Gewährleistungsansprüche bezeichnen die Ansprüche des Käufers, wenn die Sache nicht vertragskonform ist, d. h. mangelhaft.

1. Der Begriff des Sachmangels

Artikel 35 CISG fasst das Pflichtenregime des Verkäufers in sehr verständlicher Art und Weise zusammen:

„Der Verkäufer hat Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich Verpackung oder Behältnis den Anforderungen des Vertrages entspricht.“

Andres ausgedrückt: Die Abweichung des Ist-Zustandes der gelieferten Sache vom Soll-Zustand der vertraglich vereinbarten Kaufsache zum Nachteil des Käufers ist ein Mangel. Das Pflichtenregime des Verkäufers wird daher maßgeblich durch den Vertrag bestimmt.

Häufig kommt es jedoch vor, dass die Parteien keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen treffen. Dann entspricht die Ware dem Vertrag nur, so Artikel 35 CISG, a) wenn sie sich für die Zwecke eignet, für die Ware der gleichen Art gewöhnlich gebraucht wird; b) wenn sie sich für einen bestimmten Zweck eignet, der dem Verkäufer bei Vertragsabschluss ausdrücklich oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurde, sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, dass der Käufer auf die Sachkenntnis und das Urteilsvermögen des Verkäufers nicht vertraute oder vernünftigerweise nicht vertrauen konnte; c) wenn sie die Eigenschaften einer Ware besitzt, die der Verkäufer dem Käufer als Probe oder Muster vorgelegt hat; d) wenn sie in der für Ware dieser Art üblichen Weise oder, falls es eine solche Weise nicht gibt, in einer für die Erhaltung und den Schutz der Ware angemessenen Weise verpackt ist.

§ 434 BGB, die deutsche Sachnorm, drückt es wie folgt aus:

„Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln

1) wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2) wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich sind und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.“

Ergänzend stellt § 434 Abs. 3 BGB klar, dass zu der Beschaffenheit der Ware auch die Eigenschaften gehören, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen, insbesondere in der Werbung oder bei Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerungen nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Infolge dessen gehören auch werbliche Äußerungen, die der Verkäufer sich zurechnen lassen muss, zu dem Pflichtenregime. Beispielsweise sei genannt die Werbung eines Herstellers eines Pkw mit Verbrauchswerten, die das Autohaus als Vertragspartner des Käufers gegen sich gelten lassen muss.

Erwähnenswert ist ferner, dass gemäß § 434 Abs. 2 BGB ein Mangel vorliegt, wenn die Montageanleitung oder eine geschuldete Montage fehlerhaft ist.

Zuletzt wird gemäß § 434 Abs. 3 BGB die Lieferung einer anderen als der geschuldeten Sache oder einer zu geringen Menge als Sachmangel definiert.

Für unsere Zwecke kann man sagen, dass der Sachmangelbegriff des UN-Kaufrechts im Wesentlichen mit demjenigen des deutschen Rechts übereinstimmt, was deshalb nicht Wunder nimmt, weil das deutsche Recht bei der Schuldrechtsreform in 2002 sich an dem Sachmangelbegriff des UN-Kaufrechts orientierte.

Im belgischen Recht ist Artikel 1625 Code Civil einschlägig: Die gesetzliche Gewährleistung umfasst die störungsfreie Gebrauchsüberlassung im Sinne des Besitzes und der Nutzung der Sache; zweitens schuldet der Verkäufer Abwesenheit von versteckten Mängeln.

Artikel 1641 Code Civil präzisiert den Begriff des versteckten Mangels: Der Verkäufer haftet für versteckte Mängel der verkauften Sache, die diese unbrauchbar machen für den beabsichtigten Gebrauch oder die deren Brauchbarkeit derart mindern, dass der Käufer die Sache nicht gekauft hätte oder hierfür nur einen geringeren Preis bezahlt hätte, wenn er diesen Mangel gekannt hätte.

Das belgische Recht spricht bei der Gewährleistung nur von versteckten Mängeln. Artikel 1642 Code Civil bestimmt, dass der Verkäufer für offensichtliche Mängel, von denen der Käufer sich überzeugen konnte bzw. hätte überzeugen können, nicht haftet.

Infolge dessen ist bei Anwendbarkeit des belgischen nationalen Rechts höhere Aufmerksamkeit bei Spezieskauf, d. h. bei dem Kauf einer bestimmten Sache, sei sie neu oder gebraucht, gefordert als im deutschen Recht, wo gemäß § 442 BGB die Sachmängelhaftung nur dann ausgeschlossen ist, wenn dem Käufer ein Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages positiv bekannt war. Ist der Mangel dem Käufer infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, haftet der Verkäufer nur, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat oder eine (vertragliche) Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

Ein ähnliches Regime kennt Artikel 35 Abs. 3 CISG. Auch hier ist die Haftung für offensichtliche Mängel, die der Käufer bei Vertragsschluss kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte, ausgeschlossen.

2. Verjährungsfristen

Das UN-Kaufrecht trifft keine Aussage zur Länge der Verjährung. Die Verjährungsfristen bestimmen sich daher nach dem subsidiär anwendbaren nationalen Recht, hier also dem deutschen oder belgischen Recht.

a) Deutsches Recht

Im deutschen Recht verjähren Gewährleistungsansprüche bei beweglichen Sachen gemäß § 438 Abs. 1 Ziffer 3 BGB in zwei Jahren beginnend mit der Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 2 BGB).

Im deutschen Recht kann die Verjährungsfrist sich jedoch aufgrund von § 478 BGB auch auf bis zu fünf Jahre erstrecken. Dies gilt dann, wenn der Käufer der Sache Wiederverkäufer ist und die Kaufsache an einen Verbraucher veräußert. Der Verbraucher seinerseits hat eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab Lieferung der Sache. Wird der Wiederverkäufer vom Verbraucher auf Gewährleistung in Anspruch genommen, kann der Wiederverkäufer seinen Vorlieferanten in Anspruch nehmen, wobei die Ansprüche des Vorlieferanten frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt, in dem der Wiederverkäufer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat, verjähren. Diese Verjährung endet spätestens fünf Jahre nach dem Zeitpunkt der Lieferung.

Eine Verkürzung oder ein Ausschluss der Gewährleistung sind im deutschen Recht im Bereich B2B individualvertraglich zulässig. Durch AGB darf die Verjährung bei Verträgen über Lieferung neu hergestellter Sachen gemäß § 309 Ziffer 8 lit. ff BGB) jedoch auf maximal ein Jahr verkürzt werden.

Im deutschen Recht gibt es daneben die sogenannte Verwirkung. Verwirkung bedeutet dabei, dass eine Partei gegenüber der anderen Partei zu erkennen gibt, dass sie die ihr zustehenden Rechte nicht oder nicht mehr geltend machen möchte und bei der anderen Partei dadurch ein Vertrauenstatbestand gesetzt wird. Möchte man z.B. Gewährleistungsrechte oder Schadensersatzansprüche nicht verlieren, ist darauf zu achten, bei der anderen Partei nicht den Anschein zu erwecken, als nehme man Abstand von der Ausübung seiner Rechte.

b) Belgisches Recht

Im belgischen Recht beträgt die Verjährung für Sachmängel bei dem Verkauf beweglicher Sachen gemäß Artikel 2262bis § 1er Code Civil zehn Jahre.

Anders als Deutschland ist Belgien jedoch dem UN-Übereinkommen vom 14 Juni 1974 über die Verjährung beim internationalen Warenkauf am 01.03.2009 beigetreten. In internationalen Handelsgeschäften, jedoch nicht notwendigerweise solchen, die dem UN-Kaufrecht unterliegen, beträgt die Verjährungsfrist vier Jahre ab Lieferung der Sache (Artikel 10 Abs. 2).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung gibt es in Belgien nicht.

3. Die Hemmung und Unterbrechung von Verjährungsfristen

Verjährungsfristen können gehemmt und unterbrochen werden.

Hemmung bedeutet, dass Gewährleistungsansprüche sich um den Zeitlauf des Hemmungstatbestandes verlängern; Unterbrechung bedeutet, dass mit dem Unterbrechungstatbestand die Verjährungsfrist von neuem zu laufen beginnt.

a) Deutsches Recht

Im deutschen Recht wird die Verjährung gehemmt durch die Erhebung einer Klage oder die Zustellung eines Mahnbescheides, durch Streitverkündung, Aufrechnung im Prozess oder die Zustellung des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens.

Die Wirkung dieser Hemmung endet gemäß § 204 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung eines eingeleiteten Verfahrens. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn das Verfahren, z.B. durch Ruhen oder Nichtbetreiben, ins Stocken gerät: Der Hemmungstatbestand endet bei nicht beendeten Verfahren sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien. Daher kommt es vor, dass Gewährleistungsansprüche in einem laufenden Gerichtsverfahren verjähren können.

Ein weiterer, ganz maßgeblicher Hemmungsgrund ist in § 203 BGB genannt: Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende dieses Hemmungstatbestandes ein.

Eine Unterbrechung im Sinne von Neubeginn der Verjährung tritt im deutschen Recht gemäß § 212 Abs. 1 BGB ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt.

Die Anerkennung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, ausdrücklich z.B. durch formales Schreiben, wonach ein Gewährleistungsanspruch anerkannt wird. Stillschweigend jedoch, indem z.B. eine geforderte Nacherfüllung ohne Vorbehalt vorgenommen wird.

b) Belgisches Recht

Im belgischen Recht gibt es nur die Unterbrechung der Verjährung, entweder durch Klage oder Anerkenntnis. Die Verjährungsfrist beginnt daher in diesen Fällen neu zu laufen.

Die Verjährung wird gemäß Artikel 2244 Code Civil durch ein gerichtliches Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Verfahren unterbrochen. Artikel 2248 Code Civil kennt, wie das deutsche Recht, die Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntnis.

Ein maßgeblicher Unterschied zum deutschen Recht ist jedoch, dass Verhandlungen den Lauf der Verjährungsfrist nicht hemmen.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Verjährung im belgischen Recht zum Erlöschen der Forderung führt, während sie im deutschen Recht nur dann beachtet wird, wenn der Schuldner der Leistung sich auf diese im Wege einer Einrede beruft.

 

Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil