Steht der Wunsch eines Patienten, im Rahmen der spezialisierten ambulanten Paliativversorgung (SAPV) erforderlichenfalls auch reanimiert zu werden (nachfolgend unter A) oder ein entsprechender Wunsch eines Gastes einer Reanimation auch im Hospiz (nachfolgend unter B) einer Behandlung in der SAPV oder der Hospizaufnahme entgegen?

Diese Fragen werfen neben den rechtlichen Fragen auch ethische Fragen auf, die sicherlich kontrovers diskutiert werden können. Nachfolgend soll allerdings allein auf die rechtlichen Fragen eingegangen werden.

A. Reanimation in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung

 

I. Rechtlicher Prüfungsrahmen

§ 37b SGB V normiert einen gesetzlichen Anspruch gesetzlich versicherter Patienten. »Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, haben Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung«.

Voraussetzung für den Anspruch ist zunächst, dass der Patient in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist.

Darüber hinaus muss er an einer nicht heilbaren Erkrankung leiden. Dies ist dann gegeben, wenn nach dem allgemeinen Stand der Medizin die noch möglichen Behandlungen nicht zur Heilung führen.

Die Erkrankung muss fortgeschritten sein, mithin darf der Krankheitsverlauf nicht mehr aufhaltbar sein. Eine weit fortgeschrittene Erkrankung liegt dann vor, wenn die Lebenserwartung des Patienten auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist und im Verlauf der weiteren Behandlung »lediglich« eine Verbesserung der Symptomatik, ein Zugewinn an Lebensqualität und eine psychosoziale Betreuung im Vordergrund steht.

Es muss ein besonderer Versorgungsbedarf für den Patienten gegeben sein. Es bedarf also eines komplexen Symptomgeschehens, das eine interdisziplinäre Behandlung zwischen Ärzten und Pflegekräften voraussetzt. Dies ist beispielsweise bei einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik, einer neurologisch/psychiatrischen Symptomatik, bei einer respiratorischen/kardialen Symptomatik oder einer Tumorerkrankung gegeben.

Erfolgt bei einem Patienten, der diese Voraussetzungen erfüllt, die Verordnung von Leistungen der SAPV durch einen Vertragsarzt oder Krankenhausarzt, so ist der Leistungsanspruch des Patienten gegeben.

II. Ergebnis

Der Anspruch des Patienten auf Leistungen der SAPV ist also nach dem Gesetz nicht von einem Verzicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen beispielsweise durch eine Patientenverfügung abhängig. Die an der Versorgung gesetzlich versicherter Patienten teilnehmenden SAPV-Teams können die Leistungserbringung gegenüber ihren gesetzlich versicherten Patienten auch nicht davon abhängig machen, dass der Patient einen entsprechenden Verzicht erklärt. Die Anspruchsvoraussetzungen, nach denen der Patient Leistungen der SAPV in Anspruch nehmen kann, sind objektiv festzustellen. Unerheblich ist, ob der Patient auch subjektiv die Situation angenommen hat und im Hinblick auf seine letztlich unheilbare Erkrankung auf Reanimationsmaßnahmen verzichtet.

B. Reanimation in der stationären/teilstationären Versorgung in einem Hospiz

 

I. Rechtlicher Prüfungsrahmen

 

1. § 39a SGB V

Nach dieser gesetzlichen Regelung haben »Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, (…) Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann«.

Die nähere Ausgestaltung ist untergesetzlich einer Rahmenvereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Spitzenorganisationen, welche die Interessen der stationären Hospize vertreten, überantwortet.

§ 39 a SGB V wird ergänzt durch § 39b SGB V, wonach »Versicherte (…) Anspruch (haben) auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse zu den Leistungen der Hospiz- und Palliativversorgung. Der Anspruch umfasst auch die Erstellung einer Übersicht der Ansprechpartner der regional verfügbaren Beratungs- und Versorgungsangebote. Die Krankenkasse leistet bei Bedarf Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme und Leistungsinanspruchnahme«.

Anders als § 37b SGB V für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung geben also die vorgenannten gesetzlichen Regelungen dem Versicherten keinen unmittelbaren Anspruch auf stationäre oder teilstationäre Versorgung in einem Hospiz. Der Anspruch richtet sich vielmehr auf eine Beratung und Hilfestellung, um diese Versorgung zu erlangen sowie einen Zuschuss, wenn ein Platz in einem Hospiz gefunden wurde. Ob der Patient einen Platz in einem Hospiz findet und unter welchen Voraussetzungen er dort aufgenommen werden kann, ist für den Zuschuss der Krankenkassen allein nach dem Wortlaut von § 39a SGB V unerheblich. Mithin ist allein unter Berücksichtigung des Gesetzeswortlauts die Möglichkeit eröffnet, in einem Vorgespräch mit dem Patienten/Gast dessen Wunsch nach einer etwaigen Reanimation zu klären, um alsdann bei einem entsprechenden Wunsch die Aufnahme des Patienten in das Hospiz abzulehnen.

Allerdings ist auch § 37b Abs. 1 S. 4 SGB V zu beachten. Danach haben Versicherte in stationären Hospizen einen Anspruch auf die Teilleistung der erforderlichen ärztlichen Versorgung im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung.

Ist der Patient/Gast also im Hospiz aufgenommen, so besteht der Anspruch auf SAPV-Leistungen, der wiederum unabhängig von einem Verzicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen besteht. Ändert der Patient/Gast im Verlauf seines Aufenthaltes im Hospiz seine Meinung zu Reanimationsmaßnahmen, so sind gegenüber dem Patienten gleichwohl Leistungen der SAPV zu erbringen. Ob sodann der »Erstvertrag« zwischen Patient/Gast und Hospiz beispielsweise aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, ist zu bezweifeln. Eine solche Kündigung dürfte unzumutbar sein. Zudem beschreibt § 37b Abs. 1 S. 4 SGB V einen Anspruch des Gastes auf Leistungen der SAPV in stationären Hospizen, der durch ein Kündigungsrecht des Hospizbetreibers bei einem (nachträglichen) Reanimationswunsch des Patienten/Gastes konterkariert werden würde.

Zwischenergebnis

§ 39a SGB V zwingt den Betreiber eines Hospizes nicht dazu, jeden Patienten/Gast aufzunehmen. Die Aufnahme eines Gastes kann auch von dem Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen abhängig gemacht werden. Ändert indes der Gast während seines Aufenthaltes seine Meinung zu Reanimationsmaßnahmen, so werden weiterhin Palliativleistungen zu erbringen sein. Eine Kündigung des Versorgungsvertrages aufgrund des nunmehr bestehenden Wunsches des Patienten nach einer Reanimation dürfte ausgeschlossen sein.

2. Rahmenvereinbarung nach § 39a Abs. 1 S. 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung in der Form vom 14.04.2010

a) Abschließen einer neuen Vereinbarung

Das Hospiz- und Palliativgesetz aus dem Dezember 2015 hat den Vertragspartnern aufgegeben, bis zum 31.12.2016 eine neue Vereinbarung abzuschließen. Diese neue Vereinbarung liegt derzeit (Januar 2017) noch nicht vor.

b) Hospiz als Teil einer vernetzten Versorgungsstruktur

Die derzeit noch maßgebliche Rahmenvereinbarung regelt Art und Umfang der Hospizversorgung sowie deren Qualitätssicherung. § 1 der Rahmenvereinbarung definiert stationäre Hospize. Demnach verstehen sich diese »als Teil einer vernetzten Versorgungsstruktur im regionalen Gesundheits- und Sozialsystem«.

Diese Vernetzung innerhalb der Versorgungsstrukturen könnte einer Versagung von einer stationären Versorgung in einem Hospiz bei bestehendem Reanimationswunsch entgegenstehen. Es ist unserem Gesundheits- und Sozialsystem gänzlich fremd, die Leistungserbringung von einem Verzicht auf eine Reanimation abhängig zu machen. Eine Versorgung in einem stationären Hospiz von einem solchen Verzicht abhängig zu machen, wäre eine gravierende und singuläre Ausnahme in diesem Versorgungsnetz. Nicht einmal die spezialisierte ambulante Palliativversorgung kennt eine vergleichbare Bedingung für den Leistungsanspruch auf Palliativleistungen. Es kann daher auch nicht argumentiert werden, der Wunsch nach einer Reanimation sei einer Palliativversorgung wesensfremd.

c) Grundvoraussetzungen für die Aufnahme in ein stationäres Hospiz und Versorgungsumfang

In § 2 der Rahmenvereinbarung sind die Grundvoraussetzungen für die Aufnahme in ein stationäres Hospiz geregelt. Auch wenn diese Grundvoraussetzungen vor dem Hintergrund des aus § 39a SGB V resultierenden Anspruchs auf Finanzierungszuschuss zu sehen sind, so werden doch ausdrücklich nicht lediglich Grundvoraussetzungen für die Bezuschussung des Aufenthaltes in einem stationären Hospiz, sondern die Grundvoraussetzungen für die Aufnahme in einem solchen geregelt.

Grundvoraussetzung für die Aufnahme in einem Hospiz ist, dass eine Krankenhausbehandlung nicht erforderlich ist, jedoch eine ambulante Versorgung im Haushalt oder in der Familie nicht ausreicht. Ferner ist erforderlich, dass »der Patient bzw. die Patientin an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische und palliativ-pflegerische Versorgung notwendig oder von der Patientin bzw. dem Patienten erwünscht ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Tagen, Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt«.

Dies wiederum deckt sich mit den Anspruchsvoraussetzungen für eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung des § 37b SGB V.

§ 3 der Rahmenvereinbarung regelt den Versorgungsumfang in einem Hospiz. Gemäß § 3 Abs. 4 der Rahmenvereinbarung muss ein Hospiz Möglichkeiten der medizinischen Krisenintervention vorhalten, wenngleich »unter Palliativgesichtspunkten«. Vorzuhalten sind »spezielle medizinisch-technische Interventionen«. Hierunter ließen sich auch medizinische Maßnahmen und Gerätschaften zur Wiederbelebung subsumieren.

Die Rahmenvereinbarung enthält keine ausdrückliche Regelung über das Verhältnis eines Reanimationswunsches zum Aufenthalt eines Patienten/Gastes in einem Hospiz. Allerdings lassen die Regelungen der Rahmenvereinbarung ernsthafte Zweifel daran aufkommen, ob bereits die Aufnahme als Patienten/Gastes in das Hospiz von einem Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen abhängig gemacht werden kann.

Ein solcher Verzicht auf diese Maßnahme als Bedingung der Versorgung ist der hiesigen Versorgungslandschaft völlig wesensfremd. Da der Anspruch auf SAPV-Leistungen nicht von einem solchen Verzicht abhängig gemacht ist, kann auch nicht argumentiert werden, dass der Wunsch nach einer Reanimation der Palliativversorgung insgesamt wesensfremd wäre. § 2 der Rahmenvereinbarung definiert die Voraussetzungen für die Aufnahme in einem Hospiz. Diese Voraussetzungen sind dem gesetzlichen Anspruch auf SAPV-Leistungen nachgebildet. Auch dies widerspricht einer Möglichkeit, die Aufnahme eines Patienten/Gastes von einem Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen abhängig zu machen.

3. Konkrete vertragliche Vereinbarung zwischen Hospiz und Kostenträgern

Es werden Verträge über stationäre Hospizversorgung mit den Kostenträgern abgeschlossen.

In diesen Verträgen ist regelmäßig bestimmt, dass das Hospiz mit Abschluss des Versorgungsvertrages zur stationären Hospizversorgung zugelassen und verpflichtet ist und alle Versicherten der beteiligten Kostenträger nach gleichen Grundsätzen versorgt werden müssen.

Der Versorgungsvertrag statuiert regelmäßig eine Versorgungsverpflichtung des Hospizes. Es sollen dabei alle Versicherten nach gleichen Grundsätzen versorgt werden. Eine Unterscheidung abhängig von einem Reanimationswunsch ist nicht vorgesehen.

II. Ergebnis

Lässt § 39a SGB V noch insoweit Interpretationsspielraum, als das im Rahmen der Privatautonomie das Hospiz die Aufnahme von Patienten durchaus von einem Verzicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen abhängig machen kann, so sprechen die Rahmenvereinbarung und letztlich regelmäßig die konkrete vertragliche Vereinbarung zwischen Kostenträgern und Hospiz gegen eine generelle Abhängigkeit der Aufnahme in ein Hospiz von dem Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen.

C. Gesamtergebnis

Im Rahmen der SAPV-Versorgung besteht ein Anspruch des Patienten auf Leistungserbringung gänzlich unabhängig von der Frage, ob ein Reanimationswunsch geäußert wird oder im Rahmen einer Patientenverfügung hierauf verzichtet wird. Es darf keine Unterscheidung zwischen Patienten mit Reanimationswunsch und solchen ohne diesen Wunsch gemacht werden.

Im Rahmen der stationären Hospizversorgung ist zu berücksichtigen, dass zumindest derzeit noch kein gesetzlicher Anspruch der Versicherten auf stationäre Hospizleistungen besteht. Es ließe sich argumentieren, dass es einem Hospiz im Rahmen der Vertragsautonomie/Privatautonomie freisteht, nur Patienten aufzunehmen, die im Rahmen einer Patientenverfügung auf einen Reanimationswunsch verzichten.

Dies dürfte allerdings vor dem Hintergrund der Rahmenvereinbarung und insbesondere dem konkreten Versorgungsvertrag mit den Kostenträgern mehr als zweifelhaft sein. Der Versorgungsvertrag statuiert eine Versorgungsverpflichtung des Hospizes gegenüber sämtlichen versicherten Patienten/Gästen der Vertragspartner.

 

Thomas Oedekoven,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil