Kurze Betrachtung zu „Ohne-Rechnung-Abreden“ im deutschen und belgischen Recht

Ulli Hoeneß hat wahrscheinlich viele Steuern hinterzogen. Herr Zumwinkel wahrscheinlich auch. Boris Becker ebenfalls. Die Empörung ist groß, wenn solche Fälle ans Tageslicht kommen. Nicht ans Tageslicht kommen jedoch zig-tausendfache jährlich vorkommende Abreden über die „dokumentenlose“, das heißt, Erbringung von Werk- und Dienstleistungen ohne Ausstellung einer Rechnung. Der dadurch verursachte volkswirtschaftliche Gesamtschaden in der Bundesrepublik Deutschland dürfte leicht bei über einer Milliarde Euro liegen. Wie der Kabarettist Dieter Nuhr so schön sagt: „Werfe den ersten Steuerbescheid, wer ohne Schuld ist.“

Neben moralischen Aspekten der Steuerehrlichkeit und der Solidarität haben solche Abreden über die Erbringung von „Schwarzgeschäften“ aber auch handfestliche zivilrechtliche Folgen.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Änderung der Rechtsprechung des BGH zu den Rechten des Bestellers bei Erbringung von Werkleistungen ohne Rechnung.

Der BGH hat seine Rechtsprechung zu Schwarzgeschäften („Lieber ohne Rechnung“) mit Bezug auf das in 2004 in Kraft getretene Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetz geändert. Bislang sah der BGH den eigentlichen Werkvertrag als getrennt von der „Ohne-Rechnung-Abrede“ an. Dies führte zur Anwendbarkeit des § 139 BGB, wonach bei Nichtigkeit eines Teils eines einheitlichen Rechtsgeschäftes im Zweifel Nichtigkeit des Gesamtgeschäftes anzunehmen war, jedoch diese Vermutung widerlegt werden konnte. Aufgrund der Annahme einer generalpräventiven Wirkung des Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetzes geht der BGH nunmehr jedoch seinem Urteil vom 01.08.2013 (VII ZR 6/13) von einer Gesamtnichtigkeit gemäß § 140 BGB aus.

Konsequenz dessen ist, dass das Geschäft nebst Rechnungsabrede insgesamt nichtig ist. Der Unternehmer kann seinen Werklohn daher nicht aus § 631 BGB bzw. Vertrag fordern, da diese vertragliche Anspruchsgrundlage entfällt. Er kann lediglich Wertersatz verlangen.

Da die erbrachte Leistung in aller Regel nicht rückabgewickelt werden kann, sei es, weil Material verbaut und in das Eigentum des Bestellers übergegangen ist, sei es, weil bei Dienstleistungen Zeit aufgewandt wurde, die nicht mehr zurück gegeben werden kann, verbleibt lediglich die Rückabwicklung, indem dem Unternehmer ein Bereicherungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gewährt wird. Dieser berechnet sich nach § 818 Abs. 2 BGB auf den Wertersatz. Der Wertersatz setzt bei der ortsüblichen Vergütung an, gibt dem Unternehmer jedoch keinen Anspruch, der der Höhe nach dem § 631 Abs. 2 BGB entsprechen würde. Denn, dies ist die zweite Folge der Gesamtnichtigkeit aufgrund des Fehlens von Gewährleistungsansprüchen: Eine ohne Rechnung erbrachte Leistung ist weniger wert als eine ordnungsgemäß dokumentierte Leistung, aus der der Besteller – im Gegensatz zum Schwarzgeschäft – Gewährleistungsansprüche geltend machen kann. Denn aus der Annahme der Gesamtnichtigkeit des Geschäfts folgt, dass der Besteller eben keine Gewährleistungsansprüche hat.

Insoweit gilt: Aus Gründen der Steuerehrlichkeit sollte vielleicht von einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ abgesehen werden; aus rechtlichen Gründen aber in jedem Fall. Denn im Falle eines Streites über die Höhe der Vergütung oder das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen lässt sich kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen. Der Besteller hat keine Gewährleistungsansprüche; der Unternehmer kann seinen Werklohnanspruch kaum gerichtlich durchsetzen. Jeder Gang vor die Gerichte würde unverzüglich bei Offenlegung der Ohne-Rechnung-Abrede zu einer Weiterverfügung der Akte durch den befassten Richter an die Staatsanwaltschaft und die Steuerfahndung führen.

 

Und in Belgien?

In Belgien sind ebenfalls keine Gewährleistungsansprüche bei einem Schwarzgeschäft einforderbar. Ansprüche, die einen wertmäßigen Betrag von 375 € übersteigen, können nach belgischem Recht gemäß Artikel 1341 Code Civil auch nur durch ein Schriftstück bewiesen werden. Dieses Schriftstück ist der Auftrag oder eben, fehlt es an einem Auftrag, die Rechnung.

Liegen weder Auftrag noch Rechnung vor, ist der Nachweis naturgemäß nicht möglich, wobei im Übrigen hinsichtlich Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit das oben Gesagte gilt.

Der Besteller muss dabei übrigens in Belgien aufpassen: Der Einwand der fehlenden Schriftlichkeit gilt auch für Erfüllung von Forderungen. Das heißt, die Zahlung des Werklohns nach erbrachter Leistung bar auf die Hand führt dazu, dass der Unternehmer theoretisch und auch praktisch – dem Unterzeichner sind eine Vielzahl solcher Fälle bekannt – den Werklohn zweimal fordern kann. Denn der Unternehmer kann die Erbringung der Leistung faktisch nachweisen und könnte die Ohne-Rechnung-Abrede schlichtweg bestreiten. Der Besteller jedoch kann die Erfüllung der Forderung mangels Quittung nicht beweisen. Dies scheitert an der Beweisregel des Artikel 1341 Code Civil. Zeugenbeweis ist nach Gesetz ausgeschlossen.

Bei Werkleistungen für Privathäuser, die älter als fünf Jahre alt sind, lohnt sich übringes eine Schwarz-Abrede auch bereits wirtschaftlich nicht. Denn in Belgien gilt der ermäßigte Steuersatz von 6% auf Bau- und Renovierungsleistungen an privaten Immobilien. Für 6% auf Gewährleistungsansprüche zu verzichten, erscheint nicht sinnvoll.


Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil