Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie“. So bewertet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die aktuelle Lage in Deutschland. Aus aktuellem Anlass wurden zwischenzeitlich die geplante Tourismus-Börse ITB in Berlin und zahlreiche weitere Großveranstaltungen deutschlandweit abgesagt.

Doch wer zahlt für die Absagen? Bleiben die Kunden auf ihren Kosten sitzen?

Das kommt darauf an, wer die Veranstaltung absagt und aus welchen Gründen dies geschieht.

Der Veranstalter trägt grundsätzlich das vertragliche Risiko einer Veranstaltungsabsage. Er trägt in allen Fällen die Kosten, wenn der Grund der Absage aus seinem Verantwortungsbereich stammt, beispielsweise die angemietete Location nicht verwendet werden darf.

Sagt der Veranstalter also von sich aus, in eigener Veranlassung und Entscheidung, aus Sorge um die Gesundheit der Besucher eine Messe ab, können Kunden die Rückzahlung des Kaufpreises für die Tickets und darüber hinaus Ersatz weitergehend entstandenen Schadens verlangen. Im Gegenzug geben sie ihre Tickets zurück oder diese verlieren ihre Gültigkeit.

Ebenso können Aussteller ihre Standgebühren ersetzt verlangen. Der Veranstalter trägt also auf allen Seiten der Vertragsverhältnisse das Risiko und damit auch die Kosten.

Anders ist das, wenn eine Veranstaltung von Seiten des Gesundheitsamtes abgesagt wird. Im Fall „höherer Gewalt“ oder einer begründeten Unzumutbarkeit der Durchführung sind Schadensersatzansprüche gegen den Veranstalter grundsätzlich ausgeschlossen.

Im Falle einer behördlichen Absage aufgrund der Infektionsgefahr des Coronavirus liegt ein Fall „höherer Gewalt“ vor. Höhere Gewalt ist ein externes Ereignis, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist.

Der Grund der Absage liegt dann nicht mehr im Verantwortungsbereich des Veranstalters, so dass er dem Kunden zwar den Preis für die Tickets erstatten muss, darüber hinaus jedoch nicht zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Wird eine Veranstaltung nicht behördlich abgesagt, so kann ansonsten ein Fall „höherer Gewalt“ vorliegen, soweit das Coronavirus eine Epidemie darstellt. Diese Frage ist aufgrund ihrer Aktualität rechtlich natürlich noch nicht abschließend geklärt. Eine Epidemie bezeichnet das stark gehäufte, örtlich und zeitlich begrenzte Auftreten einer Erkrankung, insbesondere einer Infektionserkrankung, wie exemplarisch die Sars-Epidemie aus den Jahren 2003/2004. Für die Annahme einer solchen beim Coronavirus fehlt es derzeit an den erforderlichen umfassenden medizinischen und empirischen Erkenntnissen zu dem neuartigen Virus.

In welchen Fällen sagt das Gesundheitsamt Veranstaltungen ab?

Das Robert-Koch-Institut als zuständige Behörde für u.a. Infektionskrankheiten hat inzwischen Handlungsempfehlungen für Großveranstaltungen veröffentlicht (vgl. COVID-19 Allgemeine Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung für Großveranstaltungen des Robert-Koch-Institutes), anhand derer die Zumutbarkeit der Durchführung einer Veranstaltung beurteilt werden kann.

Maßgebliche Kriterien sind hierbei, insbesondere die Dauer der Veranstaltung, Gegebenheiten der Örtlichkeiten, Möglichkeiten zur Händehygiene, Teilnahme von Risikogruppen etc.

Je mehr Faktoren vorliegen, welche eine Infektionsgefahr erhöhen, desto eher ist eine Unzumutbarkeit der Durchführung der Veranstaltung anzunehmen.

Exemplarisch: Bei Großveranstaltungen mit internationalen Bezügen und Besuchern aus Risiko-Gebieten ist in der Regel die Infektionsgefahr höher als bei kleineren, regional geprägten Veranstaltungen, die in einem Gebiet stattfinden, wo es bislang keine gemeldeten Infizierten gab. Bestehen hingegen eine gute sanitäre Versorgung, viele Möglichkeiten zur regelmäßigen Händedesinfektion und haben die Besucher der Messe genügend Freiraum zur Bewegung, anstatt im dichten Gedränge zu stehen, liegt keine Unzumutbarkeit vor und die Messe kann stattfinden.

Die Unzumutbarkeit ist der „höheren Gewalt“ gleichzustellen. Beides ist im Rahmen einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles mit äußerster Vorsicht zu entscheiden, da fehlerhafte Erwägungen zu erheblichen Schadensersatzpflichten des Veranstalters führen.

Im Ergebnis geht eine Durchführung der Veranstaltung zu einem Ersatztermin als milderes Mittel einer Absage vor. Erst wenn keine Verschiebung möglich ist, ist eine vollständige Absage zulässig mit den bereits ausgeführten Kostenfolgen für Veranstalter oder Kunden.

Wer zahlt im Falle eines Ersatztermins?

Wird das Event lediglich verschoben, nicht aber aufgehoben, behalten die zuvor erstellten Tickets der Kunden ihre Gültigkeit und können zu dem Ersatztermin als Eintrittskarte verwendet werden.

Rechtlich bedeutet eine Verschiebung, dass es den Vertragsparteien zumutbar ist, die Veranstaltung stattfindet zu lassen und lediglich den Termin zu ändern. Statt des Anspruchs auf Lösung vom Vertrag, den der Veranstalter im Falle höherer Gewalt hat, bleibt dem Veranstalter ein Recht auf Anpassung des Vertrages gegenüber den Kunden. Der Vertrag bleibt bestehen, sodass sich an den grundsätzlichen Vergütungspflichten nichts ändert, sprich: Eine Erstattung der Kosten für die Tickets erfolgt nicht. Die Anpassung geschieht in Bezug auf das Datum.

Ist eine Verschiebung aufgrund der Art der Veranstaltung, insbesondere bei Termindichten Veranstaltungen wie jährlich stattfindenden Messen, wiederum gar nicht möglich, so kann sich der Veranstalter durch Rücktritts- oder Kündigungserklärung vom Vertrag insgesamt lösen.

Wie wirkt sich eine Verschiebung auf die Messe-Aussteller aus?

Zur Vorbereitung oder Durchführung der Messe hat der Veranstalter auch Verträge mit den Ausstellern und anderen Dienstleistern geschlossen. Wird der Termin zur Durchführung der Messe verschoben, bestehen die geschlossenen Verträge grundsätzlich fort. Der Aussteller oder Caterer ist verpflichtet, zum neuen Datum seine Pflichten zu erfüllen, sich dort zu präsentieren.

Kann er dies nicht, beispielsweise aufgrund von Terminkollisionen mit anderen Veranstaltungen, bekommt er höchstens einen Teil seiner Standgebühren erstattet. Der Veranstalter war dann grundsätzlich in der Lage, die Veranstaltung durchzuführen und seinen Teil der Verpflichtung erfüllen, sodass die Absage in den Risiko-Bereich des Ausstellers fiele.

 

Dr. Jörg Wernery
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Katharina Müller
Rechtsanwältin

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