Vor Einführung der UG in Deutschland war Voraussetzung der Haftungsbeschränkung bei unternehmerischem Handeln die Gründung einer GmbH oder Aktiengesellschaft. Beide hatten den Nachteil eines relativ hohen Gründungsaufwandes, insbesondere der Notwendigkeit der Befreiung mindestens der Hälfe des Haftungskapitals z. B. einer GmbH von 12.500,00 Euro oder sogar 25.000,00 Euro bei Gründung einer Ein-Personen-Gesellschaft. Da dies häufig bei Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit, insbesondere für junge Gesellschaften, nicht möglich war, waren viele Unternehmer auf die Idee gekommen, eine Limited (Ltd.) nach englischem Recht mit Sitz in Großbritannien zu gründen, die jedoch tatsächlich nicht in Großbritannien, sondern in Deutschland oder anderen Mitgliedsstaaten der EU tätig werden sollte. Der Gründungssitz war dann z. B. in London, während der tatsächliche Geschäftssitz sich z. B. in Köln befand.

Ein solches Konstrukt war eigentlich nach deutschem Recht nicht möglich. Im deutschen Recht gilt, dass die Gesellschaft dort ihren Sitz hat, wo die Organe der Gesellschaft die wesentlichen gesellschaftlichen Entscheidungen treffen, vulgo am Sitz der Geschäftsleitung. Ist dieser effektive Sitz einer Gesellschaft ermittelt, so hat die Gesellschaft das Privileg der Haftungsbeschränkung nur dann, wenn sie eine Rechtsform aufweist, die nach nationalem Recht eine Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der Gesellschaft gewährleistet, also z. B. AG oder GmbH.

Dies folgt aus der sogenannten Sitztheorie, die in den meisten europäischen Staaten gilt. Daneben gibt es jedoch Staaten, deren Gesellschaftsrecht von der sogenannten Gründungstheorie geprägt wird. Danach gilt, dass eine einmal ordnungsgemäß in einem EU-Land gegründete Gesellschaft auch durch Verlegung des Sitzes der Geschäftsleitung in ein anderes Land die ursprünglich gewählte Rechtsform mit den daran hängenden Folgen wie z. B. der Haftungsbeschränkung beibehält. Zu den Staaten, in denen die Gründungstheorie gilt, gehören Großbritannien und die Niederlande. Fraglich war, ob die Sitztheorie-Staaten als aufnehmende Rechtsordnungen die vorstehende Rechtsfolge akzeptieren mussten oder ihrerseits die Sitzheorie anwenden durften.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat dies in den Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art unter Berücksichtigung der Grundfreiheiten der EU zu Gunsten der Gründungssitzstaaten entschieden.

Danach wären die Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt, wenn eine ordnungsgemäß in einem EU-Land, also z. B. Großbritannien und Niederlande errichtete Gesellschaft nicht das Recht hätte, sich in einem anderen EU-Staat unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Rechtsform niederzulassen.

Exemplarisch wird der Streit am Sachverhalt der Entscheidung „Überseering“: Hier ging es um die Überseering BV, die am Überseering in Düsseldorf ein Bauvorhaben durchführte. Nach Ansicht der Überseering BV als Bauherrin war das Objekt mangelhaft erstellt worden. Deshalb verklagte die Überseering BV den Bauunternehmer vor dem Landgericht Düsseldorf. Das Gericht wies die Klage ab, weil es feststellte, dass die gesamte Geschäftstätigkeit der Überseering BV in Düsseldorf ausgeübt wurde. In Deutschland gibt es jedoch keine B.V. Diese entspricht zwar in ihrer Struktur der deutschen GmbH. Eine Umwandlung oder Neugründung hatte jedoch nicht stattgefunden. Da eine GmbH nur mit Eintragung in das Handelsregister wirksam entstehen kann, handelte es sich bei dieser Gesellschaft dann nach dem deutschen Recht um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese war seinerzeit noch nicht rechtsfähig, weswegen die Klage mangels Aktivlegitimation abgewiesen wurde.

Hiergegen ging die Überseering BV in das Rechtsmittel, wobei das Berufungsgericht die Frage dem EuGH vorlegte. Dieser entschied, dass nach Maßgabe des EU-Rechts eine wirksam nach dem Recht eines Gründungssitzstaaten errichtete Gesellschaft auch mit Sitz im Ausland als solche anerkannt werden muss.

Die Entscheidungen Centros und folgende setzten einen Boom von Gründungen von Limiteds in Gang, bis der deutsche Gesetzgeber reagierte und die Unternehmergesellschaft (UG) gründete.

Harter BREXIT – entfällt die Haftungsbeschränkung?

Gleichwohl gibt es noch eine Vielzahl von in Deutschland und anderen EU-Staaten außerhalb von Großbritannien agierenden Limiteds. Was aber passiert mit diesen Limiteds, wenn es zu einem (harten) BREXIT kommt?

In diesem Fall wäre eine in Deutschland ansässige Limited eine ordnungsgemäß nach dem Recht des Gründungsstaates errichtete Gesellschaft, die sich jedoch nach dem BREXIT nicht mehr in Bezug auf Großbritannien auf die Rechte aus den EU-Verträgen berufen kann. Der EU-Sitztheoriestaat muss keine ausländischen Gesellschaften aus Drittstaaten, d. h. Nicht-EU-Ländern akzeptieren. In diesem Fall gilt die Sitztheorie. Eine Limited wäre danach entweder eine GbR, OHG oder – falls nicht mehrere Gesellschafter vorhanden sind – allein handelnd oder eingetragener Kaufmann (e. K.), nicht aber eine Limited (Ltd.).

Folge ist, dass das Privileg der Haftungsbeschränkung entfällt und, so unsere Ansicht, mit einem harten BREXIT, der diese Frage nicht regelt, die handelnden Gesellschafter persönlich mit ihrem gesamten Vermögen haften.

Die Situation ist misslich. Begegnen könnte man ihr durch eine Umwandlung – z. B. in eine deutsche GmbH. Hierfür dürfte allerdings die Zeit kaum ausreichen, da der Auftrag der Umwandlung nach englischem Recht zwei Monate ausliegen muss, bevor der Umwandlungsprozess effektiv begonnen werden kann. Hinzu kommt, dass nach allgemeiner Erfahrung Limiteds, die bisher noch nicht umgewandelt wurden, finanziell nicht immer auf Rosen gebettet sind und die Umwandlung einer englischen Limited in z. B. eine deutsche GmbH die Hinzuziehung von Spezialisten, die sich mit beiden nationalen Gesellschaftsrechten auskennen, erfordert.

Jedenfalls aber sollten die betroffenen Gesellschafter/Geschäftsführer sich Gedanken zu dieser Frage machen und ihre Anwälte oder Steuerberater kontaktieren. Eine pauschale Lösung können wir hier nicht anbieten, da im Einzelfall zu entscheiden sein dürfte, ob möglicherweise eine Liquidation oder ein Verkauf des Anlagevermögens billiger sein könnte als eine Umwandlung, falls zu dieser noch Zeit ist; auf der anderen Seite besteht immer das Risiko der Aufdeckung stiller Reserven. Die möglichen Fallgestaltungen sind zu individuell, als dass wir an dieser Stelle eine allgemeine Empfehlung abgeben könnten.

 

Guido Imfeld
Rechtsanwalt / Avocat / Advocaat
Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil