Anfechtungsrisiko vermeiden dank schneller Zwangsvollstreckung

Die schnell durchgeführte Zwangsvollstreckung bleibt ein guter Rat für Gläubiger zur Vermeidung des Anfechtungsrisikos.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vorsatzanfechtung ist weiterhin schwer zu durchschauen. So bleibt es tendenziell eine Art von Rosinenpickerei, wonach sich jeder der Beteiligten – Insolvenzverwalter als Anfechtungskläger und der die Zahlung erhaltender Gläubiger als Beklagter – aus der Vielzahl der BGH-Urteile die Argumentationen heraussuchen, die zu Gunsten des eigenen Standpunktes sprechen.

I. BGH – Urteil vom 22.06.2017 (IX ZR 111/14)

Mit Urteil vom 22.06.2017 (ZIP 2017, 1379 ff. – IX ZR 111/14) liegt vom Bundesgerichtshof ein für die Gläubiger günstiges Urteil vor.

Zu entscheiden hatte der Bundesgerichtshof einen Sachverhalt, wonach ein Gläubiger wegen einer unbestrittenen Forderung gegen die (spätere) Insolvenzschuldnerin klagte. Es erging ein Versäumnisurteil und aus diesem betrieb die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung. Infolgedessen zahlte die Schuldnerin und fiel dann später in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter verlangte von der Gläubigerin im Wege der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO a.F. den gezahlten Betrag zurück.

Damit der Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO erfüllt ist, müssen auf subjektiver Seite zwei Voraussetzungen vorliegen

  • der Schuldner muss bei Zahlung mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt haben. Dieser liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt. Denn dann weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um auch die übrigen Gläubiger zu befriedigen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist zumeist in der Vorzeit einer Insolvenz erfüllt.
  • Schwieriger wird es mit dem zweiten subjektiven Tatbestandsmerkmal. Danach muss der Anfechtungsgegner, der das Geld erhalten hat, den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kennen. An dieser Stelle hilft das Gesetz dem klagenden Insolvenzverwalter mit einer Vermutung der Kenntnis, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Diese Vermutung ist in der neuen Fassung des § 133 InsO für bestimmte Sachverhaltsvarianten eingeschränkt. Es verbleibt aber auch dann die prozessuale Situation, dass der klagende Insolvenzverwalter mit Hilfe von Indizien diese vorgenannte Kenntnis des Gläubigers darlegen und beweisen muss.

Hierzu stellt der Bundesgerichtshof in seinem vorgenannten Urteil vom 22.06.2017 nunmehr fest, dass es einem Gläubiger,

  • dem gegenüber erstmals ein Zahlungsrückstand auftritt und der über keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners verfügt,
  • wobei außerhalb des Dreimonatszeitraumes und damit der Anfechtung nach §§ 130, 131 InsO vollstreckt wird,
  • möglich sein muss, seine Forderung ohne Anfechtungsrisiko auf gerichtlichem Wege durchzusetzen. Dies sei zum Schutz vor einer möglichen Zahlungsunwilligkeit und bewussten Zahlungsverzögerung notwendig.

Aufgrund dessen wird bei Vorliegen einer derartigen Konstellation die Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners verneint und liegt damit ein Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO nicht vor.

II. Ratschlag an die Gläubiger

Was kann man den Gläubigern aufgrund dessen  raten?

Begeben Sie sich schnell in das gerichtliche Verfahren, um in Form eines Urteiles oder Vollstreckungsbescheides einen titulierten Anspruch zu erhalten. Und dann vollstrecken Sie zügig aus diesem Titel und hoffen Sie, dass nach der Zwangsvollstreckung noch 3 Monate vergehen, bis der Insolvenzantrag gestellt wird.

Im Weiteren fragen Sie wenig nach der wirtschaftlichen Situation Ihres Gläubigers und werfen Sie diesem keinesfalls eine Zahlungsunfähigkeit vor. Denn – wie es der Bundesgerichtshof in seinem vorgenannten Urteil ausführt – darf der Gläubiger keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsfähigkeit des Schuldners haben. Zusätzliche Erkenntnisse können diesbezüglich nur schädlich sein.

Der Rahmen, in dem der Bundesgerichtshof die Anfechtung nach § 133 InsO verneint, bleibt also eng gesteckt.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall zahlte der Schuldner aufgrund einer Vorpfändung und lag damit eine Rechtshandlung des Schuldners vor. Diese ist Voraussetzung für eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO. Andersherum ausgedrückt bedeutet dies also: Wenn es keine Rechtshandlung des Schuldners gibt, weil infolge von Forderungspfändungen der Drittschuldner zahlt, kann bereits aus diesem Grunde keine Anfechtung nach § 133 InsO erfolgen.

Auch bei der Auswahl der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kann also das Anfechtungsrisiko minimiert werden. Insbesondere sollte auch der Gerichtsvollzieher angewiesen werden, dass er keine Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Schuldner abschließen darf. Denn auch eine Ratenzahlung des Schuldners ist letztendlich eine Rechtshandlung und eröffnet damit die Tür zur möglichen Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO.

All dies sind Aspekte, die im Zuge des Forderungseinzuges berücksichtigt werden können, um sich als Gläubiger nicht oder nur in geringerer Weise einem Anfechtungsrisiko auszusetzen.

III. BGH – Urteil an die Gläubiger vom 25.02.2016 (IX ZR 109/15)

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bleibt – wie eingangs angemerkt – nicht stringent. Beispielhaft zu erwähnen ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25.02.2016 (ZInsO 2016, 628 – IX ZR 109/15). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO mit folgenden Begründungen bejaht:

  • Bereits das monatelange völlige Schweigen der Schuldnerin auf die Rechnungen und vielfältigen Mahnungen der Anfechtungsgegnerin wird als Indiz für eine Zahlungseinstellung bewertet.
  • Die Inkaufnahme eines von vornherein aussichtslosen Rechtsstreits offenbare der Gläubigerin, dass die Schuldnerin mangels flüssiger Zahlungsmittel lediglich Zeit habe gewinnen wolle.
  • Eine erst im Rahmen eines Rechtsstreites nach Offenbarwerden der Zahlungsschwierigkeiten geschlossene Zahlungsvereinbarung entspreche nicht den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs. Kein redlicher Schuldner lasse sich, ohne die geltend gemachte Forderung sachlich abwehren zu wollen, verklagen, nur um die Zahlung hinauszuzögern und seinem Gläubiger eine Ratenzahlung abzuringen.

Soweit es den Aspekt des von vornherein aussichtslosen Rechtsstreites betrifft, ist die Argumentation des Bundesgerichtshofes in den beiden vorerwähnten Urteilen nicht deckungsgleich. Denn in dem erstgenannten Sachverhalt erging ein Versäumnisurteil und auch diesen Aspekt kann man letztendlich nicht anders bewerten, als dass im Zuge des Klageverfahrens Zeit zur Zahlung gewonnen werden sollte.

Indem der Bundesgerichtshof in dem Urteil aus dem Februar 2016 auf die Indizien der vielfältigen Mahnungen und der Ratenzahlung hinweist, macht er der die Fettnäpfchen deutlich, in die man als Gläubiger nicht treten sollte, um sich den Vorwurf der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auszusetzen.

Damit kann an dieser Stelle nur der Rat für Gläubiger und damit Anfechtungsgegner bezüglich ihres Forderungsmanagements wiederholt werden: Mahnen Sie nur einmal, klagen und vollstrecken Sie schnell und gehen Sie dann keine Ratenzahlungsvereinbarungen ein.

Gegenüber wirtschaftlich bedeutsamen Kunden mag man möglicherweise derart rigoros nicht vorgehen. Wenn man dies nicht tut, so muss man sich als Gläubiger jedoch dem daraus resultierenden Anfechtungsrisiko bewusst sein. Ein Ausweg bleibt dann nur noch das Bargeschäft und damit die dabei sicherste Variante der Vorauszahlung gegen Erbringung der Gegenleistung.

IV. Bedeutung der Gesetzesänderung zur Vorsatzanfechtung

Dieses Urteil ist für die gesetzliche Regelung des § 133 InsO in seiner alten Fassung ergangen. Die Entscheidungsgründe und vorgenannten Ausführungen bleiben aber auch für die neue gesetzliche Regelung des § 133 InsO von Bedeutung.

Denn die beiden vorerwähnten subjektiven Tatbestandsmerkmale gelten weiterhin. In § 133 Abs. 3 S. 2 InsO n.F. findet sich eine Neuregelung zu Gunsten der Gläubiger. Danach wird vermutet, dass die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf Seiten des Anfechtungsgegners nicht vorliegt, wenn Letzterer mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen hat. Der Anwendungsraum dieser gesetzlichen Regelung wird nach meiner Annahme gering bleiben. Denn zumeist sind es nicht nur Zahlungsvereinbarungen, die getroffen wurden, sondern gibt es eben auch die weiteren Indizien, die in jedem Forderungseinzug auftreten können. Und dies sind die Aspekte von vielfältigen Mahnungen und Titulierungen und Vollstreckungen. Auf diese werden die klagenden Insolvenzverwalter bei der Darlegung des Tatbestandes nach § 133 InsO n.F. abstellen.

Und damit bleibt es bei der Notwendigkeit für die Gläubiger, sich in diesem Dschungel der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Indizien, die für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit sprechen, den kleinen Pfad zu suchen, der vom Anfechtungsrisiko wegführt.

Wenn Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben und sich zum Anfechtungsrisiko beraten lassen möchten, melden Sie sich gerne bei mir per E-Mail unter lange@insolvenzberatung.pro oder telefonisch über meine Mitarbeiterin Frau Kalem, unter der Telefonnummer 0241 94621 138

Carsten Lange
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Mediator/ Wirtschaftmediator (DAA)