Rechtsanwalt Guido Imfeld hielt am 12.11.2015 einen Vortrag über außergerichtliche Streitlösung bei dem Deutschen Sachverständigentag in Leipzig.

Frage 1: Welche Verfahren und Methoden zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten und Streitigkeiten gibt es?

1.1. Soweit Charakteristikum der außergerichtlichen Lösung von Konfliktfällen ist, dass diese außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stattfindet, wären als solche Methoden

  • die institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit,
  • die ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit,
  • die Streitschlichtung,
  • die Mediation und
  • die Cooperative Praxis (collaborative law)

zu nennen.

1.2. Die Schiedsgerichtsbarkeit unterscheidet sich von der staatlichen Gerichtsbarkeit dadurch, dass ihr ein Moment der Freiwilligkeit innewohnt. Die Parteien müssen sich vertraglich auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens anstelle der staatlichen Gerichtsbarkeit im Konfliktfall einigen.

Gleichwohl erfolgt die Konfliktlösung durch das Schiedsgericht nicht anders als bei einem staatlichen Gericht, nämlich in der Weise, dass die Parteien ihre jeweilige Position in kontradiktorischer Weise darlegen und ein aus einem oder mehreren Entscheidern (Schiedsrichter) bestehendes Kollegium den Streitfall löst. Der (ordnungsgemäß zu Stande gekommene) Schiedsspruch kann dann unter Zuhilfenahme staatlicher Mittel vollstreckt werden. Im Ergebnis entscheidet daher ein Dritter gemäß der Verfahrensordnung des Schiedsgerichts, das die Funktion einer Zivilprozessordnung hat, über den Streitfall der Parteien.

1.3. Eine Schlichtung hingegen setzt das Einvernehmen der Parteien mit der vom Schlichter vorgeschlagenen Lösung voraus. Der Schlichter kann zu Gunsten der einen oder anderen Partei nach Würdigung des Sachverhaltes und der rechtlichen Gegebenheiten Stellung beziehen und auf die Parteien im Sinne einer einvernehmlichen Lösung einwirken. Auch hier liegt in der Rolle des Streitschlichters ein Element der Autorität.

1.4. Bei der Mediation hingegen obliegt es den Parteien selbst, eine interessengerechte Lösung des Konflikts zu erarbeiten. Der Diskurs ist nicht antagonistisch und kontradiktorisch anhand von Positionen strukturiert, sondern es erfolgt eine Interessenklärung. Innerhalb der Mediation ist durch das sogenannte Phasenmodell eine Struktur des Diskurses vorgegeben, deren Ziel die Konfliktlösung durch die Parteien ist. Der Mediator als neutrale oder allparteiliche Person hat die Aufgabe, den Konflikt zu begleiten, auf die Einhaltung der Verfahrensregeln zu achten und die Parteien auf diese Weise zu befähigen, eigenständig eine nicht zwingend rechtliche Lösung ihres Konfliktes im beiderseitigen Interesse zu vereinbaren.

1.5. Bei der Cooperativen Praxis handelt es sich um ein Verfahren, das mit den Mitteln der Mediation, insbesondere dem Phasenmodell arbeitet, jedoch die Besonderheit aufweist, dass jede der Parteien von einem, in der Regel anwaltlichen, Vertreter begleitet wird. Anders als bei der Mediation gibt es keinen allparteilichen Mediator, sondern zwei Berater, die den Medianten zur Seite stehen, jedoch im Interesse einer eigenständigen, von den Parteien zu erarbeitenden Lösung den Diskurs strukturieren. Dabei arbeiten die Anwälte kooperativ zusammen und richten sich an den Interessen und Motivationen, nicht aber an Positionen der Parteien aus. Im Gegensatz zur Mediation beeinflussen die Beistände der Parteien jedoch das Verfahren, indem sie eigenständig rechtlichen Input geben und an einer Lösung mitwirken. Aufgrund des Teamworking der beiden Beistände fließen auch Elemente des Coaching und der Supervision in den Prozess ein.

Wesentliches Merkmal der Cooperativen Praxis ist die sogenannte Disqualifikationsklausel. Dies bedeutet, dass sich Anwälte und Parteien in einem privatrechtlichen Verfahrensvertrag zuvor darauf verständigen, dass die Anwälte in dem Fall des Scheiterns des Prozesses der Cooperativen Praxis die Parteien später nicht in einem kontradiktorischen Prozess, sei dies die Schiedsgerichtsbarkeit oder staatliche Gerichtsbarkeit, vertreten dürfen.

 

2. Bei welcher Art von Konflikten (z.B. Familienangelegenheiten, Bau-, Nachbar-, Versicherungsstreitigen, Arzthaftungssachen etc.) werden sie eingesetzt?

Ich würde eher nicht anhand der Verfahrensgegenstände beantworten wollen, welche Möglichkeit der Streitschlichtung oder –entscheidung im konkreten Fall in Betracht kommt.

Es kommt immer auf die Einzelheiten des Konfliktfalles an.

Ein wesentlicher Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit z.B. ist die Vertraulichkeit. Wenn es um einen Verfahrensgegenstand geht, der nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll, wie dies z.B. häufig der Fall ist bei Patent- und Know-How-Streitigkeiten oder im Gesellschaftsrecht, bieten sich nicht öffentliche Verfahrensarten an. Die vorgenannten Punkte sprechen daher auch z.B. für die Mediation und die Cooperative Praxis.

Für letztere Methoden ist allerdings eher charakteristisch und ausschlaggebend, dass sie sich für alle Konflikte eignen, bei denen die Interessen und Motivationen der Parteien eine vorrangige Rolle vor der Rechtsanwendung spielen.

Inkasso aus Warenlieferung z.B. eignet sich eher weniger für die alternative Streitschlichtung. Gleiches gilt z.B. für Versicherungssachen, Verkehrsunfälle, in denen ausschließlich der zu ermittelnde oder technische Sachverhalt die rechtliche Lösung vorgibt. Soweit der rechtliche Kontext der Streitsache eine eher ungeordnete Rolle bei der Genese und Lösung des Konfliktes spielt, ist die alternative Streitschlichtung von Interesse. Dies betrifft insbesondere Verfahren, bei denen die Konfliktentstehung und ihre Analyse von wesentlicher Bedeutung für die Streitentstehung sind.

Für die Schiedsgerichtsbarkeit spricht häufig, dass Schiedsgerichte in der Regel schneller entscheiden als dies bei der staatlichen Gerichtsbarkeit möglich wäre (s.u.).

Nach den Erfahrungen des Unterzeichners muss dies jedoch für Deutschland nuanciert werden, da teilweise Verfahren in I. Instanz in Deutschland vor den staatlichen Gerichten schneller durchgeführt werden können, als dies z.B. zur Zeit bei der ICC möglich wäre.

 

3. Wie viele Fälle sind pro Jahr Gegenstand von Verfahren und Methoden zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten und Streitigkeiten? Gibt es Arten von Konflikten, bei denen diese Verfahren besonders häufig angewendet werden?

Aufgrund des Umstandes, dass sowohl Schiedsverfahren wie auch alternative Methoden der Streitschlichtung auf privater Initiative beruhen und durchgeführt werden, gibt es keine verlässlichen Zahlen zu dem Verhältnis zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Konfliktlösung bzw. zum Verhältnis der klassischen Konfliktlösung durch staatliche und Schiedsgerichte auf der einen und der alternativen Streitschlichtung auf der anderen Seite.

Nachvollziehbar ist, dass gerade in Familienstreitigkeiten die außergerichtliche Streitschlichtung eher im Vordergrund steht. Im Wirtschaftsrecht ist die Mediation wie auch die Cooperative Praxis zur Zeit ganz erheblich nachrangig zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit kann man davon ausgehen, dass dieses Verfahrensart überproportional häufig in internationalen Rechtsstreitigkeiten angewandt wird.

Im Gegensatz dazu gibt es Statistiken, die belegen, dass eine Mehrheit der jeweils befragten Verkehrskreise der alternativen Streitschlichtung positiv gegenübersteht. Im konkreten Streitfall wird jedoch paradoxerweise der klassischen Konfliktlösung häufig der Vorzug gegeben. Dies hängt vielleicht zum einen damit zusammen, dass in dem Konfliktfall beide Parteien übereinstimmend der Auffassung sein müssen, dass die alternative Streitschlichtung in Frage kommt. Bei der Cooperativen Praxis kommt hinzu, dass beide Anwälte in der alternativen Streitschlichtung ausgebildet sein sollten, was für den Fall, dass eine oder beide Parteien bereits klassisch anwaltlich vertreten sind, ein faktisches Verfahrenshindernis darstellt. Im Bereich des Wirtschaftsrechts ist das Verbot der Vorbefassung ein weiteres Hindernis, was Anwälte davon abhält, ihren (Dauer-)Mandanten zur alternativen Streitschlichtung zu raten, weil dann der betreffende Anwalt bzw. dessen Sozietät von dem Verfahren ausgeschlossen ist (mit Ausnahme von Mediationsverfahren, an denen die Anwälte und Mandanten teilnehmen, die jedoch eher selten sind). Bei der Cooperativen Praxis führt die Disqualifikationsklausel häufig zur Ablehnung des Verfahrensvorschlags.

 

4. Welche Erfahrungen bestehen mit der Anwendung von Verfahren und Methoden zur außergerichtlichen Konfliktlösung?

  • werden die Gerichte von Streitigkeiten entlastet;
  • welche Akzeptanz haben diese Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung bei den Beteiligten;
  • kann der Konflikt schneller gelöst werden, als bei einem vor Gericht ausgetragenen Rechtsstreit

4.1. Die Entlastung der Justiz spielt bei der gesetzlichen Präferenz, die die alternative Streitschlichtung zur Zeit genießt, eine herausragende Rolle.

Derartige Bestrebungen sind daher insbesondere in Frankreich und Belgien zu verzeichnen. Diese Bestrebungen sind auch eine Antwort auf ein partielles Staatsversagen bei der Justizgewährung (Stichworte: Prozesskostenhilfe/Pro Deo/Verfahrensdauer).

4.2. Das deutsche Zivilprozessrecht ist spätestens seit der Reform in 2002 von seiner gesamten Struktur her auf die zwar gerichtliche, jedoch einvernehmliche Streitlösung gerichtet. So ist gemäß § 278 ZPO der mündlichen Verhandlung die sogenannte Güteverhandlung vorgelagert, bei der der Richter/die Richterin auf eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien hinwirken soll. Im Bereich z.B. der Handelsgerichtsbarkeit im Gerichtsbezirk des Unterzeichners werden schätzungsweise 80 % der Fälle bei den Kammer für Handelssachen im Wege des Vergleiches gelöst. Der Vorteil einer außergerichtlichen Lösung liegt darin, dass in Deutschland 2/3 der Gerichtskosten im Falle eines Vergleiches zurückerstattet werden und die Honorare des Anwaltes sich um ca. 50 % durch die sogenannte Einigungsgebühr erhöhen (als Entschädigung für eine eventuelle II. Instanz, die unter Gebührengesichtspunkten verloren geht).

Der Richter – und damit die Justiz – selbst wird durch diese Fokussierung der Justiz auf die gerichtliche Einigung erheblich von Arbeit entlastet. Die den Richtern von der Verwaltung vorgegebenen Erledigungszahlen sind kaum zu erreichen, wenn in jedem Konfliktfall ein Urteil geschrieben werden müsste. Daher ist das System als solches auf schnelle und gütliche Streitbeilegung, allerdings im gerichtlichen Prozess gerichtet. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Güteverhandlung im deutschen Zivilprozessrecht eine wesentliche bzw. die wesentliche Maßnahme zur Verringerung der Belastung der Gerichte darstellt. Dies ist, soweit der Zugang zur Justiz betroffen ist, nicht unproblematisch. Denn in der Güteverhandlung hat der Richter/die Justiz ein eigenes ökonomisches Interesse, das jedoch weder offengelegt noch kommuniziert wird.

4.3. Aufgrund der Rolle des Richters in Belgien, gemäß der Tradition des Code Civil, gibt es dort in aller Regel keine Einwirkung des Gerichts auf die Parteien zur Schlichtung, mit Ausnahme der gerichtlichen Mediation. Selbst in den Fällen, in denen z.B. im Code Judiciaire, vgl. Artikel 1345, die conciliation (Schlichtung) vorgeschrieben wird, nehmen die Richter in der Praxis kaum aktiv Einfluss auf den Streitverlauf und beschränken sich häufig darauf, eine zwischen den Parteien verhandelte Einigung bzw. in aller Regel, weil es ansonsten für kein Verfahren vor Gericht gäbe, das Scheitern der Einigungsbemühungen zu verzeichnen. Jedoch kann der Richter in Belgien den Parteien eine médiation judiciaire vorschlagen und das streitige Verfahren, unter Beibehaltung der Verjährungsunterbrechung, aussetzen. Diese Möglichkeit wird verstärkt genutzt, um die Arbeitsbelastung der Gerichte zu verringern.

4.4. Die Akzeptanz der Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung ist unter theoretischen Gesichtspunkten sehr hoch. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass außer im Bereich Täter-Opfer-Ausgleich oder im Familienrecht wohl eher nur eine einstellige Prozentzahl der Mandanten von der alternativen Streitbeilegung Gebrauch machen dürften.

Dabei ist auch zu verzeichnen, dass der Gesetzgeber, zumindest in Deutschland, das Reservoir der alternativen Streitschlichtung nicht ausreichend nutzt, indem das ursprünglich als Gesetz zur alternativen Streitbeilegung bezeichnete Mediationsgesetz nur noch die Mediation behandelt und z.B. die nach dem Selbstverständnis der Anwaltschaft und ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen eigentlich nach diesseitiger Auffassung eher geeignete oder in Betracht zu ziehende Cooperative Praxis in Deutschland, anders als dies in den Vereinigten Staaten, Kanada oder auch Belgien, der Fall ist, nicht vorsieht und in den gesetzlichen Rahmen einbezieht.

4.5. Bei der außergerichtlichen Konfliktlösung ist zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und alternativer Streitschlichtung zu unterscheiden, was die Schnelligkeit des Verfahrens betrifft.

Während man noch vor zehn Jahren davon ausgehen konnte, dass z.B. ein Verfahren vor der ICC in Paris schneller ist als vor einem staatlichen Gericht, würde ich dies z.B. für Deutschland nuancieren, für Belgien hingegen bejahen.

Im deutschen Zivilprozessrecht dürfte für den Fall, dass eine Güteverhandlung positiv verläuft, unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und der Schnelligkeit dem staatlichen Gerichtsverfahren der Vorzug vor der Schiedsgerichtsbarkeit gegeben werden.

Dies gilt grundsätzlich auch bei Verfahren, die durch Urteile entschieden werden. Differenzieren muss man dies aufgrund der in der Schiedsgerichtsbarkeit nicht vorgesehenen II. Instanz. Soweit jedoch keine umfangreichen Sachverständigengutachten notwendig sind, kann man davon ausgehen, dass in vielen Gerichtsbezirken in Deutschland zwei Instanzen in anderthalb bis zwei Jahren erfolgreich beendet werden können.

Dies gilt im Einzelfall nicht bei komplexen technischen oder anderen Fragen, bei denen die Prozessdauer von der Komplexität und vom Umfang sachverständiger Begutachtungen abhängig ist. In diesem Fall kann jedoch ggf. durch Wahl eines Beweissicherungsverfahrens Zeit gewonnen werden. Hier kann die Vereinbarung einer ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit oder einer Mediation durch Einbindung von Sachverständigen Konflikte erheblich schneller lösen als die staatliche Gerichtsbarkeit.

Für Belgien ist zu vermelden, dass die Einschaltung von Schiedsgerichten, Schlichtung und auch der außergerichtlichen Streitbeilegung jedenfalls nach diesseitiger Erfahrung zu einer erheblichen Verfahrensbeschleunigung führt.

Für Belgien ist positiv zu vermerken, dass durch die gerichtlich veranlasste Mediation viele Sachverständige in der Mediation ausgebildet werden und in Verfahren, in denen es vor allem auf den Beitrag des Sachverständigen ankommt, eine erheblich schnellere Lösung erreicht werden kann als dies der Fall bei einem konventionellen gerichtlichen Verfahren wäre.

Im Bereich des internationalen Rechts, und zwar in den Fällen mit Bezug zu zwei oder mehreren Rechtsordnungen, kann der Einsatz der Cooperativen Praxis zur Verfahrensbeschleunigung beitragen. In den Fällen, in denen Anwälte, die in zwei oder mehreren Rechtsordnungen ausgebildet sind, zwei oder mehrere Sprachen beherrschen können, dem Mandanten zur Seite stehen, ist dieses Verfahren sicherlich geeigneter zur Durchführung von internationalen Rechtstreitigkeiten als staatliche Gerichte, bei denen die Richter in aller Regel nur in einer Rechtsordnung ausgebildet sind und in denen jedwedes ausländisches Dokument übersetzt werden muss. Der Vorteil bei der Cooperativen Praxis liegt auch darin, dass die Anwälte konstruktiv zusammenarbeiten, so dass die in der gerichtlichen Auseinandersetzung häufig streitigen Punkte der anwendbaren Rechtsordnung und ihres Inhalts einvernehmlich erarbeitet werden können, dies im Gegensatz zu der in aller Regel langwierigen Einholung von kostspieligen Sachverständigengutachten zu Rechtsfragen der ausländischen Rechtsordnung.

 

5. Gibt es gesetzliche Regelungen für die Verfahren und Methoden zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten und Streitigkeiten?

  • auf nationaler Basis;
  • aufgrund von Richtlinien der Europäischen Union

Auch hier ist wieder zu unterscheiden zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und der alternativen Streitschlichtung.

Schiedsgerichte und die Anerkennung von Schiedssprüchen sind einerseits in den nationalen Zivilprozessordnungen, so z.B. 10. Buch, §§ 1025 ff. der ZPO wie auch auf internationaler Ebene in der Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards vom 10.06.1958 (New-Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) mit 156 Vertragsstaaten zu nennen. In Belgien ist die Schiedsgerichtsbarkeit in den Artikeln 1676 bis 1723 des Code Judiciaire geregelt.

Die alternative Streitschlichtung ist in Deutschland in dem Mediationsgesetz vom 21.07.2012 geregelt, in Belgien durch das Gesetz vom 19.02.2001 im Bereich der médiation familiale sowie die Loi modifiant le Code Judiciaire en ce qui concerne la médiation vom 21.02.2005.

In Belgien ist des Weiteren die Comission fédérale de médiation, die den Berufsstand der Mediatoren reguliert, eingerichtet, bei der auch die zertifizierten Mediatoren (médiateur agrées) gelistet werden (FPF Justice, Comission fédérale de médiation).

Auf europäischer Ebene ist die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, nach der die Schieds- und Gerichtsverfahren in EU-Mitgliedsstaaten angepasst werden sollen, die im Anschluss an einer Mediation stattfinden, zu nennen. Diese regelt auch Beweisverwertungsverbote in späteren Gerichtsverfahren wie auch in Schiedsverfahren.

Ferner ist die europäische Richtlinie 2013/11/EU über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über Online-Streitbeilegungen in Verbraucherangelegenheiten zu nennen, die die Einrichtung von Schlichtungsstellen und von Verfahren der alternativen Streitschlichtung in Verbraucherangelegenheiten vorsehen.

 

6. Auf welcher Rechtsgrundlage finden diese Verfahren Anwendung?

  • vertragliche Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien;
  • eine sonstige freiwillige Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien;
  • eine gesetzlich geregelte Verpflichtung

Grundsätzlich finden Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien statt. Dies gilt vor allem für Schiedsverfahren, in denen eine Schiedsvereinbarung Voraussetzung für den Ausschluss der Anrufung staatlicher Gerichtsbarkeit ist.

Gleiches gilt auch für die Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung, zu denen keine Verpflichtung besteht.

Eine Ausnahme bilden Schlichtungen/conciliations, wie z.B. der ehemalige § 495 a ZPO, der bei geringwertigen Streitigkeiten als Zulässigkeitsvoraussetzung eine Klage vor den Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung vorhersah wie auch die conciliation im Sinne des Artikel 1345 Code Judiciare.

Grundsätzlich ist bei jedweder außergerichtlicher Streitbeilegung eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien vorauszusetzen.

Ausnahmen bilden vom Gericht angeordnete Schlichtungen oder Mediationen, die jedoch deshalb nicht unproblematisch sind, da ihnen ggf. das Element der Freiwilligkeit fehlt.

Es ist auch insbesondere eine Tendenz in der EU zu beobachten, zur Entlastung der Gerichte Verfahren der alternativen Streitschlichtung als Zulässigkeitsvoraussetzung vorzuschreiben. Auch dies ist unter vorgenanntem Aspekt nicht unproblematisch.

 

7. Werden Sachverständige für dieses Verfahren in Anspruch genommen?

In Schiedsverfahren werden Sachverständige prozentual gesehen genauso häufig wie bei der staatlichen Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen. Soweit sich der Verfahrensgegenstand eignet, sollte dies auch der Fall sein für die außergerichtliche Streitbeilegung.

In Belgien wird die gerichtsnahe Mediation (médition judiciaire) häufig durch Sachverständige eigenständig durchgeführt.

Gerade langwierige Sachverständigengutachten in der staatlichen Gerichtsbarkeit bieten einen Anreiz, auch mit Hilfe von Sachverständigen außergerichtliche Streitbeilegung zu betreiben, wobei zur Gewährleistung des Erfolges der Verfahren begrüßenswert ist, wenn der Sachverständige selbst mit den Methoden und Werkzeugen der außergerichtlichen Streitbeilegung bzw. der alternativen Streitbeilegung vertraut ist.

 

8. Welche Anforderungen müssen Personen erfüllen, die derartige Verfahren durchführen?

  • gibt es berufliche und fachliche Qualifikationsanforderungen;
  • gibt es zur Erlangung dieser Qualifikation eine gesetzlich geregelte oder anderweitig festgelegte Ausbildung

In Belgien hat die Commission Fédérale des Médiations die Ausbildung des Mediators zwar reglementiert, jedoch wird die Ausbildung selbst von privater Stelle erbracht.

Die Ausbildung umfasst 60 Stunden mit mindestens 25 Stunden Theorie und 25 Stunden Praxis (tronc commun). Danach gibt es eine Unterscheidung. Der médiateur familial muss in einem zweiten Ausbildungsjahr 150 Stunden nachweisen, der médiateur civil et commercial und der médiateur social (Arbeitsrecht) muss 90 Stunden nachweisen.

Gesetzliche Grundlage ist das Gesetz vom 21.02.2005 sowie die décision du 1er février 2007 modifiée par les décisions du 11 mars et 23 septembre 2010 fixant les conditions et procédures d´agrément des centres de formation et des formations des médiateurs agrées und die directive concernant la décision du 1er février 2007 modifiée par la décision du 11 mars 2010.

Der Mediator kann sich zum médiateur agrée, ein von der Commission Fédérale des Médiations verlieher Titel, ausbilden lassen. Diese Qualifikation ist Voraussetzung, um eine gerichtliche Durchsetzung der Mediationsentscheidung bzw. der Vereinbarung in Belgien zu gewährleisten. Auch ist dem médiateur agrée die Einschaltung in der gerichtsnahen Mediation (médiation judiciaire) vorbehalten.

Ferner gibt es eine Verpflichtung zur kontinuierlichen Fortbildung.

Außerhalb des Bereichs des zertifizierten Mediators gibt es in Belgien kein einheitliches oder geschütztes Berufsbild. Das heißt, grundsätzlich kann sich dort jeder als Mediator bezeichnen, aber die Vereinbarungen sind nicht gerichtlich durchsetzbar.

Gleiches gilt in Deutschland. Auch dort ist der Beruf nicht geschützt, es sei denn, man möchte den Titel des zertifizierten Mediators nach § 6 des Mediationsgesetzes erlangen. Gemäß § 2 der hierzu erlassenen Verordnung darf sich als zertifizierter Mediator nur bezeichnen, wer neben der eigentlichen Ausbildung als Mediator einen berufsqualifizierenden Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Hochschuldstudiums und eine mindestens zweijährige praktische berufliche Tätigkeit nachweisen kann.

Die Ausbildung zum zertifizierten Mediator beträgt insgesamt 120 Zeitstunden. Die Fortbildungsverpflichtung beträgt 20 Zeitstunden in jeweils zwei Jahren. Der Mediator muss ferner praktische Erfahrung nachweisen, und zwar innerhalb von zwei Jahren mindestens vier Mediationsverfahren als Mediator oder Co-Mediator.

Anwälte, die sich als Mediatoren bezeichnen, müssen entweder die Ausbildung zum zertifizierten Mediator, wenn sie sich als solche bezeichnen wollen, durchlaufen oder gemäß § 7 a der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) eine mindestens 90stündige Ausbildung zum Mediator nachweisen.

Im Übrigen ist die Ausbildung des nicht zertifizierten Mediators nicht geregelt. Dieser muss nur grundsätzlich seine Eignung nachweisen, so dass auch in Deutschland kein geschütztes Berufsbild zu verzeichnen ist.

 

9. Gibt es eine gesetzliche Regelung oder anderweitige Verpflichtung für die Haftung von Personen, die Verfahren und Methoden zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten und Streitigkeiten durchführen?

Eine solche verpflichtende Regelung gibt es nicht mit Ausnahme der Anwaltsmediatoren, die von Gesetzes wegen eine Berufungshaftpflichtversicherung nachweisen müssen.

 

10. Auf welcher Grundlage erhalten diese Personen ein Honorar?

  • eine freie Vereinbarung mit den Konfliktparteien;
  • eine gesetzlich geregelte Gebührenordnung

Eine gesetzlich geregelte Gebührenordnung für Mediatoren gibt es weder in Deutschland noch in Belgien. Die Vergütung des Mediators wird auf privatrechtlicher Grundlage zwischen den Parteien vereinbart.

 

Guido Imfeld
Rechtsanwalt
Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Guido Imfeld ist zugelassener Anwalt seit 1996 und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht und für gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht. Seit dem Jahre 2000 ist er auch in Belgien als Anwalt zugelassen. Zum Anwaltsprofil