1. Gegenstand der Darstellung

Aufgrund der Globalisierung, der fortschreitenden digitalen Vernetzung der Produktion der Rechtsharmonisierung in der Europäischen Union und nicht zuletzt durch das Internet sind internationale Kaufverträge, ob mit Konsumenten oder im Bereich B2B, alltäglich geworden.

In unsere Beratungs-, aber auch insbesondere Prozesspraxis stellen wir allerdings häufig fest, dass dieser Umstand in Unternehmen und deren Vertragsmanagement häufig nicht systematisch angegangen oder in Verkennung des anwendbaren (europäischen und internationalen) Rechts sowie der in Frage kommenden Rechtsordnungen gehandelt wird.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit internationalen Kaufverträgen im Bereich B2B unter Berücksichtigung des deutschen und des belgischen Rechts.

Maßgeblich beschäftigt sich dieser Beitrag mit dem, was zwischen der Entstehung eines Gewährleistungsanspruches und dessen Verfristung, noch vor der Verjährung geschehen kann, anders gesagt: Wie schnell man, obwohl die Verjährungsfrist noch gar nicht abgelaufen ist, feststellen muss, dass man sichergeglaubte Gewährleistungsansprüche bereits verloren hat oder nicht mehr durchsetzen kann.

2. Die Ermittlung des anwendbaren Rechts in internationalen Verträgen

Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug verdrängen europäische Verordnungen nationales Recht. Das sogenannte Internationale Privatrecht der einzelnen Staaten ist in der EU durch die Rom-I- und Rom-II-Verordnungen vollständig verdrängt worden.

Das Internationale Privatrecht bezeichnet dabei die Rechtsinstitute, die es erlauben, bei Fällen, die Bezug zu zwei oder mehr Rechtsordnungen haben, das auf den konkreten Sachverhalt anwendbare Recht zu bestimmen.

Die sogenannte Rom-I-Verordnung bezieht sich auf vertragliche Ansprüche, während die Rom-II-Verordnung sich auf außervertragliche Rechtsverhältnisse, also Deliktsrecht bezieht. Letzteres ist hier nicht Gegenstand der Darstellung.

Die Rom-I-Verordnung (mit vollem Titel: Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 17 Juni 2008) kennt zunächst den Grundsatz der freien Rechtswahl gemäß Artikel 3 der Verordnung. Gemäß Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Grundsätzlich besteht daher Vertragsfreiheit, die jedoch zwei Ausnahmen kennt.

Die erste Ausnahme, die hier nicht weiter von Interesse ist, ist diejenige, dass durch eine Rechtwahl bei B2C-Geschäften dem Konsumenten nicht der Schutz entzogen werden kann, der ihm bei Verbraucherverträgen nach seinem Heimatrecht gewährt würde. Die zweite Ausnahme ist diejenige, dass die Rechtswahl nicht willkürlich sein darf, d.h., es müssen zumindest nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Wahl einer Rechtsordnung vorliegen. Sind z.B., so der Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3, alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem anderen als demjenigen Staat belegen, dessen Recht gewählt wurde, berührt die Rechtswahl nicht die Anwendung derjenigen Bestimmung des Rechts dieses anderen Staates, die zwingend sind, d.h., von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.

Treffen die Parteien keine Rechtswahl, ergibt sich das anzuwendende Recht aus Artikel 4 der Rom-I-Verordnung. Gemäß Artikel 4 Abs. 1 lit. a) ist das bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen anzuwendende Recht das Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der gewöhnliche Aufenthalt ist entweder der persönliche Aufenthalt der natürlichen Person oder, gemäß Artikel 19 Abs. 1 der Verordnung, der Sitz von juristischen Personen im Sinne im Sinne ihrer Hauptverwaltung. Eine Ausnahme hiervon besteht wiederum dann, wenn eine Filiale oder Niederlassung handelt. Dann gilt im Zweifel das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gemäß Artikel 4 Abs. 1 lit. b) bei Dienstverträgen (dies bedeutet nach europäischen Diktion „Dienstverträge einschließlich von Werkverträgen“) das Recht des Staates Anwendung findet, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Häufig werden in längerfristig angelegten vertraglichen Beziehungen Rahmenverträge verwendet, insbesondere im Falle von Vertriebsverträgen. Vertriebsverträge unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Vertriebsmittler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies ist insbesondere bei Vertragshändler- und Franchiseverträgen von Bedeutung.

Zu unterscheiden ist jedoch dann der Rahmenvertrag und der im Einzelnen innerhalb des Rahmenvertrages abgeschlossenen Kaufvertrag. Der Lieferant des Vertragshändlers ist bei Abschluss eines Liefervertrages dann Verkäufer, so dass bezogen auf den Kaufvertrag das Recht des Lieferanten gilt.

Sinnvoll wäre nach unserer Auffassung, die Verträge einheitlich zu gestalten und Rahmen- und Einzelkaufvertrag einer einheitlichen Rechtsordnung zu unterstellen.

Gemäß Artikel 12 der Rom-I-VO ist das nach Maßgabe einer Rechtswahl gemäß Artikel 3 oder des gemäß Artikel 4 anwendbaren Rechts, maßgebend für

  • die Auslegung eines Vertrages,
  • die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen,
  • die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen, einschließlich der Schadensbemessung,
  • die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen,
  • die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben,
  • die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages.

3. Unvereinheitlichtes und vereinheitlichtes Kaufrecht

Diese juristischen Begriffe sind den meisten Kaufleuten unbekannt. Unvereinheitlichtes Recht bedeutet nationales Recht, also hier deutsches Recht des BGB und HGB, belgisches Recht des Code Civil und des Code de Commerce.

Es gibt hingegen das sogenannte vereinheitlichte Kaufrecht. Dieses bezeichnet das Wiener-UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (United Nations Convention on contracts for the International Sale of Goods – CISG).

Dieses internationale Kaufrecht ist mittlerweile von 83 Vertragsstaaten ratifiziert worden. In Europa gehören hierzu alle Länder der EU mit Ausnahme von England, Portugal und Malta. Außerhalb der EU sind als maßgebliche Signatarstaaten z.B. die Vereinigten Staaten, China, Kanada, die Russische Föderation und die Schweiz zu nennen. Deutschland hat das UN-Kaufrecht im Jahre 1990 ratifiziert, Belgien im Jahre 1991.

Das UN-Kaufrecht ist auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen.

Dies bedeutet, dass vorbehaltlich einer anderweitigen vertraglichen Vereinbarung sämtliche Exportverträge der Bundesrepublik Deutschland dem UN-Kaufrecht unterliegen! Angesichts der Vielzahl der Signatarstaaten ist auch davon auszugehen, dass ca. 80 % der Importe Deutschland dem UN-Kaufrecht unterfallen. Von den 20 wichtigsten Handelspartnern Deutschland haben 19 das UN-Kaufrecht ratifiziert.

Im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts ist das UN-Kaufrecht als vereinheitlichtes internationales Recht auch ohne ausdrückliche Rechtswahl anwendbar, da nämlich jeweils Bestandteil des nationalen Rechts. Da das UN-Kaufrecht Bestandteil des nationalen Rechts ist, führt die Vereinbarung deutschen oder belgischen Rechts, entgegen der Erwartung der meisten Kaufleute, daher nicht zu dem erstrebten Ziel der Anwendbarkeit des vertrauten nationalen Rechts, sondern geradewegs zum UN-Kaufrecht. Möchte man dies vermeiden, muss man, ausdrücklich oder stillschweigend, das UN-Kaufrecht ausschließen (vgl. Artikel 6 CISG). Der ausdrückliche Ausschluss befindet sich in vielen, richtig gemachten AGB in der Weise, dass bestimmt wird: „Dieser Vertrag unterliegt dem materiellen deutschen Recht des BGB und HGB. Die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts wird ausgeschlossen.“

Ein stillschweigender Ausschluss kann dann vorliegen, wenn z.B. zwar auf das deutsche Recht rekurriert wird, jedoch im Vertrag auf einzelne Bestimmung z.B. des unvereinheitlichten deutschen Gewährleistungsrechts Bezug genommen wird. Eine klare Festlegung ist jedoch im Falle von Streitigkeiten von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Es ist in der Literatur umstritten, ob der Vorrang der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts auf dem Vorrang des internationalen Völkerrechts vor dem EU-Recht basiert (so Artikel 25 der Rom I-Verordnung) oder das UN-Kaufrecht über Artikel 1 CISG gemäß den Regeln des Internationalen Privatrechts zur Anwendung kommt. Diese Frage ist jedoch eher von akademischem Interesse.

Die Anknüpfung über die Rom-I-Verordnung erlaubt jedoch, das Recht gemäß Artikel 3 oder 4 der Rom-I-Verordnung zu bestimmen, das für die Bereiche (subsidiär) Anwendung findet, die das UN-Kaufrecht nicht regelt. Diese Bereiche sind Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Aufrechnung, Inhaltskontrolle von AGB und Übergang des Eigentums sowie Verjährung.

4. Ausschluss des UN-Kaufrechts?

Sollte man das UN-Kaufrecht ausschließen?

In den meisten Verträgen, auch großer Unternehmen, findet sich ein Ausschluss des UN-Kaufrechts. Häufig erfolgt der Ausschluss unreflektiert. Man kann jedoch grob, da nicht eigentliches Thema dieser Darstellung, sagen, dass das UN-Kaufrecht durch Übernahme der im Common Law vorherrschenden verschuldensunabhängigen Haftung für Mängel der Kaufsache eher käuferfreundlich ist. Der Unterschied wird bedeutsam bei der Frage des Schadensersatzes. Schadensersatzansprüche aufgrund von Mängeln, insbesondere für Folgeschäden setzt im deutschen Recht Verschulden voraus. Dies wirkt sich insbesondere bei Zwischenhändlerverträgen aus, wenn von einem Vorlieferanten erworbene Ware mangelhaft ist, dies aber im Rahmen der Untersuchungs- und Rügepflicht von Käufer und Wiederverkäufer nicht erkannt werden konnte. Die Weiterlieferung eines insoweit nicht zu vertretenden Mangels begründet daher keine Schadensersatzverpflichtung des Wiederverkäufers.

Gleiches gilt im belgischen Code Civil, wonach grundsätzlich die Haftung des Verkäufers auf Nacherfüllung, Minderung oder Rückzahlung des Kaufpreises geht, jedoch nicht darüber hinaus, falls mögliche Folgeschäden den Vertragswert übersteigen (Artikel 1644 Code Civil). Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn es sich bei dem Verkäufer um einen Spezialisten handelt, d.h., jemand, der einen Wissensvorsprung vor dem Käufer hat. In diesem Fall wird im belgischen Recht widerlegbar (im französischen Recht sogar unwiderlegbar) vermutet, dass der Verkäufer einer mangelhaften Sache bei Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von diesem Mangel hatte und sich insoweit auf Schadensersatz haftet, sich insbesondere nicht auf eine vereinbarte Haftungsbegrenzungen oder –ausschlüsse berufen kann (Artikel 1645 Code Civil).

Dies muss man wissen, wenn man sich in Unkenntnis des UN-Kaufrechts in Verträgen auf belgisches (oder französisches) unvereinheitlichtes Recht einlässt. Denn anders als im deutschen Recht, wo sich die Problematik der Haftungsbeschränkung im Bereich des AGB-Rechts stellt, das dann keine Anwendung findet, wenn es sich um einen sogenannten Individualvertrag handelt, ist es aufgrund des Vorstehenden im Anwendungsbereich des Code Civil schlichtweg fast unmöglich, wirksame Haftungsbeschränkungen zu vereinbaren. Da sich der ausländische Vertragspartner häufig nicht auf deutsches Recht einlässt (mit Ausnahme von Fallgestaltungen, in denen der deutsche Vertragspartner eindeutig marktstärker ist), kann in den Verhandlungen nur der Hinweis auf das beiden Rechtsordnungen innewohnende UN-Kaufrecht zur Lösung beitragen.

Aber: Das UN-Kaufrecht ist dispositiv und nichts hindert die Vertragsparteien daran, die verschuldensunabhängige Garantiehaftung im Hinblick auf Folgeschäden, insbesondere Schadensersatz für Produktionsausfall und entgangenen Gewinn auszuschließen, einzuschränken oder dem Vorbehalt des Verschuldens zu unterstellen. Vorsicht aber, wenn aufgrund einer Rechtwahl oder aufgrund von Artikel 4 Rom-I-Verordnung subsidiär deutsches Recht Anwendung findet. Dann gilt nämlich das im UN-Kaufrecht nicht geregelte deutsche AGB-Recht, das Haftungsbeschränkungen und –ausschlüsse nur eingeschränkt zulässt. Ob es für eine Exportnation sinnvoll ist, ausländische Vertragspartner, die in aller Regel, insbesondere im Bereich des Common Law, Vertragsfreiheit haben, vor deutschen Lieferanten auf diese Weise zu schützen, steht auf einem anderen Blatt und ist ein weites Feld.

Aber auch auf Käuferseite ist ein Nachteil zu benennen. Das UN-Kaufrecht ist genuin internationales Recht. Im internationalen Recht besteht ein Vorrang vor Vertragsdurchführung vor Vertragsrückabwicklung, um kostspielige Rücktransporte zu vermeiden. Deshalb erlaubt das UN-Kaufrecht den Rücktritt vom Kaufvertrag nur bei wesentlichen Vertragsmängeln, während das deutsche Recht bereits nicht unerhebliche Mängel zum Anlass nimmt, das Recht zur Rückabwicklung des Vertrages zu gewähren, wenn die Nacherfüllung scheitert oder verweigert wird. Aber auch dies kann vertraglich gestaltet werden.

Der Vorteil des UN-Kaufrechts liegt aber ganz klar in dessen fast universeller Anwendbarkeit. Selbst Gerichte der Länder, die nicht Signatarstaaten sind, wie z.B. England, kennen sich bestens mit dem UN-Kaufrecht aus, weil es eben häufig zur Anwendung kommt. Bevor man daher die Schwierigkeit unternimmt, einem Richter in Lüttich oder Antwerpen die Grundzüge des deutschen Rechts zu erklären und der Mandant bei jedem Zitat einer deutschen Gesetzesstelle oder eines Urteils des BGH horrende Übersetzungskosten zu gewärtigen hat, können Ansprüche aus Kaufverträgen, die dem UN-Kaufrecht unterliegen, in aller Regel problemlos vor den meisten Gerichten plädiert werden. Die Rechtsdurchsetzung wird damit ganz erheblich vereinfacht. Denn es ist nicht immer gewährleistet, dass das anwendbare Recht und der Gerichtsstand zusammenfallen.

5. Gerichtsstände

Während sich das anwendbare Recht aus der Rom I-Verordnung ergibt, werden in Europa die Gerichtsstände aus der Brüssel-I-Verordnung entwickelt. Dies war bis zum 15. Januar die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, nunmehr seit dem 15. Januar 2015 abgelöst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidung in Zivil- und Handelssachen.

Gemäß Artikel 1 Abs. 1 Brüssel I-VO ist die Verordnung in Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Sie ist nicht auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren, also auch das deutsche Insolvenzverfahren, und die Schiedsgerichtsbarkeit anzuwenden.

Gemäß Artikel 4 Brüssel I-VO ist zumindest der allgemeine Gerichtsstand einer Partei, d.h., das international, örtlich und funktional zuständige Gericht am Sitz der beklagten Partei, für Rechtsstreitigkeiten zuständig.

Alternativ besteht die Möglichkeit, auf besondere Zuständigkeiten zu rekurrieren. Gemäß Artikel 7 Abs. 1 lit. b) 1. Spiegelstrich Brüssel I-Verordnung ist dies bei dem Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; bei der Erbringung von Dienstleistungen ist es der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Artikel 7 bezeichnet damit den sogenannten Gerichtsstand des Erfüllungsortes und es wird an dieser Stelle vielleicht deutlich, wie wichtig es sein kann, den Lieferort strategisch richtig zu bestimmen.

Im internationalen Rechtsverkehr sollte man sich daher durch aus mit den Incoterms vertraut machen, um im Zweifel an dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes vorgehen zu können, falls der allgemeine Gerichtsstand der beklagten Partei die Rechtsdurchsetzung erschweren würde.

Denn, und dies mag vielleicht eine Überraschung sein, es ist nicht so einfach, im internationalen Rechtsverkehr einen Gerichtsstand wirksam zu vereinbaren.

Dies rührt daher, dass gemäß Artikel 25 Brüssel I-Verordnung Vereinbarungen über die Zuständigkeit, die sogenannte Prorogation, schriftlich erfolgen müssen. Eine Gerichtsstandvereinbarung muss entweder schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen werden.

Schriftlich oder mit schriftlicher Bestätigung heißt letztlich, dass die von der Gerichtsstandvereinbarung betroffene Partei, d.h. zu deren Nachteil von ihrem allgemeinen Gerichtsstand abgewichen wird, ihre Unterschrift oder Gegenbestätigung auf ein Dokument gesetzt haben muss, das ausdrücklich auf die Gerichtsstandvereinbarung verweist.

AGB werden jedoch in aller Regel nicht gegengezeichnet. Im internationalen Handel reichen weder der Hinweis auf anwendbare AGB noch die Möglichkeit, diese mit zumutbaren Mitteln abzurufen, – anders als im nationalen deutschen, belgischen oder französischen Recht –, um diese in den Vertrag einzubeziehen. Die AGB müssen vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages nachweislich beigefügt werden. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die AGB dann entweder in der Landessprache des Adressaten oder besser in der gewählten Korrespondenz -, d.h. der gewählten Vertragssprache abgefasst sein müssen. Gerade in Ländern wie Luxemburg, Belgien oder der Schweiz ist es manchmal schwierig, die in Frage kommende Landessprache zu identifizieren, die am Ort des Sitzes der anderen Vertragspartei gesprochen wird. Und es ist erstaunlich, wie schnell ein Vertragspartner Sprachkenntnisse vergessen kann, wenn es in einem Prozess auf die Kenntnis der streitigen AGB-Klausel ankommt.

Man muss daher von dem weit verbreiteten Irrglauben Abstand nehmen, im internationalen Wirtschaftsrecht durch Hinweis auf AGB oder durch Beifügung von AGB, ohne diese gegenzeichnen zu lassen, einen Gerichtsstand zu seinen Gunsten vereinbaren zu können.

Bezogen auf das deutsche-belgische Geschäft bedeutet dies, dass für den Fall der Lieferung einer Kaufsache nach Lüttich das UN-Kaufrecht, subsidiär das deutsche Recht Anwendung findet, jedoch sowohl der allgemeine Gerichtsstand des Käufers gemäß Artikel 4 wie auch der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (Lieferort) gemäß Artikel 7 Brüssel-I-Verordnung zur Zuständigkeit des Handelsgerichts Lüttich (Tribunal de Commerce de Liège) verweisen. Dies kann die Rechtsdurchsetzung im Einzelfall ungemein erschweren.

Daher sollte in diesem Punkt auf das Vertragsmanagement aller größter Wert gelegt werden.

 

Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil