Die Frage, welches Recht auf einen Erbfall anzuwenden ist, entscheidet sich bis zum Inkrafttreten der EU-Verordnung Nr. 650/2012 vom 04.07.2012 in 2015 betreffend, u.a., das auf einen Erbfall anzuwendende Recht nach den sogenannten nationalen Kollisionsvorschriften, d.h. das internationale Privatrecht der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU.

Bei Erbfällen in Belgien knüpft der dortige Code de droit international privé grundsätzlich an den letzten Wohnsitz des Erblassers an, nimmt hiervon jedoch Immobilien aus. Diese werden nach dem Recht des Belegenheitsstaates vererbt.

Im deutschen Recht wird gemäß Artikel 25 EGBGB an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft, wobei jedoch gemäß Artikel 3 a Abs. 2 EGBGB ein Vorbehalt in dem Falle gilt, dass sich im Nachlass Immobilien befinden, die in einem anderen Staat belegen sind und hinsichtlich derer das internationale Privatrecht dieses Staates die Anwendbarkeit des Belegenheitsrechtes vorsieht, wie dies in Belgien der Fall ist.

Infolge dessen kommt es in der Praxis relativ häufig zu deutsch-belgischen Erbfällen, wenn sich im Nachlass belgische Immobilien befinden.

Soweit der gesamte Nachlass oder ein Teil des Nachlasses nach belgischem nationalen Recht vererbt wird, stellt sich dabei die Frage der Haftung des Erben. Grundsätzlich haften die Erben unbeschränkt mit ihrem vollen Vermögen für die Verbindlichkeiten des Nachlasses und des Erblassers. Diese Rechtsfolgen sind im deutschen und belgischen Recht identisch.

In der Praxis ist jedoch gerade bei Erbfällen mit Auslandsbezug die Ermittlung des Nachlassvermögens nicht immer evident. Die Annahme der Erbschaft kann daher für Erben unabsehbare Haftungsfolgen haben; umgekehrt ist eine vorsorgliche Ausschlagung des Erbes sicherlich auch keine Patentlösung, weil der Erbe auf diese Weise zu Gunsten anderer Erben oder des Fiskus möglicherweise auf ihm gar nicht bekannte Ansprüche verzichtet.

Wie kann ich nach belgischem Recht auf die verschiedenen Fallgestaltungen reagieren?

Steht mit Sicherheit fest, dass die Aktiva des Nachlasses die Passiva übersteigen, kann das Erbe angetreten werden. Dabei gilt der Grundsatz, dass eine Annahme des Erbes nicht gesondert erklärt werden muss. Dies fällt von Gesetzes wegen an.

Steht hingegen fest, dass der Nachlass überschuldet ist, können die Erben die Erbschaft ausschlagen und haften nicht für Nachlassverbindlichkeiten (Artikel 785 Zivilgesetzbuch).

Die Ausschlagung der Erbschaft ist durch Vorlage der Sterbeurkunde oder einer beglaubigten Kopie sowie Unterzeichnung einer Verzichtsurkunde bei der Geschäftsstelle des Gerichtes Erster Instanz am Wohnsitz des Erblassers zu erklären.

Anders als in Deutschland beträgt die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft maximal 30 Jahre (Artikel 789 Zivilgesetzbuch). Daraus zu schließen, dass man aufgrund der langen Frist (diese beträgt in Deutschland lediglich sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft), genügend Zeit hat, sich über den Umfang des Nachlasses zunächst zu informieren, wäre jedoch ein Trugschluss. Denn in diesem Fall besteht das Risiko, dass eine stillschweigende Annahme der Erbschaft durch Inbesitznahme der Nachlassgegenstände angenommen wird, die eine spätere Ausschlagung der Erbschaft unzulässig macht.

In dem Falle, dass keine Gewissheit über den Umfang des Erbes und der Nachlassverbindlichkeiten bestehen, gibt es die Möglichkeit der Annahme der Erbschaft unter Bedingungen. Konkret ist dies die Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (Artikel 793 ff. Zivilgesetzbuch). Hierzu ist vor dem Gericht Erster Instanz des Bezirks, in dem der Nachlass eröffnet wird, eine dahingehende Erklärung abzugeben. Die Erklärung ist nur wirksam, wenn unmittelbar oder im Vorfeld im Anschluss an die Erklärung ein Nachlassinventar vorgelegt wird. Dieses ist von einem Notar zu erstellen. Das Inventar muss eine Beschreibung und Schätzung der beweglichen Vermögensgegenstände, eine Aufnahme vorhandener Urkunden und Schriftstücke sowie eine Auflistung der Aktiva und Passiva enthalten.

Die Erklärung der Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung wird in ein Register aufgenommen und anschließend im belgischen Staatsblatt (Moniteur Belge) veröffentlicht mit der an Gläubiger oder Vermächtnisnehmer gerichteten Aufforderung, allfällige Ansprüche geltend zu machen und anzumelden.

Im Falle der Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung haften die Erben nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses.

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Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil