Unrichtige Angaben auch bei CO²-Werten und Kraftstoffverbrauch. Sind auch bei Benziner-Fahrzeuge betroffen?

Am 02.11.2015 hat VW eingeräumt, dass wohl auch falsche Verbräuche und falsche CO²-Werte angegeben wurden, dies vor allem bei den „Blue Motion-Modellen“ des Konzerns. Auf Grundlage dieser falschen Angaben sollen die Fahrzeuge dann auch eine Typenzulassung bekommen haben. Derzeit und bisher ist die Rede von etwa 800.000 betroffenen Fahrzeugen1. Die Bezeichnung „Blue Motion“ wird im VW-Konzern für diejenigen Fahrzeuge verwendet, die besonders wenig Kraftstoff verbrauchen und damit besonders niedrige falsche CO²-Werte aufweisen.1

Von diesen Fahrzeugen dürften daher in besonderem Maße Kunden und Verbraucher angesprochen werden, die vor allem ökologische Gesichtspunkte zum Gegenstand ihrer Kaufentscheidung machen.

Soweit bekannt, betrifft dies wohl Fahrzeuge der Typen Polo, Golf und Passat sowie Audi A1 und A3. Bei Skoda geht es wohl um den Octavia und bei Seat um die Modelle Leon und Ibiza. Davon betroffen seien insoweit ganz überwiegend Dieselfahrzeuge – aus der Formulierung folgt, dass aber auch Benzinfahrzeuge betroffen sein könnten.2

Bemerkenswert und neu an dieser Entwicklung ist, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Manipulation durch einen Eingriff über eine Software handelt, sondern wohl schlicht um wohl bewusst falsche Angaben handeln dürfte. Die Abweichungen sollen dabei wohl auch nicht unerheblich sein: Als Beispiel wird der Golf „Blue Motion“ genannt, der mit einem Ausstoß von 90 Gramm CO2/km angegeben ist und tatsächlich aber mehr als 100 Gramm CO2/km ausstoßen soll.1

Was bedeutet dies für Fahrzeugbesitzer?

Auch rechtlich gesehen dürften die jetzt bekannt gewordenen Manipulationen eine andere Dimension aufweisen:

Es geht nunmehr nicht mehr um eine Manipulation von Stickoxid-Werten versteckt durch eine Software, sondern um offene Falschangaben betreffend den Kraftstoffverbrauch und die CO²-Emissionen des Fahrzeugs einhergehend mit einer möglicherweise falschen Einstufung in eine Typenklasse und möglichen steuerrechtlichen Konsequenzen.

Insoweit dürften nunmehr Sachmängel vorliegen, die auch nicht durch einen Rückruf beseitigt werden können, da diese auf Falschangaben beruhen dürften. Dementsprechend wird auch die Frage, ob und inwieweit der Verkäufer möglicherweise selbst getäuscht haben könnten, neu zu bewerten sein – weiß er von möglichen Manipulationen durch eine Software möglicherweise nichts, muss er sich falsche Angaben zu Verbrauch und CO²-Werten vielleicht schon eher entgegenhalten lassen, wobei aber auch hier die Hürden, dem Verkäufer eine arglistige Täuschung nachzuweisen, nur schwer bis eher nicht zu nehmen sein dürften. Insoweit verweisen wir auch auf unseren ersten Standpunkt in dieser Sache.

Relevant sind diese jetzt bekannt geworden weiteren Falschangaben aber für Fahrzeugbesitzer, die sich noch innerhalb laufender Gewährleistungsfristen befinden. Nicht ohne Grund wird schon jetzt offen diskutiert, ob und inwieweit die Kunden im Rahmen der Gewährleistung1 geschlossene Kaufverträge rückabwickeln können.

Für alle Betroffenen, die sich nicht mehr innerhalb laufender Gewährleistungsfristen befinden, bleibt als Ansprechpartner weiterhin nur der Hersteller, der aber nicht Vertragspartner ist. Hier stellen sich – wie auch bisher – rechtliche Fragen unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Täuschung und möglicherweise daraus resultierende Ansprüche.

 

Besteht Handlungsbedarf?

Wir raten dazu, auf den Erhalt von Gewährleistungsansprüchen hinzuwirken – der Verkäufer und Vertragspartner ist dazu aufzufordern, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Die Entwicklungen zeigen, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb kürzester Zeit verändern können.

Daneben gilt: Wichtig wird jetzt vor allem sein, aufzuklären, ob Sie betroffen sind und wenn ja, in welchem Umfang. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Falschangaben zu Kraftstoffverbrauch und CO²-Emissionen. Hierzu ist es ratsam, den Vertragspartner aktiv zur Auskunft aufzufordern, und zwar unter Einschluss der Abforderung der Abgabe der schriftlichen Erklärung, auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich laufender Gewährleistungsfristen zu verzichten.

Diejenigen Betroffenen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Ansprüche mehr gegenüber dem Vertragspartner haben, müssten Ansprüche gegenüber dem Hersteller anmelden – die Frage der Täuschung stellt sich nunmehr umso mehr.

 

Weitere Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Einsatz der Manipulationssoftware

Auch im Zusammenhang mit der bisher einzig bekannten Software-Manipulationsthematik gibt es neue Entwicklungen.

VW wird zu Rückrufaktion gezwungen – Umfang der Maßnahmen

Das Kraftfahrbundesamt hat die von Volkswagen vorgeschlagene freiwillige Reparatur unter den beabsichtigten zeitlichen Rahmenbedingungen abgelehnt und am 15.10.2015 stattdessen den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen angeordnet. Der Rückruf soll wohl zu Beginn des Jahres 2016 starten – konkretere Angaben konnten aber zunächst nicht gemacht werden, da noch viele technische Details geklärt werden müssten. Die technischen Lösungen dürften aber sowohl in Form von Software- wie auch Hardware-Maßnahmen bestehen. Für jede betroffene Baureihe und jedes betroffene Modelljahr müssen offenbar Lösungen entwickelt werden.3       

Besondere Problematik bei 1,6-Liter-Motoren?

Volkswagen muss im Abgasskandal bei drei Millionen Motoren neben der Software auch die Motortechnik erneuern. Allein drei Millionen 1,6-Liter-Motoren sind wohl insgesamt von dem Rückruf betroffen – insbesondere bei diesen Motoren genügt wohl kein Software-Update.4 Daher erwägt der VW-Konzern für die Rückrufaktion der 2,4 Millionen Diesel vielleicht auch Eintauschprämien als Alternative zur Nachbesserung. Bei der Idee, wonach VW die Wagen in Zahlung nehmen und gleichzeitig zusätzliche Anreize für einen Neuwagenkauf setzen könnte, sollen wohl gerade die Fahrzeuge mit 1,6 Liter Hubraum im Blickpunkt stehen, weil wohl auch kostenintensiv neue Technik verbaut werden muss.5

Sind auch 3,0-Liter-Motoren betroffen?

Am 02.11.2015 wurde verlautbart, dass nach Darstellung der US-Umweltbehörde EPA auch 3,0-Liter-Motoren betroffen sein sollen. Betroffen sein sollen demnach bestimmte Diesel-Motoren der Marken VW, Audi und Porsche aus den Baujahren 2014 bis 2016. Die in den USA erlaubten Grenzwerte seien bis zu neunmal übertroffen worden. Konkret genannt wurden die Fahrzeugtypen VW Touareg (Baujahr 2014), Porsche Cayenne (Baujahr 2015) sowie die Fahrzeuge A6 Quattro, A7 Quattro, A8, A8L und Q5.6

Volkswagen dementierte in einer Pressemeldung vom 02.11.2015 diese neuen Vorwürfe der EPA: „Die Volkswagen AG betont, dass keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern. Volkswagen wird mit der EPA vollumfänglich kooperieren, um den Sachverhalt rückhaltlos aufzuklären.“7

Hier sind die weiteren Entwicklungen abzuwarten.

Wünschen Sie jetzt oder später eine weitergehende Prüfung möglicher Ansprüche oder möchten Sie über die weiteren Entwicklungen „auf dem Laufenden“ gehalten werden? Haben Sie ein Fahrzeug erworben und befürchten Sie, dass Ansprüche verjähren könnten, weshalb die Prüfung und gegebenenfalls Vornahme verjährungshemmender Maßnahmen gewünscht wird?

Schreiben Sie uns eine E-Mail oder rufen Sie uns an und wir werden uns umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen. Gerne übernehmen wir für Sie in diesem Fall auch die rechtliche Vertretung.


Karsten Becker,
Rechtsanwalt

 

1 Artikel bei www.welt.de, Titel: „Abgas-Skandal – Volkswagen hat Verbrauchsangaben frisiert“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 03.11.2015 unter der Internetadresse http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vw-abgasskandal/abgas-skandal-volkswagen-hat-verbrauchsangaben-frisiert-13892214.html

2 Artikel bei www.welt.de, Titel: „Neue Enthüllungen – Volkswagen-Aktie bricht stark ein“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 04.11.2015 unter der Internetadresse http://www.welt.de/wirtschaft/article148411806/Volkswagen-Aktie-bricht-stark-ein.html

3 Artikel bei www.deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, Titel: „Aufsicht befiehlt: Volkswagen muss 2,4 Millionen Autos zurückrufen“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 15.10.2015 unter der Internetadresse http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/10/15/aufsicht-befiehlt-volkswagen-muss-24-millionen-autos-zurueckzurufen/

Artikel bei www.focus.de, Titel: „VW will in Europa 8,5 Millionen Fahrzeuge zurückrufen“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 15.10.2015 unter der Internetadresse http://www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-skandal-im-news-ticker-kraftfahrt-bundesamt-ordnet-rueckruf-von-2-4-millionen-vw-fahrzeugen-an_id_5014302.html

4 Artikel bei www.focus.de, Titel: „Auch frühe Version neuer VW-Motoren womöglich betroffen“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 22.10.2015 unter der Internetadresse http://www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-skandal-im-news-ticker-autos-mit-schummel-motor-vw-verhaengt-europaweiten-verkaufsstopp_id_5030433.html

5 Artikel bei www.focus.de, Titel: „Ex-Opel-Chef Sedran wird neuer VW-Chefstratege“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 25.10.2015 unter der Internetadresse http://www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-skandal-im-news-ticker-ex-opel-chef-sedran-wird-vw-chefstratege_id_5038200.html

6 Artikel bei www.auto-motor-sport.de, Titel: „Auch 3-Liter-Diesel mit Schummelsoftware?“, abgerufen am 04.11.2015 unter der Internetadresse http://www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-skandal-im-news-ticker-ex-opel-chef-sedran-wird-vw-chefstratege_id_5038200.html
Artikel bei www.focus.de, Titel: „Auch Porsche betroffen! VW-Dieselaffäre weitet sich aus“, abgerufen am 04.11.2015, veröffentlicht am 02.11.2015 unter der Internetadresse http://www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-skandal-im-news-ticker-auch-porsche-motoren-von-dieselaffaere-betroffen_id_5057875.html

7 Pressemitteilung bei www.volkswagen-media-services.com, Titel: „Stellungnahme zur Meldung der amerikanischen Behörde EPA“, abgerufen 04.11.2015, veröffentlicht am 02.11.2015 unter der Internetadresse https://www.volkswagen-media-services.com/detailpage/-/detail/Stellungnahme-zur-Meldung-der-amerikanischen-Behrde-EPA/view/2853098/7a5bbec13158edd433c6630f5ac445da?p_p_auth=AOEIoK9a

Über den Autor

  • Karsten Becker

    Karsten Becker ist Rechtsanwalt seit 2009 und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Seine Fachgebiete sind Zivilrecht, Privatrecht, Mietrecht, WEG-Recht, Immobilienrecht, Kaufrecht, Werkvertragsrecht, Deliktsrecht und Reisevertragsrecht. Herr Becker ist seit Sommer 2019 nicht mehr für uns tätig.