In das Recht der Arbeitnehmerüberlassung ist durch beabsichtigte Gesetzesvorhaben Bewegung gekommen. Nachdem im letzten Standpunkt die zulässige Höchstdauer einer Arbeitnehmerüberlassung thematisiert wurde, soll im vorliegenden Beitrag die Problematik der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung durch Abschluss von Scheinwerkverträgen oder Dienstverträgen näher betrachtet werden.

Werkvertrag und Dienstvertrag – Zulässige Ausweichstrategie oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung?

I. Ausgangslage und Problemstellung

Zur Umgehung der gesetzlichen Einschränkungen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und zur Kostenreduzierung decken zahlreiche Unternehmen ihren Bedarf an Fremdpersonal durch den Abschluss von Dienst- und Werkverträgen mit externen Anbietern ab. Solange es sich dabei um echte Dienst- oder Werkverträge handelt, ist dies selbstverständlich ein legitimer Ausdruck arbeitsteiligen Wirtschaftens. Handelt es sich hingegen tatsächlich nicht um echte Dienst- oder Werkverträge, so liegt eine Umgehung des AÜG vor, die Politik und Gesetzgeber ein Dorn im Auge ist.

Charakteristisch für einen echten Dienst- oder Werkvertrag ist die eigene Verantwortung des Dienstverpflichteten/Werkunternehmers für die vereinbarten Dienste bzw. das geschuldete Werk. Der echte Dienstverpflichtete/Werkunternehmer organisiert die zur Erreichung der vertraglich vereinbarten Leistungen im Rahmen einer eigenen betrieblichen Organisation. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen ausschließlich den Weisungen des Dienstverpflichteten/Werkunternehmers. Besteht hingegen die nach dem Dienst- bzw. Werkvertrag geschuldete Leistung ausschließlich in der Bereitstellung von Personal, das im Betrieb des Dienstberechtigten bzw. Besteller des Werkes eingesetzt wird und von dessen Weisungen abhängig ist, handelt es sich um (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung.

Beauftragt beispielsweise ein Maschinenhersteller einen Werkunternehmer, ein bestimmtes mechanisches Teil einer Maschine zu bauen und fertigt der Werkunternehmer dieses Teil mit eigenen Arbeitnehmern in seinem eigenen Betrieb an, so liegt unzweifelhaft ein Werkvertrag vor. Stellt der Werkunternehmer hingegen lediglich Arbeitnehmer zur Verfügung, die im Betrieb des Auftraggebers und von dessen Weisungen abhängig das Maschinenteil anfertigen, liegt kein Werkvertrag vor, sondern eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung.

Das AÜG sieht für den Fall einer Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis der Agentur für Arbeit vor, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich zahlreiche (Schein-)Werkunternehmer „auf Vorrat“ eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erteilen. Sollte sich dann -etwa im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung- erweisen, dass der vermeintliche Werkvertrag tatsächlich als Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten ist, verhindert bislang die vorsorglich besorgte Erlaubnis das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber des Werkunternehmers und dem zur Erstellung des „Werkes“ eingesetzten (Leih-)Arbeitnehmer.

II. Aktuelle Entwicklung

Der Gesetzgeber beabsichtigt nunmehr, rechtsmissbräuchliche dienst- oder werkvertragliche Gestaltungen stärker zu unterbinden. Hierzu soll den Parteien des vermeintlichen Dienst- oder Werkvertrags der Schutz der „auf Vorrat“ beantragten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis genommen werden.

Sowohl der Koalitionsvertrag der aktuellen großen Koalition als auch ein vom Bundesrat eingebrachter Gesetzesentwurf zur Änderung des AÜG sehen vor, dass die „verdeckte“ Arbeitnehmerüberlassung durch Scheinwerk- oder Dienstverträge der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gleichzustellen ist. Das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis soll künftig nur dann noch das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher verhindern, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher eindeutig und offen als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und gerade nicht als Werk- oder Dienstvertrag gekennzeichnet ist. Sollte die beabsichtigte Gesetzesänderung verabschiedet werden, wovon derzeit auszugehen ist, führt damit jeder Scheinwerk- oder Dienstvertrag dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem vermeintlichen Dienstberechtigten/Werkbesteller und dem vom Dienstverpflichteten/Werkunternehmer eingesetzten Arbeitnehmer zu Stande kommt.

III. Fazit

Durch die beabsichtigte Änderung des AÜG wird das Schlupfloch der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung mit vorhandener Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vom Gesetzgeber geschlossen. Jeder Unternehmer, der seinen Personalbedarf zumindest teilweise über Dienst- oder Werkverträge mit anderen Unternehmen deckt, sollte schnellstmöglich kritisch prüfen, ob es sich bei diesem Fremdpersonaleinsatz um echte Dienst- bzw. Werkverträge handelt oder ob tatschlich eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Im Letzteren Fall ist der betroffene Unternehmer gut beraten, seine Personalplanung an die demnächst wohl geänderte Gesetzeslage anpassen. Ansonsten läuft er Gefahr, dass sich am Ende seine Belegschaftsstärke durch zahlreiche fingierte Arbeitsverhältnisse mit unerlaubt eigesetzten Leiharbeitnehmern deutlich erhöht.


Dr. Jörg Wernery
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Über den Autor

  • Dr. Joerg Wernery

    Dr. Jörg Wernery ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 1999 und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Weitere Fachgebiete sind Erbrecht, Vermögensnachfolge und Stiftungen sowie Vertragsgestaltung. Zum Anwaltsprofil