur eines dieser Geräte. Ist ein Schuldner beispielsweise Eigentümer eines Tablets und eines PCs, so ist das Tablet pfändbar.
- Ein Gläubiger und der Insolvenzverwalter haben die Möglichkeit der sogenannten Austauschpfändung (§ 811 a ZPO). Dies bedeutet, dass dem Schuldner im Austausch gegen die Pfändung des hochwertigen PCs, Laptops oder Tablets ein Ersatzstück einfacher Art und Güte oder der zur Beschaffung eines solchen Ersatzstückes notwendige Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird. Damit wird das grundsätzlich unpfändbare Gerät pfändbar. Liegt der Wert des gepfändeten Gegenstandes beispielsweise bei 1.000,00 € und der des ausgetauschten Gegenstandes bei 100,00 €, verbleibt ein Zufluss beim Gläubiger aus der Austauschpfändung in Höhe von 900,00 €. Austauschpfändungen können sich also lohnen – je höherwertiger die Gegenstände, die gepfändet werden, sind.
2. Smartphones
Gehören Smartphones zu dem technischen Umfeld, das für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt wird? Das Amtsgericht Heidelberg geht in einem Beschluss vom 26.06.2014 (AZ: 1 M 19/14) von der Pfändbarkeit aus – wenn der Schuldner nicht darlegt, warum er ein Smartphone zu seinem persönlichen Gebrauch oder für seine Berufsausübung benötigt. Diese Ausnahme wird in vielen Fällen von Schuldnern darzulegen sein, indem sie ausführen, aus welchen Gründen sie dauerhaft erreichbar sein müssen. Hierunter wird auch der Umstand fallen, dass es gar keinen Festnetzanschluss gibt und damit das Smartphone die einzige vorhandene Telefonverbindung ist.
Daher wird man von einer grundsätzlichen Unpfändbarkeit eines Smartphones ausgehen können. Es verbleibt aber auch diesbezüglich die Möglichkeit der Austauschpfändung, indem ein hochwertiges Smartphone gepfändet und ein Mobiltelefon der Basisausstattung bzw. der für einen Erwerb notwendige Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird.
Ein geändertes Einkaufs- und Statusverhalten führt so zu einer veränderten Zielrichtung der Pfändungsmöglichkeiten.
Sollten Sie weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer 0241/94621-138 oder per E-Mail unter lange@daniel-hagelskamp.de.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht
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Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)
Unmittelbare Zahlungen eines Insolvenzschuldners an seine Gläubiger
Standpunkte /von Carsten LangeSind unmittelbare Zahlungen eines Insolvenzschuldners an seine Gläubiger „neben der Insolvenzquote“ rechtlich möglich?
I. Ausgangslage
Ein Insolvenzverfahren hat den Zweck, dass alle Insolvenzgläubiger in gleicher Höhe befriedigt werden. Zu diesem Zweck melden die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an und erhalten in gleicher Höhe am Ende des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter eine Quote ausbezahlt.
Darf ein Insolvenzschuldner neben dieser Quotenzahlung an die Insolvenzgläubiger unmittelbar Zahlungen erbringen?
Kann ein Insolvenzgläubiger diese Zahlungen annehmen, ohne sich einem Rückforderungsrisiko ausgesetzt zu sehen?
Der Bundesgerichtshof hatte hierzu in seinem Urteil vom 14.01.2010 (IX ZR 93/09) folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Ein Insolvenzschuldner wollte sein neues Fahrzeug anmelden. Die Zulassungsstelle machte aufgrund der entsprechenden gesetzlichen Grundlage die Anmeldung des Fahrzeuges davon abhängig, dass zuvor die Rückstande bezahlt werden.. Der Schuldner zahlte daraufhin den geschuldeten Betrag aus seinem insolvenzfreien Vermögen.
Der Insolvenzverwalter forderte diese Zahlung erfolglos zurück. Letztendlich verneinte also der Bundesgerichtshof einen Rückforderungsanspruch.
II. Maßgebliche gesetzliche Grundlagen
Welche Rechtsnormen und rechtlichen Grundsätze sind bei dieser Fragestellung von rechtlicher Bedeutung?
1. Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger
Wie vorstehend ausgeführt, soll durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle und die Befriedigung nach gleicher Insolvenzquote erreicht werden, dass die Insolvenzgläubiger eine gleichmäßige Befriedigung erhalten. Der Bundesgerichtshof führt in seinem vorerwähnten Urteil aus, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens jedoch nur in Bezug auf die Insolvenzmasse gilt. Für das freie, nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren nicht.
Damit ist ein Insolvenzschuldner grundsätzlich frei, sein insolvenzfreies Vermögen und damit insbesondere seine unpfändbaren Einkünfte zur Zahlung an Insolvenzgläubiger zu verwenden.
2. Obliegenheit des Schuldners nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO
Während der Dauer der Wohlverhaltensphase hat der Schuldner die in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten zu erfüllen. Wenn er diese Obliegenheiten nicht erfüllt, droht ihm die Versagung der Restschuldbefreiung. Die Obliegenheit in § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO lautet wie folgt:
„Dem Schuldner obliegt es, während der Laufzeit der Abtretungserklärung Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen.“
Diese Obliegenheit besteht demzufolge nur in der Wohlverhaltensphase und damit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Obliegenheit vorliegt, wenn aus unpfändbarem Vermögen gezahlt wird, lässt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil ausdrücklich offen. In der Kommentierung dieser Rechtsnorm wird unter Verweis auf ein Urteil des Amtsgerichts Göttingen eine Verletzung dieser Obliegenheit verneint, wenn der Schuldner aus seinem freien Vermögen Zahlungen leistet. (MüKo/Ehricke, § 294 InsO Rn. 32, AG Göttingen ZInsO 2005, 1001, 1002).
Gestützt auf diese Kommentierungen und die Rechtsprechung liegt danach kein Verstoß gegen die Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO vor, wenn aus dem pfändungsfreien Vermögen und Einkommen gezahlt wird.
3. Gleichbehandlung der Gläubiger gemäß § 294 Abs. 2 InsO
Nach § 294 Abs. 2 InsO ist jedes Abkommen des Schuldners oder einer anderen Person mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, nichtig. Nichtig bedeutet, dass es unwirksam ist.
Diese gesetzliche Regelung ist hinsichtlich ihrer zeitlichen Anwendung weitzufassen. Der Zeitpunkt einer derartigen Absprache, die unter diese Norm fällt, kann daher nicht nur während, sondern auch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.
Unberechtigt ist ein Sondervorteil dann, wenn die Insolvenzmasse unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger reduziert wird. Im Übrigen kann der Schuldner mit seinem freien Vermögen nach eigenem Belieben verfahren (MüKo/Ehricke, § 294 InsO, Rz. 32). Wenn der Insolvenzschuldner also eine Vereinbarung über eine Zahlung aus seinem unpfändbaren Einkommen mit einem Insolvenzgläubiger schließt, liegt grundsätzlich keine Unwirksamkeit dieser Absprache nach § 294 Abs. 2 InsO vor.
Eine Ausnahme besteht aber für den Fall, dass ein Insolvenzschuldner mit dieser Vereinbarung (auch bei Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen) insolvenzwidrige Zwecke verfolgt (Uhlenbruck/Sternal, § 294 InsO, Rz. 26). Ein insolvenzwidriger Zweck kann beispielsweise darin liegen, dass der Insolvenzschuldner mit derartigen Absprachen ein bestimmtes Stimmverhalten eines Gläubigers bei einer zukünftigen Abstimmung der Gläubigerversammlung beeinflussen möchte.
4. Sittenwidrigkeit einer Absprache zwischen Insolvenzschuldner und seinem Gläubiger
Eine Absprache zur Zahlungsverpflichtung durch den Insolvenzschuldner mit seinem Gläubiger kann sittenwidrig sein und kann demzufolge eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB mit sich bringen. Diese Thematik ist wiederum relevant für den Insolvenzgläubiger, der eine Absprache über unmittelbare Zahlungen aus dem unpfändbaren Vermögen mit dem Insolvenzschuldner schließt.
Auch mit dieser Thematik hat sich der Bundesgerichtshof in dem vorerwähnten Urteil vom 14.01.2010 (IX ZR 93/09) beschäftigt. Der Bundesgerichtshof führt dazu aus, dass ein Fall der Sittenwidrigkeit vorliegen kann, wenn ein Gläubiger mit Monopolstellung Leistungen, die ein Schuldner dringend benötigt von der Begleichung rückständiger Verbindlichkeiten in einem Umfange abhängig macht, die dem insolventen Schuldner aus seinem Pfändungs- und damit insolvenzfreien Vermögen nicht zuzumuten ist.
Auf der einen Seite muss der Insolvenzschuldner also auf die Leistung dringend angewiesen sein und auf der anderen Seite muss die Zahlung der Rückstände für ihn aus dem insolvenzfreien Vermögen unzumutbar sein. In diesen Fällen ist eine Sittenwidrigkeit der Absprache zu bejahen. Derartige Regelungen sollte man als Insolvenzgläubiger mit seinen Schuldnern daher nicht treffen.
III. Ergebnis der Bewertung
Im Grundsatz ist demzufolge festzuhalten, dass es einem Insolvenzschuldner rechtlich möglich ist, seine Gläubiger aus seinem pfändungsfreien Vermögen „neben der Insolvenzquote“ zu befriedigen und entsprechende Absprachen zu treffen. Er darf dabei aber keine insolvenzwidrigen Zwecke verfolgen. Der Insolvenzgläubiger wiederum darf sich nicht auf die Ebene der Sittenwidrigkeit begeben.
Sollten Sie weitere Fragen zu dieser Thematik oder Fragestellungen aus dem Insolvenzrecht haben, stehe ich Ihnen hierfür gerne zur Verfügung. Sie erreichen mich telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Kalem unter der Telefonnummer (0241) 94621-138. oder über meine E-Mail-Adresse unter lange@daniel-hagelskamp.de.
Carsten Lange
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Schuldbefreiung durch Insolvenzplan von Forderungen aus unerlaubter Handlung
Standpunkte /von Carsten LangeVon der sogenannten Restschuldbefreiung in einem Insolvenzverfahren ausgenommen sind Schulden aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, z.B. eines Schadensersatzanspruches aufgrund eines Betrugsdeliktes. Was alles zu diesen ausgenommenen Forderungen gehört, finden Sie aufgelistet in § 302 InsO. Diese Auflistung wurde ab 01.07.2014 erweitert. Nunmehr gehören auch rückständiger gesetzlicher Unterhalt und bestimmte Steuerstraftaten dazu. Damit ist der Umfang der Schuldenbefreiung, der durch ein Insolvenzverfahren erlangt werden kann, weiter ausgehöhlt worden.
Es gibt jedoch für Schuldner, die derartige Verbindlichkeiten haben, einen Ausweg. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 17.12.2009 (IX ZR 32/08) beschlossen, dass Forderungen, die aus unerlaubten Handlungen des Schuldners stammen, von der Schuldbefreiung durch den erfüllten Insolvenzplan nur ausgenommen sind, wenn er dies bestimmt. Mit anderen Worten: Wenn der Insolvenzplan diese Ausnahme nicht bestimmt, umfasst die Schuldbefreiung aus dem Insolvenzplan auch die Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung.
Damit stellt der Insolvenzplan eine wichtige Alternative zur Erlangung der Schuldenbefreiung insbesondere für die Schuldner dar, die derartige Verbindlichkeiten haben.
Besserstellung durch Insolvenzplan
Grundsätzliche Voraussetzung eines Insolvenzplanes ist es, dass die Gläubiger durch den Insolvenzplan besser gestellt werden, als sie stehen würden, wenn es diesen Insolvenzplan nicht gäbe und damit das gesetzliche Insolvenzverfahren mit dortiger Restschuldbefreiung durchlaufen wird. Diese Besserstellung wird in einem Insolvenzplan zumeist dadurch erreicht, dass den Gläubigern eine zusätzliche Einmalzahlung angeboten wird, die der Schuldner von dritter Seite zu diesem Zweck erhält – ohne hierauf einen Anspruch zu haben. Es handelt sich oft um zweckgebundene Schenkungen für diesen Fall aus dem Freundes- und Familienkreis.
Schutz der Gläubiger
Wenn ein Gläubiger meint, dass er durch den Insolvenzplan schlechter gestellt ist als bei der gesetzlichen Schuldbefreiung, kann er in dem Abstimmungstermin über den Insolvenzplan einen Antrag stellen, die Bestätigung des Planes zu versagen (§ 251 Abs. 2 InsO). Hierfür muss er glaubhaft machen, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird.
Diese Schlechterstellung kann für Gläubiger mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung grundsätzlich darin liegen, dass Sie durch den Plan nur eine Quote erhalten und auf den Rest Ihrer Forderung verzichten und im Zuge der gesetzlichen Schuldbefreiung aufgrund der Ausnahmeregelung von § 302 InsO weiterhin einen von der Schuldbefreiung nicht umfassten Anspruch gegenüber dem Schuldner haben. Diesen können sie theoretisch bei entsprechender Titulierung ein Leben lang durchsetzen. Dieser Umstand alleine reicht aber für einen Gläubiger nicht dazu aus, die Schlechterstellung durch die Schuldbefreiung aus dem Insolvenzplan glaubhaft zu machen. Vielmehr bedarf es einer Glaubhaftmachung, dass der Schuldner später überhaupt einen pfändbaren Betrag mit Vollstreckungsmöglichkeit zur Verfügung hätte – denn ansonsten läuft diese Vollstreckung wirtschaftlich immer ins Leere.
Pfändbarkeit
Im Zuge dessen ist bei der Berechnung von derzeitigen und künftigen pfändbaren Bezügen aufgrund des Rechtsgedankens nach § 309 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 2. Hs. InsO auf die Sicht aus dem Zeitpunkt der Planvorlage abzustellen. Es gilt daher grundsätzlich die Unveränderbarkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse – es sei denn, dass konkret absehbar ist, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse zukünftig positiv oder negativ verändern. Auf die Praxis angewandt bedeutet diese Argumentation: Wenn ein Insolvenzschuldner aus einer unselbstständigen Tätigkeit keine pfändbaren Bezüge erzielt und es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass er diese berufliche Tätigkeit zukünftig aufgeben bzw. verändern wird, gibt es keine Anhaltspunkte für die Glaubhaftmachung eines Gläubigers, dass er auch ohne Restschuldbefreiung zukünftig aus einer Forderung Zuflüsse im Zuge einer Zwangsvollstreckung erzielen wird.
Wir beraten Sie gerne
Wenn Sie von dieser Konstellation betroffen sind, nutzen Sie die Chancen, die Ihnen der Insolvenzplan bietet. Hinsichtlich weiterer Rückfragen wenden sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Carsten Lange unter der E-Mail-Adresse lange@daniel-hagelskamp.de oder über sein Sekretariat, Frau Kalem, unter der telefonischen Durchwahl 0241/94621-138.
Carsten Lange
Rechtsanwalt
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Schuldenbefreiung durch Privatinsolvenz-Planverfahren: Neu ab 01.07.2014
Standpunkte /von Carsten LangeIm vergangenen Jahr wurden Reformen des Insolvenzrechtes beschlossen. Einige dieser Gesetzesänderungen treten zum 01.07.2014 in Kraft. Hierzu gehört die Möglichkeit, in allen laufenden und zukünftigen Verbraucherinsolvenzverfahren eine Schuldenbefreiung durch ein Privatinsolvenz-Planverfahren zu erreichen.
Die Wirkung des Planes ist, dass mit rechtskräftiger Annahme und Erfüllung des Insolvenzplanes die Restschuldbefreiung des Schuldners eintritt (§ 227 Abs. 1 InsO). Durch einen Insolvenzplan kann somit die Verfahrensdauer bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung verkürzt werden, die sich gemäß § 300 InsO auf fünf Jahre bzw. drei Jahre (bei Mindestbefriedigung der Insolvenzgläubiger i.H.v. 25 % in den Insolvenzverfahren “ohne Insolvenzplan”) beläuft.
Für den Insolvenzplan und seiner Annahme bedarf es eines Abstimmungstermins. Abstimmungsberechtigt sind die in diesem Termin anwesenden Gläubiger, so dass der Schuldner, der den Plan vorlegt vor diesem Abstimmungstermin entsprechende Überzeugungs- und Mobilisierungsarbeit bei seinen Gläubigern leisten muss. Die erforderliche Mehrheit ist erreicht, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger – hinsichtlich der Personenanzahl und Forderungshöhe (sogenannte Kopf- und Summenmehrheit) – dem Insolvenzplan in jeder der Abstimmungsgruppen zustimmt. Dabei ist eine Aufteilung der Insolvenzgläubiger in Gruppen nicht erforderlich und kann ein sogenannter “Ein-Gruppenplan“ vorgelegt werden, wenn weder Absonderungsberechtigte noch Arbeitnehmer vorhanden sind.
Die Vorteile eines Insolvenzplanes liegen neben der vorgenannt bereits erwähnten möglichen Verkürzung der Verfahrensdauer unter anderem in den beiden folgenden Aspekten:
- Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat (also z.B. zwei Gruppen von drei Gruppen) und die Angehörigen der betreffenden Gruppe weder durch den Insolvenzplan schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden und angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt sind (§ 245 InsO – sogenanntes Obstruktionsverbot).
- Der Insolvenzplan hat eine “Universalwirkung“, indem er auch gegenüber den nicht anmeldenden und nicht teilnehmenden Gläubigern gilt (§§ 254 – 254b InsO).
Aber auch die Risiken, die ein Privatinsolvenzverfahren mit sich bringt, sind mit in die Abwägung einzubeziehen, ob es sinnvoll ist, als Insolvenzschuldner den Weg einer Planinsolvenz zu gehen. Diesbezüglich sind zu erwähnen:
- Die gesetzliche Regelung beinhaltet, dass Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (sogenannte Deliktforderungen) von der Restschuldbefreiung nicht umfasst werden (§ 302 Nr. 1 InsO). Die Gläubiger von Deliktforderungen können im Insolvenzplan nicht mit einer Quote bedacht werden, da sie infolgedessen mit einer Insolvenzplan-Umsetzung schlechter stünden als in einem Insolvenzverfahren ohne Insolvenzplan. Es kann dabei zwischen Schuldner und Gläubiger strittig sein, ob eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung besteht. Sollte diese Thematik nicht außergerichtlich geklärt werden können, bedarf es diesbezüglich einer klageweisen Auseinandersetzung und bis zur rechtskräftigen Klärung kann ein Plan nicht eingereicht werden.
- Wenn einem Insolvenzschuldner nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle seine Gläubiger bekannt sind, ist das Ziel, über einen Insolvenzplan eine Schuldenbefreiung zu erhalten, erheblich gefährdet. Die Ansprüche eines sogenannten vergessenen Gläubigers verjähren in einem Jahr ab Fälligkeit der Forderung und rechtskräftigem Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplanes (§ 259b InsO). Das Gefährdungspotenzial ist daher zeitlich begrenzt. Dieser nicht teilnehmende Gläubiger kann aber gemäß § 255 InsO verlangen, die Auszahlung zu erhalten, die ihm nach dem Insolvenzplan zusteht. Wenn den Insolvenzgläubigern ein Fixbetrag von dritter Seite angeboten wird, muss dieses potentielle Volumen vergessener Gläubiger berücksichtigt werden.Denn dieser Gläubiger, der am Insolvenzplanverfahren nicht teilgenommen hat, kann einen Antrag nach § 255 Absatz 1 S. 2 InsO beim Insolvenzgericht auf Hinfälligkeit des Planes stellen, nachdem er gegen den Schuldner fruchtlos eine zweiwöchige Nachfrist auf anteilige Befriedigung gesetzt hat. Dies gilt allerdings nur dann, wenn seine Forderung zuvor rechtskräftig festgestellt ist.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass mit dem Planverfahren in der Privatinsolvenz eine weitere Möglichkeit für Privatpersonen geschaffen ist, eine Schuldenbefreiung zu erreichen. Der Weg dahin ist aber kein Selbstläufer und beinhaltet Störeinflüsse durch die Gläubiger, die es zu berücksichtigen gilt. Für diesbezügliche Erläuterungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Carsten Lange
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