I.

Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob Apotheken an Verträgen zu integrierten Versorgung teilnehmen können und welche gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen sind.

1. Integrierte Versorgung

Die integrierte Versorgung ist in den §§ 140a ff. SGB V geregelt. Es handelt sich bei der integrierten Versorgung um eine die verschiedenen Leistungssektoren übergreifende oder interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung außerhalb des normalen Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen Vereinigungen. Grundlage sind Einzelverträge zwischen einzelnen Krankenkassen und Leistungserbringern.

Grundvoraussetzung für einen Vertrag zu integrierten Versorgung ist mithin das verzahnen unterschiedlicher Leistungssektoren oder die Etablierung einer interdisziplinär-fachübergreifenden Versorgung.

Gesetzliche Definitionen hierfür fehlen. Die Gesetzesbegründung liefert allerdings einige Anhaltspunkte, wann eine leistungssektorenübergreifende Versorgung vorliegt. So nennt der Gesetzgeber ausdrücklich integrierte Versorgungsformen zwischen Haus- und Fachärzten, zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern oder zwischen dem ambulanten und stationären Bereich der Patientenversorgung.

Die zu verknüpfenden Sektoren dürften somit die hausärztliche Versorgung, fachärztliche Versorgung, vertragszahnärztliche Versorgung, Krankenhausversorgung, Versorgung mit stationären Vorsorgeleistungen, medizinische Rehabilitation, Arznei- und Verbandmittel Versorgung, Heilmittelversorgung, Hilfsmittelversorgung, Versorgung mit Krankentransportleistungen, Soziologietherapie, Hebammenleistungen und Pflegeleistungen des SGB V sein (Bäune, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl., Kap. 8 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).

Eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung ist vor dem Hintergrund des ärztlichen Weiterbildungsrechts zu verstehen. Werden einerseits im Rahmen eines Integrationsvertrages verschiedene medizinische Fachgebiete miteinander verzahnt und steht dahinter ein Konzept einer längerfristigen, am Wohl des Patienten orientierten, gemeinsamen Behandlung, so liegt jedenfalls dann ein Vertrag zur integrierten Versorgung vor, wenn die vorgesehene Zusammenarbeit über das übliche Maß der ärztlichen Zusammenarbeit im ambulanten Bereich hinausgeht.

Die integrierte Versorgung soll eine Alternative zur üblichen Regelversorgung der gesetzlich versicherten Patienten darstellen. Hieraus folgt das Erfordernis, dass für bestimmte Krankheitsbilder, die im Rahmen des Vertrages zur integrierten Versorgung behandelt werden sollen, auch eine tatsächlich abschließende Versorgung der Beteiligten Leistungserbringer in ihrem jeweiligen Leistungsgebiet stattfinden muss.

Zugelassene Vertragspartner sind nach dem Wortlaut des § 140b SGB V Vertragsärzte und -zahnärzte, Medizinische Versorgungszentren und sonstige zugelassene Leistungserbringer, zugelassene Krankenhäuser sowie Träger von Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Managementgesellschaften, die eine Patientenversorgung durch nachgeschaltete zugelassene Leistungserbringer anbieten, dicke Kassen und Träger zugelassene Pflegeeinrichtungen, Praxiskliniken nach § 115 SGB V, pharmazeutische Unternehmer sowie letztlich Medizinproduktehersteller.

2. Apotheker als Vertragspartner von Integrationsverträgen

Apotheken sind in § 140b Abs. 1 SGB V nicht ausdrücklich als Leistungserbringer, die einen Integrationsvertrag abschließen können, benannt. Allerdings können auch Apotheker Vertragspartner von Integrationsverträgen sein. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Sonderregelung des § 129 Abs. 5b SGB V:

»Apotheken können an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen beteiligt werden; die Angebote sind öffentlich auszuschreiben. In Verträgen nach Satz 1 sollen auch Maßnahmen zur qualitätsgesicherten Beratung des Versicherten durch die Apotheke vereinbart werden. In der besonderen Versorgung kann in Verträgen nach Satz 1 das Nähere über Qualität und Struktur der Arzneimittelversorgung für die an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten auch abweichend von Vorschriften dieses Buches vereinbart werden.«

Diese gesetzliche Regelung eröffnet den Apotheken die Teilnahme an vertraglich zwischen Krankenkassen und vorstehend genannten Leistungserbringern vereinbarten Versorgungsformen. Damit soll erreicht werden, dass die Patienten eine möglichst umfassende und gebündelte Versorgung durch ansonsten voneinander gänzlich unabhängige Leistungserbringer, namentlich Vertragsärzte einerseits und Apotheker andererseits, erhalten.

Im Rahmen des Vertrages der integrierten/besonderen Versorgung können die Vertragsparteien eine von den gesetzlichen Regelungen des SGB V abweichende Vereinbarung zur Qualität und Struktur der Arzneimittelversorgung treffen. In der Gesetzesbegründung werden beispielhafte Qualitätsverbesserungen genannt. So wird eine Vereinbarung zur pharmazeutischen Betreuung durch Vertrags-, insbesondere Hausapotheken sowie Regelungen zur Auswahl preisgünstiger und vergleichbarer Arzneimittel aufgrund ärztlicher Verordnung/Dauerverordnung als möglichen Regelungsinhalt beschrieben (Deutscher Bundestag, Drucksache 15/1525, 122).

3. Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung

§ 129 Abs. 5b SGB V enthält das Gebot einer öffentlichen Ausschreibung. Auch aus § 69 Abs. 2 S. 4 SGB V ergibt sich die Anwendbarkeit der vergaberechtlichen Vorschriften.

Das Verfahren und die Kriterien für einen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren richten sich jedoch nicht nach den Regelungen des SGB V. Insoweit sind die vergaberechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) maßgeblich.

Einigkeit besteht, dass Krankenkassen öffentliche Auftraggeber im Sinne dieser Regelungen sind. Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 11.06.2009 festgestellt, dass es sich bei Verträgen zu integrierten Versorgung grundsätzlich nicht um (nicht der Ausschreibungsverpflichtung unterfallende) Dienstleistungskonzessionen handelt, sondern um Ausschreibungsgesetze öffentliche Aufträge. Wenngleich dieser Standpunkt des EuGH durchaus umstritten ist, sollte man den Krankenkassen anraten, Aufträge zu Erbringung von Leistungen der integrierten Versorgung generell auszuschreiben. Insbesondere betrifft dies aufgrund der Regelung des § 129b SGB V die Teilnahme von Apotheken.

Die Verpflichtung zur Ausschreibung im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung wird gestärkt durch eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Ausschreibungsverpflichtung bei Verträgen zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).

Zuvor hatte das OLG Düsseldorf bereits mit Beschluss vom 01.08.2012 festgehalten, dass auch bei Integrationsverträgen, die mit Managementgesellschaften abgeschlossen werden, dann von der Managementgesellschaft die vergaberechtlichen Ausschreibungspflichten einzuhalten sind. Eine Krankenkasse könne sich den vergaberechtlichen Vorschriften nicht dadurch entziehen, indem eine Managementgesellschaft eingeschaltet wird, die dann durch den Vertragsschluss mit Leistungserbringern den Beschaffungsbedarf der Krankenkasse decke. In diesen Fällen müsse die Krankenkasse die Managementgesellschaft verpflichten, die Leistungserbringer in einem geregelten Vergabeverfahren auszuwählen.

Wird unzulässigerweise kein Ausschreibungsverfahren durchgeführt, kann ein vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden. In diesem Verfahren kann die Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages festgestellt werden.

4. Einschränkungen durch das Apothekengesetz oder Regelungen der Berufsordnung

a) Apothekengesetz
§ 11 Abs. 1 Apothekengesetz kodifiziert Vereinbarung eines Apothekers als unzulässig, wenn mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, Verträge oder Absprachen vereinbart werden, die die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben.

In diesem Zusammenhang ist die »Patientenring-Entscheidung« des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13.03.2014, Az. I ZR 120/13, zu beachten. In dieser Entscheidung hat der BGH festgestellt, dass besondere im SGB V verankerte Versorgungsangebote für gesetzlich versicherte Patienten eine einschränkende Auslegung des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz erfordern. In der Entscheidung des BGH ging es um die Teilnahme einer Apotheke an dem in § 39 Abs. 1a SGB V geregelten Entlassmanagement, mit welchem den Patienten ein Übergang von der stationären Krankenhausbehandlung in die ambulante Weiterversorgung erleichtert werden soll.

Indes lassen sich die Erwägungen des Gerichtes auch auf die gleichfalls im SGB V geregelte integrierte/besondere Versorgung nach § 140a SGB V übertragen.

Das Verbot einer Absprache, die die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hat, soll die Unabhängigkeit des Vertragsarztes und des Apothekers gewährleisten. Der Arzt soll sich bei der Auswahl von Arzneimitteln ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten leiten lassen, wohingegen der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Auswahl der beschriebenen Medikamente sachlich und eigenverantwortlich wahrnehmen soll. Zudem soll die Bestimmung des § 11 Apothekengesetz die Wahlfreiheit des Patienten bei der Auswahl »seiner Apotheke« gewährleisten.

Im Rahmen der integrierten Versorgung stellt sich bereits die Frage, ob überhaupt ein Vertrag mit einem Arzt oder einem sonst an der Versorgung von Patienten beteiligten Leistungserbringer gegeben ist. Der Vertrag zur besonderen/integrierten Versorgung wird mit der Krankenkasse abgeschlossen. Die Krankenkasse jedoch dürfte nicht unter den genannten Personenkreis zu subsumieren sein. Jedenfalls dann, wenn Vertragspartner der Krankenkasse eine Managementgesellschaft ist, die als dann wiederum mit verschiedenen Leistungserbringern – darunter Apothekern – Teilnahmeverträge zur Leistungserbringung im Rahmen des Vertrages zu besonderen/integrierten Versorgung abschließt, dürfte der Anwendungsbereich von § 11 Abs. 1 Apothekengesetz nicht eröffnet sein (so auch Hartmann/Souglu, MPR 2014, 160). Jedenfalls bei der seitens des BGH für notwendig erachteten einschränkenden Auslegung des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz fallen vertragliche Vereinbarungen mit Managementgesellschaften nicht unter das Verbot.

Nun besteht für den Patienten kein Anspruch auf den Abschluss eines Vertrages zu besonderen/integrierten Versorgung durch die Krankenkasse. Dies unterscheidet zunächst die Sachlage von der Entscheidung des BGH in der oben genannten Patientenring-Entscheidung. Des Weiteren sind auch die Mitglieder der Krankenkassen, die Verträge zur besonderen/integrierten Versorgung abgeschlossen haben, nicht zur Teilnahme an diesen Verträgen verpflichtet. Die Teilnahme ist vielmehr für die Mitglieder der Krankenkassen freiwillig.

Solange indes das Mitglied der Krankenkasse seine Teilnahmeerklärung an dem Vertrag zu besonderen/integrierten Versorgung abgibt und aufrechterhält, so besteht spiegelbildlich zu der Verpflichtung des Versicherten, ausschließlich die an dem Integrationsvertrag teilnehmenden Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen auch eine Verpflichtung gegenüber dem Patienten, eben diese Leistungen auch zu seinen Gunsten zu erbringen. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, wonach nur dann ein »echter« Vertrag zur integrierten Versorgung mit einer Managementgesellschaft vorliegt, wenn sich die beteiligten Leistungserbringer nicht nur gegenüber dieser Gesellschaft, sondern auch gegenüber den beteiligten Krankenkassen zur tatsächlichen Leistungserbringung verpflichten.

Der sich ergebende Widerspruch zwischen der notwendigen vertraglichen Absprache zwischen der Apotheke im Rahmen eines Vertrages zur besonderen/integrierten Versorgung einerseits und dem Verbot einer solchen vertraglichen Absprache in § 11 Apothekengesetz andererseits lässt sich nach dem benannten Urteil des BGH mit dem Vorrang der neueren und spezielleren Regelung des SGB V gegenüber § 11 Apothekengesetz auflösen. Der BGH hat diesen Vorrang der aktuelleren Regelungen des SGB V damit begründet, »dass ein reibungslos funktionierendes Entlassmanagement geeignet ist, Gesundheitsgefahren abzuwehren, die sich für die Patientin im Zusammenhang mit ihrer Entlassung aus der Krankenhausbehandlung – unter anderem dadurch, dass die nachfolgend benötigten Medikamente möglicherweise nicht sofort zur Verfügung stehen – ergeben. Diesem Ziel kommt ein wesentlich größeres Gewicht (…) als der Durchsetzung des in § 11 Abs. 1 S. 1 Fall 3 Apothekengesetz geregelten Verbots zu, weil der Zweck dieser Bestimmung vorliegend nicht nennenswert beeinträchtigt wird«.

Diese Begründung lässt sich auf einen Vertrag zur besonderen/integrierten Versorgung, der die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Vertrages erfüllt, ohne weiteres übertragen.

Im Ergebnis also steht § 11 Apothekengesetz einer Teilnahme von Apotheken an Verträgen zur besonderen/integrierten Versorgung nicht entgegen.

b)Berufsordnungen
Auch berufsrechtlich ist in den einschlägigen Berufsordnungen der Landesapothekerkammern eine Vereinbarung oder Absprachen und (schlüssige) Handlungen, die eine Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben, untersagt. Anders als § 11 Abs. 1 Apothekengesetz kommt es nach der Berufsordnung nicht darauf an, ob die Zuweisung durch einen Arzt oder eine andere Person erfolgt, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befasst.

Auch dieser vermeintliche Widerspruch zwischen der Möglichkeit zur Teilnahme von Apotheken an Verträgen zur besonderen/integrierten Versorgung einerseits und dem berufsrechtlichen Verbot bestimmter Vereinbarungen lässt sich durch den vorstehend dargelegten der aktuelleren und spezielleren Regelungen des SGB V auflösen.

Im Ergebnis stehen also auch berufsrechtliche Regelungen einer Teilnahme von Apotheken an Verträgen zur besonderen/integrierten Versorgung nicht entgegen.

5. Strafbarkeit nach § 299a StGB, Korruption im Gesundheitswesen

Durch die Teilnahme einer Apotheke an einem Vertrag zu besonderen/integrierten Versorgung werden die in dem Vertrag verbundenen Leistungserbringer möglicherweise gegenüber anderen Leistungserbringern, die nicht an dem Vertrag teilnehmen, bevorzugt.

Indes wird die gesetzlich in § 129 Abs. 5b SGB V ausdrücklich als zulässig erachtete Teilnahme einer Apotheke an einem Vertrag zu besonderen/integrierten Versorgung, der wiederum nach § 140a bzw. § 140b SGB V eine zulässige Versorgungsform darstellt, nicht durch strafgesetzliche Regelungen konterkariert.

Die bloße Teilnahme also an einem Vertrag zu besonderen/integrierten Versorgung führt nicht zu einer Strafbarkeit. Allenfalls dann, wenn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen Vertrages besondere Vergütungen abgeschöpft werden, auf die tatsächlich kein Anspruch besteht, weil, was keine entsprechenden Leistungen erbracht werden oder nur ein »Etikettenschwindel« betrieben wird, wird eine derartige Strafbarkeit in Betracht kommen.

Hinzu kommt, dass § 299a StGB in letzter Minute im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch eine für Apotheker erhebliche Einschränkung erfahren hat. Die gesetzliche Formulierung, die auch eine Vorteilsvereinbarung unter Strafe stellen sollte, die eine Abgabe von bestimmten Arzneimitteln bewirken sollte, ist aus dem Gesetzeswortlaut gestrichen worden. Dadurch wurde die Strafbarkeit für Apotheker erheblich eingeschränkt. Eine Vereinbarung, welche die Abgabe bestimmter Arzneimittel zum Gegenstand hat, ist für den teilnehmenden Apotheker nicht nach § 299a StGB strafbar.

II.

Im Ergebnis also wird die Apotheke (nach erfolgter Ausschreibung) an Verträgen zur besonderen/integrierten Versorgung teilnehmen können.

 

Thomas Oedekoven,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil