Manchmal ist Reden Gold

Im Volksmund heißt es: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Dies gilt jedoch nicht immer. Manchmal ordnet das Gesetz an, dass dem Schweigen rechtliche Wirkung zukommt.

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben

Im deutschen Recht ist dies zum Beispiel das Schweigen auf das sogenannte kaufmännische Bestätigungsschreiben: Wenn zwei Kaufleute sich (mündlich) handelseinig geworden sind, besteht häufig ein Bedürfnis, diesen mündlich geschlossenen Vertrag schriftlich zur Bestätigung und Dokumentation zusammen zu fassen.

Dies muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem mündlich abgeschlossenen Kaufvertrag geschehen. Die Zusammenfassung des Inhalts des mündlich geschlossenen Vertrags muss im guten Glauben erfolgen, das heißt, es darf nicht böswillig ein Vertragsinhalt dargestellt werden, der so gar nicht besprochen oder abgeschlossen wurde.

Liegen diese Tatbestandsvoraussetzungen vor, muss der Empfänger dieses Schreibens unverzüglich dessen Inhalt zurückweisen oder einzelne Punkte richtig stellen, falls ein solcher Vertrag nach der Auffassung des Empfängers des Schreibens nicht oder nicht mit dem dargestellten Inhalt geschlossen wurde. Wird das Schreiben nicht zurückgewiesen, gilt nach dem Rechtsinstitut des kaufmännischen Bestätigungsschreibens der Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens als abgeschlossen.

Selbstredend kann es für den Empfänger des Schreibens höchst nachteilige Folgen haben, wenn der Vertragsinhalt falsch dargestellt ist. Zum Beispiel steht dort statt „10 Tonnen Getreide“ „100 Tonnen“ und der Verkäufer muss mehr leisten, als er kann. Oder es hat sich ein Zahlendreher bei dem Preis eingeschlichen. Manchmal werden auch Vertragsdetails, zum Beispiel die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, andere Lieferbedingungen etc. in das kaufmännische Bestätigungsschreiben mit aufgenommen, die so nicht besprochen wurden. Kann der Empfänger nicht beweisen, dass der Absender böswillig gehandelt hat, wird er durch sein Schweigen in dem Umfang des Bestätigungsschreibens an den Vertrag gebunden.

Anerkenntnis von Forderungen durch Schweigen

Im belgischen Recht (Code de Commerce) gibt es Ähnliches in Bezug auf Rechnungen. Aus Artikel 25 des Handelsgesetzbuches wird abgeleitet, dass ein Schweigen auf eine Rechnung das Anerkenntnis dieser Rechnung bedeutet.

Viele Klagen werden in Belgien allein aus diesem Grund zugesprochen, wenn der Beklagte nicht beweisen kann, unverzüglich gegen Rechnungen protestiert zu haben.
Problematisch ist diese Regelung vor allem bei Auslandsgeschäften. Denn in aller Regel ist die Vorschrift des Artikel 25 Handelsgesetzbuch einem ausländischen Vertragspartner gar nicht bekannt.

Abhilfe kann der Hinweis auf Artikel 10 Absatz 2 der Rom-I-Verordnung schaffen. Die Rom-I-Verordnung beschäftigt sich mit der Frage des bei Fällen mit Auslandsberührung anwendbaren Rechts. Aus Artikel 10 Absatz 2 Rom-I-Verordnung wird abgeleitet, dass im Einzelfall ein Schutz des ausländischen Vertragspartners vor ihm nicht bekannten, nach seinem Heimatrecht überraschenden Regelungen bestehen kann.

Problematisch ist nur, dass viele belgische Richter diesen Einwand schlichtweg nicht zur Kenntnis nehmen, da sie die Ubiquität der Verpflichtung, gegen unrichtige Rechnungen zu protestieren, voraussetzen. Da im belgischem Zivilprozessrecht die erste Gerichtsverhandlung sehr früh stattfindet, in aller Regel zwei bis drei Wochen nach Zustellung der Ladung, gerät der Beklagte häufig in Zeitnot: Denn normalerweise dient diese erste, sogenannte Einleitungssitzung der Beurkundung eines Fristenkalenders. Dort vereinbaren die Parteien auf der Grundlage des Artikels 747 des Gerichtsgesetzbuches, innerhalb welcher Fristen sie die Schriftsätze wechseln und wann die eigentliche Gerichtsverhandlung, in der die Sache plädiert wird, anzuberaumen ist.

Die Klägerpartei kann sich jedoch auf Artikel 735 Gerichtsgesetzbuch berufen. Diese Vorschrift erlaubt es, bei einfachen Sachen, insbesondere bei nicht bestrittenen Forderungen die Angelegenheit bereits in der Einleitungssitzung vollumfänglich zu plädieren und ein Urteil zu beantragen. Eine einfache, nicht bestrittene Sache wird zum Beispiel dann angenommen, wenn es sich um Rechnungen handelt, die vor der Klage nicht bestritten wurden.

Kann der Kläger sich unter Hinweis auf Artikel 25 Handelsgesetzbuch und Artikel 735 Gerichtgesetzbuch bei dem Richter durchsetzen, ist der Beklagte der Gefahr ausgesetzt, dass gegen ihn innerhalb von drei bis fünf Wochen nach Einleitung des Klageverfahrens bereits ein Urteil ergeht, aus dem gegebenenfalls die Sicherungsvollstreckung möglich ist, ohne dass der Kläger besonders zur Begründetheit der Forderung vorzutragen hat. Faktisch wird der Beklagte dadurch mit materiellen Einwendungen präkludiert.

Bei Geschäften mit belgischen Vertragspartnern ist daher bei Eingang von Rechnungen penibelst deren Richtigkeit zu prüfen und unverzüglich in nachweisbarer Form (möglichst per Einschreiben/Rückschein) gegen Rechnungen zu protestieren, wenn diese unrichtig sind.

Umgekehrt kann es interessant sein, bei säumigen Schuldnern auf einen belgischen Gerichtsstand auszuweichen.


Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil