Mandanten und Presse (z. B. Grenz-Echo vom 15.09.2012: „Zoll St. Vith macht wieder Jagd auf Schilder-Sünder“) berichten über verschärfte Kontrollen des belgischen Zolls und über die Beschlagnahme von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen, die von in Belgien wohnhaften Personen gefahren werden. Dies betrifft vor allem hochwertige Firmenfahrzeuge. Rechtsgrundlage ist Artikel 33 des Gesetzes über die Verkehrssteuer aus 2010, das erheblich strengere Sanktionen als vordem vorsieht.

Grundsätzlich gilt, dass ein privat genutztes Fahrzeug in dem Wohnsitzland des Betreffenden zugelassen werden muss. Firmenfahrzeuge werden hingegen in dem Land zugelassen, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Belgien verlangt jedoch den Nachweis der Zulässigkeit der Nutzung eines ausländischen Firmenfahrzeugs in Belgien mittels einer sog. Mehrwertsteuerbescheinigung. Rechtsgrundlage ist der Königliche Erlass vom 20.07.2001 in der geänderten Fassung vom 16.11.2010, erläutert in dem Rundschreiben 43/2006.

Kontrollen finden wieder häufiger statt, nachdem in den letzten Jahren ein gewisser Burgfrieden eingekehrt war. Leider schießt Belgien dabei über das Ziel hinaus und sucht durch gesetzliche Regelungen und die Verwaltungspraxis die zulässige Nutzung von ausländischen Firmenfahrzeugen in Belgien in europarechtswidriger Weise zu beschränken.

Ursprünglich wollte Belgien die Nutzung ausländischer Firmenfahrzeuge nur zulassen für Mitarbeiter ausländischer Unternehmen, denen das Recht zur Nutzung eines Firmen-PKWs im Arbeitsvertrag zugestanden war. Der Arbeitsvertrag musste die Tatsache der Überlassung des Pkw, der privaten Nutzung und, soweit vorgesehen, der Nutzung durch Familienmitglieder, ausdrücklich erwähnen. Voraussetzung für die Gestattung der Nutzung eines solchen Pkw auf belgischem Territorium war Weisungsgebundenheit als Tatbestandsvoraussetzung (sog. lien de subordination).

Infolge dessen konnten Gesellschafter/Geschäftsführer, Selbständige und Freiberufler keine Firmen-Pkw nutzen. Denn ihnen fehlte das Merkmal der Weisungsgebundenheit. Sehr schnell wurde deutlich, dass eine solche Regelung gegen wesentliche Prinzipien der Personenfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, die das EU-Recht garantiert, verstoßen.

Nach mehreren Verfahren, die vor dem Europäischen Gerichtshof geführt wurden und bei denen Belgien regelmäßig unterlag, ist aktueller Status Quo, dass es als in Belgien Gebietsansässiger zulässig ist, ein ausländisches Firmenfahrzeug zu führen und auch privat zu nutzen, und zwar nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Gesellschafter/Geschäftsführer. Die Rechtsprechung zum Gesellschafter/Geschäftsführer ist analog auf Selbständige und Freiberufler übertragbar.

Maßgeblich ist die Rechtslage gemäß Rundschreiben 43/2006. Ausdrücklich erwähnt dieses Rundschreiben allerdings nur Mitarbeiter eines Unternehmens und deren angestellte Geschäftsführer. Freiberufler und Selbständige werden nicht gesondert erwähnt, was zu einer bedauerlichen Rechtsunsicherheit führt. Diese Personenkreise werden jedoch nach Praxis der zuständigen Mehrwertsteuerbehörde z.B. in Eupen und Verviers trotz fehlender Erwähnung toleriert. Der Unterzeichner hat bereits mehrere solche Anträge mit Erfolgt gestellt.

Ärgerlich bleibt dabei trotzdem, dass sowohl das zur Anmeldung zu verwendende Formular wie auch das Rundschreiben nicht auf die Situation eines Freiberuflers, Selbständigen oder Gesellschafter/Geschäftsführers abstellen. Denn in den abzugebenden Erklärungen wird die Bestätigung des Arbeitgebers zur Nutzung des Firmenfahrzeuges zu privaten Zwecken gefordert bzw. es ist der Nachweis einer effektiven Tätigkeit in einer Gesellschaft zu erbringen. Ein Arbeitsvertrag ist zum Zwecke des Erhalts der Genehmigung vorzulegen. Hieran fehlt es bei Selbständigen oder Freiberuflern häufig. Selbständige und Freiberufler sind regelmäßig nicht in der Lage, den geforderten Nachweis zu erbringen. Hieran fehlt es regelmäßig auch bei Geschäftsführern einer (deutschen) Ein-Mann-GmbH, die nicht gesondert über einen Dienstvertrag angestellt sind. In der Verwaltungspraxis wird das Problem zwar pragmatisch gelöst. Der Erhalt der Bescheinigung für einen Selbständigen, Freiberufler oder nicht angestellten Geschäftsfürer ist allerdings regelmäßig mit einem höheren Verwaltungsaufwand verbunden. Das Formular kann bereits nicht in der vorgesehenen Form verwendet werden.

Daneben enthält das Rundschreiben aber nach wie vor Restriktionen, die mit europäischen Grundfreiheiten nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. So muss der Betreffende z.B. versichern, dass er das Fahrzeug nur ausnahmsweise privat nutzt und sich regelmäßig zu seiner Arbeitsstätte ins Ausland begibt, während z.B. der Fahrer eines belgischen Firmenfahrzeuges sich derartigen Beschränkungen seines privaten Nutzungsanteils nicht ausgesetzt sieht.

Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum ein im Ausland zugelassenes Firmenfahrzeug nur ausnahmsweise und akzessorisch privat genutzt werden kann, wenn diese Beschränkung bei reinen Inlandssachverhalten nicht vorgesehen ist. Grenzüberschreitende Sachverhalte werden daher benachteiligt. Denn maßgebliches Kriterium der Zulässigkeit ist die nach dem jeweiligen nationalen Recht zu prüfende Eigenschaft eines Fahrzeuges als Firmenfahrzeug. In Deutschland muss das Fahrzeug z.B. überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % betrieblich genutzt werden. Nach diesseitiger Auffassung ist es europarechtswidrig, in Belgien zusätzliche und strengere Kriterien vorzusehen.

Ferner sieht das Rundschreiben nur die Genehmigung für ein Fahrzeug pro Person vor. Wie verhält es sich allerdings mit Selbständigen, die z.B. aufgrund eines Saisonkennzeichens verschiedene Fahrzeuge nutzen oder die sich einfach die Freiheit nehmen, mehrere Fahrzeuge im Betrieb vorzuhalten – wobei sie für alle Fahrzeuge Steuern zahlen und die private Nutzung als geldwerten Vorteil versteuern? Für Inlandssachverhalte ist dies sowohl in Belgien wie auch in Deutschland ohne weiteres zulässig. Auch hier ist nicht ersichtlich, warum Gebietsansässige, die im Ausland arbeiten, weniger Rechte haben als Gebietsansässige, die in Belgien tätig sind.

Problematisch sind auch Fälle, in denen die betreffende Person sowohl ein Unternehmen in Belgien wie auch im Ausland hat oder für zwei Unternehmen tätig ist. Unter Ziffer 4 des Antragsformulars muss der Antragsteller bestätigen, dass der Fahrzeugführer in dem Fall, in dem das ausländische Unternehmen (auch) einen Sitz in Belgien hat, ausschließlich für den ausländischen Sitz tätig ist.

Unbestimmt ist bereits der Begriff des Sitzes (siège). Ein deutsches Unternehmen kann z.B. in Belgien keinen Sitz haben, sondern allenfalls eine unselbständige Niederlassung in Form einer Betriebsstätte. Gründet das deutsche Unternehmen eine selbständige Niederlassung, z.B. in Form einer SPRL, handelt es sich nicht um einen Sitz des ausländischen Unternehmens, sondern um eine Tochtergesellschaft mit eigenständigem Sitz. Hinzu kommt entscheidend aber folgendes: Knüpft man an die Tatbestandsvoraussetzung eines Betriebsfahrzeuges an, d.h. überwiegende Nutzung für den ausländischen Betrieb, ist die Einschränkung, dass der Mitarbeiter ausschließlich nur für das ausländische Unternehmen arbeitet, nach diesseitiger Auffassung nicht zulässig. Denn es kommt ja nicht auf die Tätigkeit an, sondern auf die konkrete Nutzung des PKW. Eine Bestätigung, wonach der Mitarbeiter das Fahrzeug ausschließlich für Tätigkeiten für die ausländische Betriebsstätte nutzt, könnte, wenn auch mit großen Bedenken, noch angehen. Dass er allerdings für die inländische Betriebsstätte überhaupt nicht arbeiten darf, wenn er die Mehrwertsteuerbescheinigung erhalten möchte, d.h., selbst wenn er das Fahrzeug dafür nicht nutzt, ist eine unzulässige Einschränkung. Das gilt insbesondere, wenn sowohl für das belgische wie auch das deutsche Unternehmen jeweils ein Firmenfahrzeug vorgehalten und damit sichergestellt wird, dass eine Nutzung des ausländischen Fahrzeugs für das belgische Unternehmen unterbleibt. Für eine Tätigkeitsbeschränkung ist kein Raum.

Liegen die Voraussetzungen gemäß dem Rundschreiben vor, kann der Betreffende bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Mehrwertsteueramt die Genehmigung zum Führen eines im Ausland zugelassenen Firmenfahrzeugs für die Dauer von zwei Jahren, jeweils verlängerbar, beantragen. Hierüber erhält er eine Bescheinigung, die zwingend in dem betreffenden Fahrzeug mitzuführen ist.

Bei Kontrollen durch Zollbehörden oder Polizei stellt sich daher die materiell-rechtliche Frage der Berechtigung zum Führen eines ausländischen Firmenfahrzeugs nicht. Das Nichtvorliegen der Bescheinigung stellt als solche eine Ordnungswidrigkeit dar. Dies hat im Zuge der in letzter Zeit wieder verschärften Kontrollmaßnahmen in einigen Fällen zur Beschlagnahme von Fahrzeugen geführt, wenn der Betreffende sich weigerte oder nicht in der Lage war, unverzüglich das Bußgeld (in Höhe von zurzeit 250,00 Euro) und die in Einzelfällen vor Ort nacherhobenen Steuern zu entrichten. Bei Nichtzahlung an Ort und Stelle kann das Fahrzeug einbehalten werden. Erfolgt die Zahlung sodann nicht innerhalb von 4 Tagen, wird die endgültige Beschlagnahme angeordnet.

Allerdings hat das Gericht Erster Instanz in Eupen am 04.09.2012 entschieden, dass eine Beschlagnahme des PKW wegen der Steuern nicht zulässig sei. Das Gericht befand in dem Fall, dass die Zollbehörde zwar befugt gewesen wäre, wegen des Nichtvorliegens der Bescheinigung ein Bußgeld zu verhängen, jedoch nicht berechtigt war, die angeblich hinterzogenen Steuern an Ort und Stelle zu erheben bzw. das Fahrzeug nach Weigerung des Halters, die Steuern nachzuzahlen, zu beschlagnahmen. Denn der Zoll sei nicht zur Ausstellung eines Steuerbescheides befugt. Die Beschlagnahme war daher rechtswidrig und dem Eigentümer des Fahrzeugs – eine Luxemburgische Leasingfirma – wurde eine Entschädigung von 25,00 Euro pro Tag der Beschlagnahme zugesprochen. Gegen dieses Urteil ist der belgische Staat in Berufung gegangen, doch können wir davon ausgehen, dass zurzeit keine Beschlagnahme mehr wegen Steuerrückstandes stattfindet.

Allerdings sollten Fahrer ausländischer Fahrzeuge sich darüber im Klaren sein, dass die belgischen Behörden ihre Kontrollbemühungen verschärft und jedenfalls das Recht haben, das Vorliegen der Mehrwertsteuerbescheinigung zu kontrollieren. Es sollte daher dafür Sorge getragen werden, durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung im Rahmen des Möglichen Rechtskonformität herzustellen.


Guido Imfeld
Rechtsanwalt (Aachen (D) / Eupen (B))
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil