Zugegeben:

Kundenanlage klingt altbacken, und es gibt griffigere Schlagworte, wenn es darum geht, im Dickicht der politisch und ökologisch reglementierten Energiemärkte die finanziellen Anreize des Gesetzgebers zu nutzen, oder den Niedrigzinsen ein Schnäppchen zu schlagen.

I. Gesellschaftspolitische Dominanz des EEG

Die Förderung erneuerbarer Energien nach dem erneuerbare Energien Gesetz (EEG) verbunden mit der gesetzlich normierten Vergütungspflicht ist hier an erster Stelle zu nennen. Die im Einzelnen geförderten Anlagen sind im Laufe der letzten Jahre mit spezialgesetzlichen Regelungen versehen worden, die eine auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage bezogene sorgfältige Analyse der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern. Die Situation wird durch den Umstand verkompliziert, dass die Förderermechanismen und insbesondere die Vergütungssätze ständiger Veränderung unterliegen. Immerhin entspricht es politischem Konsens, den Anteil erneuerbarer Energien auch weiterhin auszubauen und künftig insbesondere durch Marktprämien zu fördern. Es kann daher als gesichert gelten, dass auch in den kommenden Jahren mit Investitionen in erneuerbare Energien überdurchschnittliche Renditen erzielt werden können. Wir werden das Investitions- wie auch das rechtliche Umfeld hierzu in einem der kommenden Beiträge erläutern.

II. Das Privileg der letzten Meile

Weitgehend unbekannt sind demgegenüber die Potenziale der Betreiber von Energieanlagen der sogenannten »letzten Meile«.

Was ist darunter zu verstehen?

1. Situation auf den Märkten für Telekommunikation

Der Begriff der letzten Meile ist aus der Telekommunikation bekannt: Während Wettbewerber hier in den letzten Jahrzehnten massiv in Infrastruktur und Netze investiert, nennenswert Marktanteile gewonnen und Glasfaserkabel im ganzen Land ausgerollt haben, ist das letzte Stück bis zum Kunden, nämlich das Kupferkabel vom Kabelverzweiger in der Straße bis zum Hausanschluss, nach wie vor weitgehend in der Hand der Telekom. Diese letzte Meile stellt ein quasi »natürliches Monopol« dar. Sie eröffnet der Telekom Gestaltungsspielräume und Gewinnchancen, die im Interesse eines fairen Wettbewerbs durch die Bundesnetzagentur begrenzt und reguliert werden.

2. Die letzte Meile im Energiesektor

Eine vergleichbare Privilegierung kann im Energiesektor bei Kundenanlagen und – mit Einschränkung – bei geschlossenen Verteilernetzen bestehen. Auch hier sind dem Eigentümer größerer Liegenschaften auf der einen sowie dem oder den an einem Industriestandort angesiedelten Unternehmen auf der anderen Seite Möglichkeiten eingeräumt, das rechtliche Umfeld selber zu gestalten und erhebliche Einsparungen zu realiaieren.

Worum geht es?

a) Geschlossene Verteilernetze

Ein geschlossenes Verteilernetz liegt nach § 110 Abs. 2 EnWG vor, wenn Energie zum Zwecke der Ermöglichung der Versorgung von Kunden in einem geografisch begrenzten Industrie- oder Gewerbegebiet oder einem Gebiet verteilt wird, in dem Leistungen gemeinsam genutzt werden, wenn

  • die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer dieses Netzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind oder
  • mit dem Netz in erster Linie Energie an den Netzeigentümer oder -betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt wird; maßgeblich ist der Durchschnitt der letzten drei Kalenderjahre; gesicherte Erkenntnisse über künftige Anteile sind zu berücksichtigen.

Die Einstufung eines Netzes als geschlossenes Verteilernetz obliegt der Bundesnetzagentur und zwar nur auf Antrag des Netzbetreibers. Weitere Einzelheiten können einem auf der Homepage der Bundesnetzagentur abzurufenden Leitfaden entnommen werden. Wichtig ist, dass das geschlossene Verteilernetz immer noch ein Netz im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes ist und insoweit der Regulierung unterliegt. Allerdings greifen eine Vielzahl belastender administrativer Regelungen nicht, vgl. i.E. §§ 14, 18, 19, 21a, 22, 23a, 32, 33, 35, 52 EnWG. Für Unternehmen, die etwa in einem Industriepark ansässig sind, empfiehlt es sich, den energierechtlichen status quo zu analysieren und gegebenenfalls einen Antrag bei der Bundesnetzagentur zu stellen.

b) Kundenanlagen

Aus wirtschaftlicher Sicht interessanter ist der Betrieb einer Kundenanlage, so wie sie in § 3 Nr. 24 lit.a und lit b EnWG definiert wird:

Nach § 3 Nr. 24 a sind Kundenanlagen

Energieanlagen zur Abgabe von Energie,
a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,
b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
c) für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und
d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,

Nr. 24 b definiert zusätzlich Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung als

Energieanlagen zur Abgabe von Energie,
a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden,
b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,
c) fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen oder fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen und
d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der an sie angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,

(-1-) Hausverteilanlagen

Die sicherlich bekanntesten Kundenanlagen sind Hausverteilanlagen. Wenn Eigentümer von Mietobjekten Gas oder Strom über Hausverteilanlagen an Ihre Mieter verteilen, so betreiben sie energierechtlich betrachtet eine Kundenanlage, auch wenn Ihnen dies in den meisten Fällen gar nicht bewusst sein dürfte, weil sie die Konsequenzen für selbstverständlich halten: Nach §§ 3 Nr. 24 lit. a und b Energiewirtschaftsgesetz sind nämlich Kundenanlagen aus dem regulierten Bereich eines Energieversorgungsnetzes herausgenommen. Anders ausgedrückt: Kundenanlagen sind keine Energieversorgungsnetze und insofern von allen Verpflichtungen des Energiewirtschaftsgesetzes befreit. In der Konsequenz wird die Kundenanlage wie ein einheitlicher Letztverbraucher angesehen, der dem Netz der allgemeinen Versorgung als Marktgegenseite gegenübersteht. Für den Eigentümer des Mietobjektes bedeutet dies, dass er für die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zum Netzbetreiber zuständig ist und die Nutzung seiner Hausverteilungsanlage im Rahmen der mietvertraglichen Gebrauchsüberlassung regeln muss. Die Kosten, die für die Instandhaltung und Unterhaltung der Hausverteilungsanlage anfallen, werden im Rahmen der Miete abgegolten, und zwar unabhängig von der Menge an durchgeleiteter Energie.

(-2-) Objekt- und Arealnetze

Der Gesetzgeber hat den Begriff der Kundenanlage aber ausdrücklich nicht auf die seit jeher erfassten Hausverteilanlagen beschränken wollen.

Erfasst sind unter bestimmten Bedingungen auch die früher als Objekt- oder Areal-Netze bekannten und bezeichneten Liegenschaften, also solche Anlagen, die von einem oder mehreren Unternehmen in einem räumlich abgegrenzten Gebiet genutzt werden.

Bei der Frage, ob hier (nur) ein privilegiertes geschlossenes Verteilernetz vorliegt, oder schon eine Kundenanlage, sind die oben dargestellten Kriterien in § 3 Nr. 24 EnWG im Einzelnen zu prüfen. Leider enthalten diese mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, so dass sich aus der Regelung allein keine Antwort ergibt. In der bislang nur spärlichen Spruchpraxis der Bundesnetzagentur hat sich gezeigt, dass insbesondere das Kriterium des räumlichen Zusammenhangs von besonderer Bedeutung ist. Die Bundesnetzagentur hat hier maßgeblich auf das äußere Erscheinungsbild des Gebietes abgestellt, ohne allerdings verlässliche Kriterien aufzustellen: So hat sie im Falle der Berliner S-Bahn eine Kundenanlage abgelehnt, weil der räumliche Zusammenhang für Außenstehende nicht ohne weiteres erkennbar sei (Bundesnetzagentur, Beschluss vom 20.10.2012-BK 6-11-145). In einem anderen Fall hat die Bundesnetzagentur – allerdings zu Lasten der Antragsteller – das Vorliegen einer Kundenanlage bejaht. Die Antragsteller waren hier nicht die designierten Betreiber einer Kundenanlage, sondern die Eigentümer von Grundstücken auf der Insel Valentinswerder, welche bei Berlin im Tegeler See liegt. Sie hatten – jeder für sich – den Anschluss an Anlagen zur Stromversorgung gegenüber dem vermeintlichen Netzbetreiber gestellt und – weil dieser den Anschluss ablehnte – sodann einen Missbrauchsantrag bei der Bundesnetzagentur gestellt. Die Bundesnetzagentur wies den Missbrauchsantrag ab, weil der Antragsgegner nach ihrer Auffassung eine Kundenanlage betreibe. Zur Begründung führte die Bundesnetzagentur aus, dass die Energieanlagen ohne Unterbrechung über das Inselland verliefen und die Grundstücke nicht durch öffentliche Straßen und Plätze voneinander getrennt waren und das Gebiet, da es als Insel von Wasser umgeben ist, ein in sich geschlossenes und eng begrenztes Areal darstelle. (Bundesnetzagentur, Beschluss vom 7.1.2013-BK 6-12-152).

Die Thematik des räumlichen Zusammenhangs ist damit alles andere als geklärt. Nach Einschätzung des Verfassers erfüllen historisch gewachsene Industrieparks mit einer ebensolchen Leitungsstruktur jedenfalls die hier zu stellenden Anforderungen. Von besonderer Bedeutung ist in dem Zusammenhang auch, ob es sich um eine Vielzahl von ansässigen Unternehmen, oder aber um konzernverbundene Unternehmen handelt. Bei Letzteren ist erfahrungsgemäß ohne weiteres davon auszugehen, dass diese im Rahmen einer Kundenanlage versorgt werden. Bei einer heterogenen Unternehmensstruktur, insbesondere, wenn neue Mieter auf ein altes Industrieareal gelangen, besteht Argumentationsbedarf. Auch insoweit lässt sich aber gut vertreten und begründen, dass eine Kundenanlage betrieben wird.

Wenn die Weichen letztlich auf Grün gestellt sind und davon ausgegangen werden kann, dass eine Kundenanlage betrieben wird, so kann dies zu erheblichen Vorteilen finanzieller Art für alle betroffenen Nutzer führen:

An erster Stelle zu nennen sind hier Skalenvorteile beim Bezug von Energie, die entstehen, wenn die an die Kundenanlage angeschlossenen Unternehmen Energie zentral beschaffen. Das setzt voraus, dass die Beteiligten sich einig sind, auf ihr (wirtschaftlich sinnloses) Recht, mit einem bestimmten Lieferanten ihrer Wahl zu kontrahieren, verzichten.

Sodann haben Kundenanlagenbetreiber ein Recht auf reduzierte Netzentgelte. Da sie nicht als Netzbetreiber anzusehen sind, haben sie grundsätzlich das Recht, vom vorgelagerten Netzbetreiber ein individuell auszuhandelndes Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV zu verlangen. Hintergrund für diese Sonderregelung ist, dass dem Netzbetreiber im Normalfall eine Vielzahl von Endkunden bis zum Hausübergabepunkt einzeln gegenübersteht, mit der Konsequenz der Verantwortung des Netzbetreibers bis zu jedem dieser Übergabepunkte. Wenn nun aus Sicht des Netzbetreibers die gleiche Menge Energie über einen einzigen vorgelagerten Abnehmer abgewickelt werden kann, ergeben sich hieraus erhebliche Einsparungen, die entsprechend an den Anlagenbetreiber weiterzugeben sind. Das hiernach auszuhandelnde individuelle Netzentgelt bewegt sich – abhängig von der Benutzungsstundenzahl im Jahr – zwischen 10 und 20 % der veröffentlichten Netzentgelte. Da der Anteil der Netzentgelte an den Energiekosten ganz erheblich ist, kann sich hieraus ohne weiteres ein Einsparpotenzial in Höhe von über 10 % der gesamten Energiekosten ergeben.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesnetzagentur in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 die Auffassung vertreten hat, eine Einbeziehung der von allen Nutzern der Kundenanlage bezogenen Verbrauchsmengen sei nicht möglich. Vielmehr dürfe nur der vom Anlagenbetreiber selbst verbrauchte Strom bei der Berechnung der Verbrauchsmengen berücksichtigt werden (vergleiche BFH-Beschluss vom 11.12.2013-BK 4-13-739).

Diese Entscheidung ist nicht haltbar und dürfte gerichtlich keinen Bestand haben: Nachgelagerte Letztverbraucher, die nur über einen Anschluss an der Kundenanlage verfügen, haben nur schuldrechtliche Ansprüche gegenüber dem Betreiber der Kundenanlage. Der Betreiber der Kundenanlage allein verfügt über einen unmittelbaren Netzanschluss an das vorgelagerte Netz der allgemeinen Versorgung. Daraus ist zu folgern, dass der Anlagenbetreiber auch die gesamte Menge, die er aus dem Netz der allgemeinen Versorgung bezieht, bei der Antragstellung nach § 19 Abs. 2 S. 2 Stromness einbeziehen kann und zwar unabhängig davon, inwieweit er Teilmengen an Nutzer der Kundenanlage weiterreicht.

III. Fazit

Energieintensive Unternehmen und solche, die in Industrieparks angesiedelt sind, sollten die Frage des Energiebezugs nicht allein dem Einkauf überlassen. Die Fragestellung ist komplex, rechtlich anspruchsvoll, und eröffnet Optionen, die ergebniswirksam sind.

Nebenbei sei angemerkt, dass bei einer Bestandsaufnahme der Energiebezugskosten, die über den eigenen Tellerrand hinausreicht, auch ganz andere Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden können: Dies gilt namentlich für die durch Umweltaspekte und Förderanreize geprägten Bereiche alternativer Energieerzeugung – Stichwort Mikro BHKW – wie auch die Frage der Modernisierung von Anlagen und Gebäuden.


Dr. Eric Heitzer ist Rechtsanwalt und Bankkaufmann.

Er hat Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen bei der Schaffung effizienter Kontrollstrukturen begleitet und übernimmt teils auch spezifische Funktionen eines Compliance-Management-Systems, etwa die eines externen Compliance Offices. Zwischen 1998 und 2010 war Dr. Heitzer in der Geschäftsleitung namhafter Kabel- und Telekommunikationsunternehmen tätig.

Über den Autor

  • Dr. Eric Heitzer

    Dr. Eric Heitzer ist zugelassener Rechtsanwalt seit 1997 (u.a. mit dem Fachgebiet IT und Datenschutz) und Bankkaufmann. Er hat für verschiedene Unternehmen die Aufgaben eines externen Datenschutzbeauftragten wie auch die des ausgelagerten Compliance-Offices übernommen. Zum Anwaltsprofil